Von einer Frankfurterin, die auszog, den Briten die bayerische Kultur zu vermitteln. Sabine von Reth betreibt erfolgreich zwei bayerische Bierlokale in London und wir waren bei einem Lokalbesuch dabei und trafen die Frankfurterin am Main.
Nicole Brevoord /
„Mein Auto ist wahrscheinlich das einzige, das in England mit einem Eintrachtaufkleber herumfährt“, sagt Sabine von Reth bei einer Stippvisite in ihrer alten Heimat. Die waschechte Frankfurterin hat es 2003 mit einer eigentümlichen Geschäftsidee nach London verschlagen. Damals tauschte die heute 42-Jährige den Eisernen Steg gegen die Tower Bridge und eröffnete zwei bayerische Bierlokale im Land der Pubs. Ein Geschäft, das brummt.
„Ich habe 30 Jahre extrem gerne hier in Frankfurt gewohnt.“ Doch dann kam die Liebe und mit ihr wurde alles anders. „Im Frankfurter Haus in Neu Isenburg habe ich meinen Mann René kennengelernt, der damals als Business Developer in London arbeitete.“ Zuvor hatte der Essener sich Jahre lang als Ausbilder für Tauchlehrer verdingt. „Das hat er sieben Jahre gemacht, überall auf der Welt von den Malediven bis Australien. Und überall, wo er war, hat er nach einer deftigen Haxe gesucht.“ Kein leichtes Unterfangen. Als René beschloss, sich dauerhaft in London niederzulassen begann erneut die Suche nach Haxn und Erdinger, also einem Stückchen Heimat. „Im Prinzip wurde da die Idee geboren. In einer Metropole wie London, wo es alles gibt, gab’s nix Deutsches.“ Unmittelbar nach dem Kennenlernen von René und Sabine von Reth reifte die Geschäftsidee weiter heran. „Vier Wochen später bin ich nach London gezogen.“ Obwohl beide keine Erfahrung in der Gastronomie hatten, wollten beide das Abenteuer wagen. Zu überzeugend war ihr Geschäftskonzept.
„Eine gewisse Portion Naivität gehört dazu. Wer ins Ausland geht und denkt, dort wäre alles einfacher, der ist allerdings auf dem falschen Dampfer.“ Die Doku-Auswanderersoaps im Fernsehen ringen der Frankfurterin nur ein müdes Lächeln ab. Dabei kennt man sie selbst von der Sendung „Auf und davon – Mein Auslandstagebuch“ auf Vox. Dort wurde gezeigt, wie ein junges Mädchen in London Fuß fassen will und im Bierhaus bei Sabine von Reth eingearbeitet wird. „Es stehen einem nirgends Türen offen und es wartet keiner auf einen,“ weiß die Unternehmerin aus Erfahrung. Es sollte lange dauern, bis Sabine von Reth und ihr Mann im Dezember 2005 wirklich das erste Lokal eröffnen konnten. Die Vorliebe der Briten für Bier und ähnliche, erfolgreiche Konzepte in Asien hatten die Londoner Banker als Finanzplan nicht sofort überzeugt und ein Lokal zu finden, für das die Miete nicht gleich für ein Jahr im voraus entrichtet werden muss, erwies sich ebenfalls als schwierig. Doch es fanden sich Förderer und mit harter Arbeit und Nebenjobs nahm der Traum der Eheleute endlich Gestalt an. In der Old Street wurde das erste Bavarian Beerhouse eröffnet mit 350 Sitzplätzen. „Es war von Anfang an voll.“
Dass Bier in England gut läuft, dürfte nicht weiter verwundern. Aber auch das Stöffche von Possmann wird in London ausgeschenkt. „Wir importieren drei Mal im Jahr 480 Liter Apfelwein“, sagt die Unternehmerin. Aber das Hauptgeschäft wird mit anderen Getränken gemacht. „Wir sind UKs bestselling Erdinger-, Krombacher- und Jägermeisterbar.“ Den kleinen Feigling gibt es nur hier und immer beliebter wird die Pornobrause, das ist Vodka mit Ahoibrause. All das klingt noch nicht so bayerisch, oder? „Was wir machen ist nicht Fine Dining, sondern Entertainment. Das ganze ist Teil von einem Gesamtbild. Für Briten sind wir sehr exotisch. In der Presse wurden wir mal beschrieben als das Dindl-Disneyland.“ Aus ganz England stammen mittlerweile die Gäste und suchen im Beerhouse das Ausgefallene und das, was sie für Bayern halten. Sämtliche zünftige Speisen und Getränke werden aus Deutschland importiert, so viel Authentizität soll schon sein.
Szenenwechsel: Einen Steinwurf von der Londoner Tower Bridge finden wir in den Bögen einer Überführung das zweite Bavarian Beerhouse, das im Januar 2010 eröffnet wurde. Bierzeltgarnituren laden zum Verweilen ein, Fototapeten sorgen für Atmosphäre. An den Wänden prostet sich etwa ein Pärchen mit zwei Maß zu. Natürlich gekleidet in Krachlederner und im tief blickenlassenden Dirndl, Schloss Neu-Schwanstein bildet den Hintergrund. Hier werden die Gäste, ganz ungewöhnlich für die britische Insel, nicht an der Bar bedient, sondern am Platz. Die deutschsprachige Bedienung trägt Dirndl – was sonst. Für uns mag das alles etwas überzogen sein. „Für die Engländer aber ist es genau richtig, das ist für sie Bayern.“ Würstchen, Wiener Schnitzel (12,80 Pfund) und Haxe – stilecht mit Sauerkraut und Knödeln (15,90 Pfund) – das seien die Renner auf der Karte. Den italienischen Touristen am Nebentisch schmeckt es offensichtlich, auch wenn sie nicht zur eigentlichen Kernkundschaft gehören.
Sabine von Reth arbeitete bereits in Frankfurt in der PR-Branche und das ist auch nun ihr Bereich. Wer denkt, dass sie und ihr Mann in der Küche stehen oder am Tresen Bier zapfen, irrt. „Das war nie unser Plan.“ Stattdessen wurden kundige Arbeitskräfte eingestellt. Das Unternehmerpaar agiert hinter den Kulissen. Von der Security über diverse Köche und die aus Österreich oder Deutschland stammenden Bedienungen bis hin zu den Fahrern, die regelmäßig die Ware aus dem Rhein-Main-Gebiet anliefern – Grüne Soße ist auf den ausdrücklichen Wunsch der Frankfurterin auch öfter dabei – arbeiten rund 100 Menschen für das Unternehmen. Von Reth hält Kontakt zum Goethe-Institut und zur Deutschen Botschaft. Nicht selten werden die Lokale für Großveranstaltungen gebucht.
Während Europa im Fußballfieber zusammenrückte, war auch im Bavarian Beerhouse die Hölle los. Denn in der einzigen lizensierten englischen Fankneipe der Deutschen Nationalmannschaft wurde ordentlich mitgejubelt. „Wir sind dann der `place to be’. Wir haben Kamerateams von BBC und dem Frühstücksfernsehen da, weil alle sehen wollen, wie die Deutsche Nationalmannschaft gefeiert wird.“ Auch als bei der vergangenen Weltmeisterschaft England auf Deutschland traf, war das Beerhouse ausgebucht. „Aber es verlief absolut friedlich, das lag auch daran, dass die Engländer einsehen mussten, dass die deutsche Mannschaft einfach besser gespielt hat.“
An den Engländern gefällt Sabine von Reth der Nationalstolz und auch, dass sie allgemein höflicher, geduldiger und verzeihender sind. „Wenn man in London ein halbe Stunde zu spät kommt, dann nimmt einem das keiner übel. Aber ich hab jetzt wieder in Frankfurt gemerkt, wie schnell man hier von einem Ort zum anderen kommt, während man in London für ähnliche Distanzen Ewigkeiten braucht und die Zeit auch einplanen muss.“ An ihrer neuen Heimat sieht die Geschäftsfrau zwei Seiten. „London ist Chaos und extrem überbevölkert. Das hat Charme, die Musical- und Konzertszene ist fantastisch. Aber im Alltag ist es anstrengend. Frankfurt hingegen ist gemütlich, fast plüschig.“ Brot und richtige Bäckereien, die Sonnenblumenkernbrötchen anbieten, so was vermisst Sabine von Reth ebenso wie das Fressgastfest. Dafür haben es Frankfurter gut, die während der Olympischen Spiele in London heimatliche Genüsse vermissen, denn auf sie warten in den beiden Bavarian Beerhouses Frankfurter Würstel (4,60 Pfund) und natürlich das Stöffche (0,5 Liter für 4,50 Pfund), das an der Themse genauso zischt wie daheim am Main.
Dieser Artikel erschien im Journal Frankfurt , Ausgabe 14/12. Mehr spannende Storys gewünscht? Die aktuelle Ausgabe ist ab dem heutigen Dienstag am Kiosk erhältlich.