Am Donnerstag gab der Expertenstab zur Neustrukturierung des SEK Einblicke in die Vorgänge im SEK Frankfurt und Ausblicke in die Zukunft: Ab Dienstag nimmt im Frankfurter Polizeipräsidium wieder ein SEK seine Arbeit auf – in neuen Räumen und mit nahezu neuer Führung.
Laura Oehl /
Ab kommendem Dienstag soll im Frankfurter Polizeipräsidium wieder ein Spezialeinsatzkommando (SEK) seine Arbeit aufnehmen. Das teilten Innenminister Peter Beuth (CDU) und die Mitglieder des Expertenstabs zur Neustrukturierung des SEK am Donnerstag mit. Bereits vergangene Woche sind die SEK-Beamten wieder nach Frankfurt zurückgezogen – jetzt allerdings in neue Räumlichkeiten und mit nahezu komplett neuer Führung.
Eine Rückkehr nach Frankfurt sei aufgrund des strategisch günstigen Standorts unumgänglich gewesen, erklärte der Leiter des Expertenstabs und Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Westhessen, Stefan Müller. Künftig soll das SEK in Frankfurt jedoch unter dem Namen SEK Süd mit weiteren Spezialeinheiten zu einem SEK Hessen zusammengeführt und beim Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium angesiedelt werden. Damit sollen sich auch die Ausbildung und Rekrutierung des Nachwuchses sowie das Training der Einheiten ändern. Auch die verbliebenen Beamten des SEK Frankfurt, denen keine strafrechtlichen Vorwürfe gemacht werden, sind dann wieder in Frankfurt angesiedelt.
Fünf „gravierende Fehlentwicklungen“
Der Neuaufbau des SEK erfolgt auf Empfehlung des Expertenstabs, der am Donnerstag seine Ergebnisse vorstellte. Es habe mehrere Grenzüberschreitungen innerhalb des Frankfurter SEK gegeben, erklärte Stefan Müller. Die Haltung, die sich innerhalb der Einheit etabliert habe, widerspreche gänzlich den Anforderungen, die an ein SEK gestellt würden. Insgesamt deutete der Expertenstab fünf „gravierende Fehlentwicklungen“ heraus.
Allen voran stehen dabei die Chatgruppen, in deren Inhalte der Expertenstab am Donnerstag ebenfalls Einblick gab. In den etwa einer Million Nachrichten, die im Laufe der Ermittlungen vonseiten des Hessischen Landeskriminalamts im Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt ausgewertet wurden, fanden sich mehrfach gewaltverherrlichende, frauen- und fremdenfeindliche sowie rechtsextreme Aussagen. Hinzu kommen mehrere Videos und Fotos, beispielsweise von Weihnachtsdekoration mit Hakenkreuzen und Sprüchen aus dem Nationalsozialismus darauf, oder von Stimmzetteln, auf denen Adolf Hitler und die NSDAP ergänzt und angekreuzt wurden.
Doppeldeutige Symbole und „Selbst-Glorifizierung“
Über die Chatgruppen hinaus seien die Fehlentwicklungen auch in den Diensträumen des SEK Frankfurt aufgetreten, in denen sich über die Jahre eine Eigendynamik hin zu einer Überfrachtung mit Gegenständen und Zeichen wie Patronenhülsen, zahlreichen Totenkopf-Darstellungen sowie doppeldeutigen Symbolen wie dem Lambda-Zeichen, das auch die Identitäre Bewegung verwendet, entwickelt habe. Die Ausstattung der Räume sei inakzeptabel gewesen, habe von einer Selbst-Glorifizierung der Einheit gezeugt und sei „in der Summe eine nicht mehr tolerable Grenzüberschreitung für eine polizeiliche Einheit gewesen“, so Stefan Müller.
In diesem Rahmen sei es zu einer Gruppendynamik gekommen, durch die ein eigenes Werteverständnis innerhalb des SEK entstanden sei. Die Führungskräfte seien darüber hinaus ihrem Auftrag nur noch bedingt oder gar nicht mehr gerecht geworden, so Müller. Insgesamt habe man im Polizeipräsidium Frankfurt die Probleme zu spät erkannt. Zudem seien die Führungskräfte viel zu lange in ihren Positionen gewesen, erklärte der Leiter des Expertenstabs.
Beuth: „Auflösung des SEK Frankfurt war unumgänglich“
Die Analyse des Expertenstabs habe gezeigt, dass die Auflösung des SEK Frankfurt unumgänglich war, so Innenminister Peter Beuth. Die Ermittlungen gegen Teile der Einheit hätten deutlich gemacht, dass innerhalb der gesamten Einheit etwas schief gelaufen sei. Die Bilder in den Chatgruppen als „satirisch-lustig“ zu bewerten, wie es drei mutmaßlich ehemalige SEK-Beamte in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk getan hatten, mache ihn fassungslos und werfe die Frage auf, wie so etwas mit der Polizeiarbeit vereinbar sei, ergänzte Reiner Becker, externer Berater des Expertenstabs. Mit Falschdarstellungen und Aussagen wie die diesen, so Stefan Müller, hätten sich die vermeintlichen Beamten dauerhaft disqualifiziert und die Ergebnisse des Expertenstabs unterstrichen.
Jahrgang 1994, Studium der Musikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt, Journalismus-Master an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seit Dezember 2020 beim JOURNAL FRANKFURT.