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Frankfurter Landgericht
Prozessbeginn im Fall der „NSU 2.0“-Drohschreiben
116 Nachrichten mit gewaltsamen Drohungen, rassistischen Beleidigungen und teils vulgären Äußerungen soll er in rund drei Jahren verschickt haben – am Mittwoch begann der Prozess gegen den mutmaßlichen Verfasser der „NSU 2.0“-Drohschreiben am Frankfurter Landgericht.
Seit dem heutigen Mittwoch steht der 54-jährige Alexander M. aus Berlin vor dem Frankfurter Landgericht. Zwischen August 2018 und März 2021 soll M. insgesamt 116 selbst verfasste Drohschreiben per E-Mail, SMS und Fax verschickt haben. Adressiert waren diese an Privatpersonen, Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden und Institutionen und enthielten zahlreiche rassistische Beleidigungen sowie gewaltsame Androhungen. Unter den Adressaten befanden sich unter anderem die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, Linken-Vorsitzende Janine Wissler, die Linken-Politikerinnen Anne Helm und Martina Renner, Hengameh Yaghoobifarah von der taz, Satiriker Jan Böhmermann, die Frankfurter Staatsanwaltschaft, der Vorsitzende Richter des Lübcke-Prozesses Thomas Sagebiel und auch die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen. Unterzeichnet waren die Nachrichten meist mit dem Kürzel „NSU 2.0“ oder „SS-Obersturmbannführer“. Zudem enthielten sie teils öffentlich nicht zugängliche Daten der Adressaten.
Das auffälligste an Alexander M. sind am Mittwoch auf den ersten Blick wohl nur die neongelben Stellen an seiner Jacke. Der 54-Jährige ist ansonsten ein eher unscheinbarer Mann Mitte 50 mit kurzen grauen Haaren, Brille und einem Berliner Dialekt. Was er von der Presse hält, wird schnell klar, als er wiederholt seine beiden Mittelfinger in die Kameras streckt. Er spricht klar und laut und hat keine Scheu davor, auch mal die Staatsanwaltschaft beim Verlesen der Anklageschrift zu unterbrechen, um selbst nach einer Pause zu fragen oder der Vorsitzenden in scharfem Tonfall zu sagen, er werde seine Anschrift nicht in einem öffentlichen Verfahren nennen, das gehe die Presse nichts an.
Der vorlaute, leicht aggressive Tonfall, den M. am Mittwochmorgen vor dem Landgericht Frankfurt zeigt, passt zu dem, was der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft in den Drohschreiben an zahlreiche Personen von sich gegeben haben soll. Die Nachrichten enthielten Drohungen wie „Verpiss dich lieber, solange du noch lebend hier rauskommst“, teils vulgäre Äußerungen sowie zahlreiche rassistischen Beleidigungen. In einem Fall drohte der Verfasser auch mit der Hinrichtung der Tochter einer Adressatin.
Der Angeklagte muss sich neben den Drohschreiben auch wegen des Vorwurfs der Beleidigung in 67 Fällen, versuchter Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht verantworten.
Die nächste Sitzung findet am morgigen Donnerstag statt. Dann soll der Angeklagte selbst aussagen. „Ich bin hochmotiviert, mich zu der Sache zu äußern“, erklärte Alexander M. am ersten Verhandlungstag.
Festnahme im Mai 2021
Lange mussten die Öffentlichkeit und nicht zuletzt die Betroffenen auf einen Ermittlungserfolg im „NSU 2.0“-Skandal warten; Anfang Mai 2021 wurde schließlich der 53-jährige erwerbslose Alexander M. im Berliner Ortsteil Gesundbrunnen festgenommen. Ende Oktober 2021 erhob die Frankfurter Staatsanwaltschaft schließlich Anklage gegen ihn.
Lange hielt sich zuvor die Vermutung, die Drohschreiben würden von einer Person aus den Reihen der hessischen Polizei verschickt werden; in mehreren Fällen wurden die in den Nachrichten angegebenen Daten zuvor an Polizeicomputern abgefragt. Dies habe sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Die Behörde geht davon aus, dass der Angeklagte die Daten erhalten hat, indem er vorgab, Bediensteter einer Behörde zu sein.
Betroffene glauben nicht an einen Einzeltäter
Betroffene sehen das jedoch anders: „Nach allem, was wir wissen, steht für uns jedoch fest: Der NSU 2.0-Komplex ist mit der Festnahme des Angeklagten nicht aufgeklärt. Es gibt für uns zwingende Hinweise auf mindestens gezielte Datenweitergabe aus Polizeikreisen“, heißt es in einer Mitteilung von Seda Başay-Yıldız, ldil Baydar, Janine Wissler, Anne Helm, Martina Renner und Hengameh Yaghoobifarah. Sie alle hatten seit Sommer 2018 mindestens ein Drohschreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0“ erhalten.
Erkenntnisse im Fall Başay-Yıldız lassen zumindest Zweifel an der Einzeltätertheorie aufkommen. Nur kurz bevor die Frankfurter Anwältin das erste Drohschreiben am 2. August 2018 erhielt, seien ihre Daten und die ihrer Familie in drei verschiedenen polizeilichen Datenbanken 17-mal abgerufen worden. „Hierfür gab es keinen dienstlichen Anlass und solch eine Abfragestruktur ist auch nicht übliche Polizeiarbeit. 90 Minuten nach der Abfrage wurden diese Daten in einem Drohfax verwendet“, äußern sich die Betroffenen. Sie fordern nun lückenlose Aufklärung.
Das auffälligste an Alexander M. sind am Mittwoch auf den ersten Blick wohl nur die neongelben Stellen an seiner Jacke. Der 54-Jährige ist ansonsten ein eher unscheinbarer Mann Mitte 50 mit kurzen grauen Haaren, Brille und einem Berliner Dialekt. Was er von der Presse hält, wird schnell klar, als er wiederholt seine beiden Mittelfinger in die Kameras streckt. Er spricht klar und laut und hat keine Scheu davor, auch mal die Staatsanwaltschaft beim Verlesen der Anklageschrift zu unterbrechen, um selbst nach einer Pause zu fragen oder der Vorsitzenden in scharfem Tonfall zu sagen, er werde seine Anschrift nicht in einem öffentlichen Verfahren nennen, das gehe die Presse nichts an.
Der vorlaute, leicht aggressive Tonfall, den M. am Mittwochmorgen vor dem Landgericht Frankfurt zeigt, passt zu dem, was der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft in den Drohschreiben an zahlreiche Personen von sich gegeben haben soll. Die Nachrichten enthielten Drohungen wie „Verpiss dich lieber, solange du noch lebend hier rauskommst“, teils vulgäre Äußerungen sowie zahlreiche rassistischen Beleidigungen. In einem Fall drohte der Verfasser auch mit der Hinrichtung der Tochter einer Adressatin.
Der Angeklagte muss sich neben den Drohschreiben auch wegen des Vorwurfs der Beleidigung in 67 Fällen, versuchter Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht verantworten.
Die nächste Sitzung findet am morgigen Donnerstag statt. Dann soll der Angeklagte selbst aussagen. „Ich bin hochmotiviert, mich zu der Sache zu äußern“, erklärte Alexander M. am ersten Verhandlungstag.
Festnahme im Mai 2021
Lange mussten die Öffentlichkeit und nicht zuletzt die Betroffenen auf einen Ermittlungserfolg im „NSU 2.0“-Skandal warten; Anfang Mai 2021 wurde schließlich der 53-jährige erwerbslose Alexander M. im Berliner Ortsteil Gesundbrunnen festgenommen. Ende Oktober 2021 erhob die Frankfurter Staatsanwaltschaft schließlich Anklage gegen ihn.
Lange hielt sich zuvor die Vermutung, die Drohschreiben würden von einer Person aus den Reihen der hessischen Polizei verschickt werden; in mehreren Fällen wurden die in den Nachrichten angegebenen Daten zuvor an Polizeicomputern abgefragt. Dies habe sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Die Behörde geht davon aus, dass der Angeklagte die Daten erhalten hat, indem er vorgab, Bediensteter einer Behörde zu sein.
Betroffene glauben nicht an einen Einzeltäter
Betroffene sehen das jedoch anders: „Nach allem, was wir wissen, steht für uns jedoch fest: Der NSU 2.0-Komplex ist mit der Festnahme des Angeklagten nicht aufgeklärt. Es gibt für uns zwingende Hinweise auf mindestens gezielte Datenweitergabe aus Polizeikreisen“, heißt es in einer Mitteilung von Seda Başay-Yıldız, ldil Baydar, Janine Wissler, Anne Helm, Martina Renner und Hengameh Yaghoobifarah. Sie alle hatten seit Sommer 2018 mindestens ein Drohschreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0“ erhalten.
Erkenntnisse im Fall Başay-Yıldız lassen zumindest Zweifel an der Einzeltätertheorie aufkommen. Nur kurz bevor die Frankfurter Anwältin das erste Drohschreiben am 2. August 2018 erhielt, seien ihre Daten und die ihrer Familie in drei verschiedenen polizeilichen Datenbanken 17-mal abgerufen worden. „Hierfür gab es keinen dienstlichen Anlass und solch eine Abfragestruktur ist auch nicht übliche Polizeiarbeit. 90 Minuten nach der Abfrage wurden diese Daten in einem Drohfax verwendet“, äußern sich die Betroffenen. Sie fordern nun lückenlose Aufklärung.
16. Februar 2022, 15.10 Uhr
Elena Zompi
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