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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Ein Kommentar zur Berger Straße

„Wir machen hier nicht irgendeinen Soja-Latte-Macchiatio-Modetrend mit“

Die Berger Straße sei ein Ort der Entmenschlichung, schrieben wir vor wenigen Wochen. Kaweh Nemati von der Interessengemeinschaft Untere Berger Straße hält dagegen: Der Kommentar verkenne das Engagement der lokalen Ladeninhaber und Gastronomen – und die Verantwortung der Stadt Frankfurt.
Die Berger Straße misst insgesamt 2,9 Kilometer. Der erste Abschnitt, die Untere Berger, verläuft durch das Nordend und reicht vom Bethmannpark bis zur Höhenstraße. Dieser Teil ist ganz anders als die Obere Berger in Bornheim, die ist bekannt für viele Filialisten, aber auch für alteingesessene Geschäfte wie Meder oder die Sockenkiste. Und natürlich für das Uhrtürmchen. Die Kritik an der Berger Straße ist nicht unbegründet: Im oberen Abschnitt gibt es zwei Rewe, zwei DM, einen Rossmann und bald kommt noch ein Müller dazu. Dann noch zwei Fitnessstudios und mehrere Handyläden. Das gefällt niemandem. Auf die Untere Berger Straße trifft diese Monotonie, von der in dem Kommentar die Rede ist, nicht zu. Von den genannten 2,9 Kilometer macht der obere Teil der Berger nur 1,9 Kilometer aus. Die Untere Berger misst allein einen Kilometer. Das weiß ich deshalb so genau, weil unsere Lichterkette, die wir zur Weihnachtszeit anbringen, exakt zwei Kilometer lang ist.

Die Kritik an der Berger Straße mag teilweise berechtigt sein, aber sie verkennt das Engagement, mit dem sich zahlreiche Ladeninhaber und Gastronomen tagtäglich einbringen. Da ist zum Beispiel die Eisdiele Mint, die von einem älteren Ehepaar betrieben wird. Jeden Tag stehen sie dort hinter der Theke und produzieren voller Liebe, in Handarbeit Eis. Dann wäre da noch das Ginko. Jeder Kellner dort ist festangestellt. Finden Sie heutzutage mal einen Gastronomiebetrieb, der seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festangestellt und Urlaub gewährt – das gibt es kaum noch.

Die Weinhalle ist seit 25 Jahren auf der Berger Straße beheimatet, meinen eigenen Laden Escatira gibt es seit 28 Jahren. Nebenan befindet sich das Blütentraum, das gibt es nun schon seit rund 25 Jahren. Den Zoo-Laden gibt es sogar schon 50 Jahre. Ich könnte noch einige solcher alteingesessenen Geschäfte aufzählen. Auf der Unteren Berger Straße gilt noch als neu, wer schon seit fünf oder sechs Jahren dabei ist. Und das ist in Frankfurt einmalig. Man darf dabei nicht vergessen, dass wir hier täglich ums Überleben kämpfen. Jeder von uns arbeitet 60, 70 oder 80 Stunden die Woche. Wir müssen uns jeden Tag aufs Neue überlegen, wie wir unsere Kunden dazu bekommen, bei uns und nicht online zu kaufen. Für jeden von uns steht der Service im Vordergrund. Wir wollen nicht einfach Geld verdienen, dann wären die meisten Läden schon geschlossen. Wir möchten, dass sich unsere Kunden bei uns gut aufgehoben fühlen und dass sie beim Einkaufen ein Erlebnis haben, das ihnen online verloren geht.

Ja, die Berger Straße hat einen Öko-Anklang – aber das sind wir der Straße und unseren Kunden auch schuldig. Sämtliche Ladeninhaber verzichten auf Plastiktüten. Mich persönlich kostet die Umstellung auf Papiertüten und Ökostrom bei Escatira monatlich rund 300 Euro mehr. Unsere Lichterkette haben wir auf LED umgestellt – das bedeutet rund 4000 Euro Mehrkosten, die dem Gewerbeverein durchaus wehtun. Aber wir gehen diese Schritte bewusst. Wir machen hier nicht irgendeinen Soja-Latte-Macchiatio-Modetrend mit, sondern wir stellen uns bewusst unserer Verantwortung für ein besseres Leben. Für uns bedeutet das nicht nur Mehrkosten, sondern auch viel zusätzliche Arbeit. Aber das sind wir unseren Kunden schuldig und das setzen alle Ladeninhaber um, ganz unabhängig von der Geschäftsgröße.

Nein, es ist nicht alles perfekt auf der Berger. Auch mich stören die Shisha Bars und Wettgeschäfte. Deshalb suchen wir von der Interessengemeinschaft auch immer das Gespräch mit den Hauseigentümern, sobald ein Laden frei wird. Wir appellieren an die Eigentümer, im Sinne der Berger Straße, ihrer Bewohner und der Kunden weiterzuvermieten – aber wir können niemandem verbieten, an Wettgeschäfte zu vermieten. Nichtsdestotrotz kämpfen wir dafür, diese Negativ-Bilder möglichst gering zu halten.

Ich sehe hier vor allem die Stadt Frankfurt in der Pflicht. Insbesondere auch Oberbürgermeister Peter Feldmann. Natürlich befinden wir uns in einer freien Marktwirtschaft, aber ich würde mir wünschen, dass der Oberbürgermeister einen offenen Brief an alle Hauseigentümer der Stadt schreibt und ihnen klarmacht, dass Eigentum auch verpflichtet. Die Mietpreise sind inzwischen meist so hoch, dass kleine, Inhabergeführte Lokale meist von vornherein aus dem Rennen sind, wenn Räume neu vermietet werden. Bei 14 000 Euro Mietkaution für ein Straßenlokal, das so renovierungsbedürftig ist, dass man erstmal 60 000 bis 8000 Euro investieren muss, bleibt nur eine Großfiliale als neuer Mieter. Darauf haben wir leider keinen Einfluss. Ich kenne einige Inhaber, die ihre Geschäfte schließen mussten, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen konnte. Sollte mein Vermieter plötzlich beschließen, dass ich 9000 Euro im Monat zahlen muss, werde auch ich aufgeben müssen. Bloß: Bei 9000 Euro Miete wird dann kein Einzelhändler mehr in die Räume einziehen.

Straßen wie die Berger, die Schweizer oder auch der Oeder Weg machen den ganzen Charme der Stadtteile aus. Unsere Stadt hat mehr zu bieten als die Zeil, aber das muss sichtbarerer werden. Wir stehen jeden Tag in unseren Geschäften, Cafés und Restaurants, die wir mit viel Liebe und Herzblut führen. Wir sind nicht die Big Player, aber wir tragen zur Attraktivität dieser Stadt bei.

Kaweh Nemati ist mit seinem Geschäft Escatira seit 28 Jahren auf der Berger Straße zu finden. Er ist außerdem erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft Untere Berger Straße e. V. (IGUB) und kennt sämtliche Ladeninhaber und Gastronomen der Straße.

Der Kommentar wurde aufgezeichnet von Ronja Merkel.
 
22. März 2019, 11.54 Uhr
Ronja Merkel
 
 
Fotogalerie:
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