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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Black History Month

„Bildung ist der Schlüssel“

Lecia Brooks, Stabschefin der gemeinnützigen amerikanischen Organisation SPLC, und Stadtverordnete Mirrianne Mahn über Rassismus in den USA und in Deutschland – ein Gespräch zum Black History Month.
JOURNAL FRANKFURT: Mrs. Brooks, der Tod von George Floyd vor eineinhalb Jahren erschütterte nicht nur die USA. Auch in Deutschland kam es zu Protesten der „Black-Lives-Matter“-Bewegung. Was hat sich seit dem Sommer 2020 verändert?
Lecia Brooks: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, die Aufmerksamkeit für Rassismus gegen Schwarze Menschen ist gestiegen. Viele Menschen sagen, dass sie nicht glauben können, was passiert ist. Es gab viel Mitgefühl und Verständnis.

Frau Mahn, wie haben Sie die Auswirkungen persönlich erlebt?
Mirrianne Mahn:
Zunächst einmal habe ich entschieden, mir das George-Floyd-Video nicht anzuschauen. Die Auswirkungen sind sicherlich, dass der Fall die Black-Lives-Matter-Bewegung in Deutschland bekannt gemacht hat. Ich habe Familie in den USA und sehe den Kampf der Brüder und Schwestern in der ganzen Welt. Für mich leben Schwarze US-Bürger in einer Diaspora. Die USA können für Deutschland eine Blaupause sein, wie mit Rassismus umgegangen werden kann, besonders was die Entnazifizierung betrifft.

Inwiefern?
MAHN:
Es gibt in Deutschland zwar eine große Betroffenheit, aber man kann es sich leicht machen und sagen, dass so etwas ja nur in den USA passiert. Ich aber sage, wir haben diese Fälle auch hier, ein Beispiel ist der Tod von Oury Jalloh, der von Polizisten umgebracht wurde. Jedes Jahr am 7. Januar, dem Todestag von Oury Jalloh, fahre ich nach Dessau, um für Gerechtigkeit zu kämpfen. (Anm. der Redaktion: Der aus Sierra-Leone stammende Oury Jalloh wurde 2005 in einer Zelle im Polizeirevier Dessau tot aufgefunden. Der in diesem Zusammenhang wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagte Dienstgruppenleiter und ein weiterer angeklagter Polizeibeamter wurden 2008 freigesprochen. Das Urteil gegen den Dienstgruppenleiter wurde 2010 vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Im Dezember 2012 wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt.).

Mrs. Brooks, Sie arbeiten seit 2004 für das Southern Poverty Law Center und sind dort Chief of Staff and Culture. Können Sie kurz beschreiben, welche Ziele das Southern Poverty Law Center verfolgt und welches Ihre Schwerpunkte sind?
Brooks:
Das Southern Poverty Law Center ist eine gemeinnützige US-amerikanische Organisation, die Rassismus bekämpfen und Bürgerrechte durch Forschung, Bildung und Zivilklageverfahren fördern will. Außerdem fördern wir intersexuelle Bewegungen. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, an der jede und jeder partizipieren kann.

Frau Mahn, Sie sind seit Mai 2021 im Stadtparlament und Vorsitzende des Kulturausschusses. Worauf wollen Sie sich in Ihrer Arbeit konzentrieren?
MAHN:
Ich möchte mich auf Diversität fokussieren, denn ich bin der Ansicht, wenn wir alles diversifizieren, wird auch alles besser. Frankfurt ist so eine bunte Stadt. Wir haben so viele verschiedene Ethnien, die hier leben, wir haben die LBGTQ-Szene, wir haben das Bahnhofsviertel mit seinen Künstlerinnen und Künstlern, Drogenabhängigen, armen Menschen, Anwälten und Bankern auf engstem Raum. Als Vorsitzende des Kulturausschusses sitze ich jetzt oben im Plenarsaal des Römers. An den Wänden hängen Bilder von Männern der Frankfurter Stadtgeschichte, die zum Teil aus der Zeit des Kolonialismus stammen. Als diese Bildern aufgehängt wurden, konnte man sich nicht vorstellen, dass mal jemand wie ich hier sitzen würde. Ich möchte andere dazu ermutigen, in die Politik zu gehen. Je mehr das diverse Frankfurt in diese Räume dringt, in denen die Entscheidungen getroffen werden, desto einfacher wird es für jede Einzelne und jeden Einzelnen.

Mrs. Brooks, gab es für Sie einen Schlüsselmoment, der Ihr Engagement, Ihr Handeln beeinflusst hat?
Brooks:
Ich bin in den 70er-Jahren zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung in Oakland, Kalifornien aufgewachsen. Diese Erfahrung, das enge Miteinander, machten mich stolz, eine Schwarze zu sein. Das multi-kulturelle Umfeld Kaliforniens ermöglichte mir, dies auch in anderen Menschen zu wecken.

Sie arbeiten daran, implizite Vorurteile aufzudecken. Was ist darunter zu verstehen und wie kann das geschehen?
Brooks:
Wir alle – ich selbst eingeschlossen – haben Vorurteile. Das sind bestimmte Annahmen, zum Beispiel, dass Schwarze Menschen gefährlich oder dass Frauen weniger kompetent seien. Mein Ansatz ist es, das Bewusstsein dafür zu schärfen und sich selbst zu befragen, woher diese Annahmen kommen und diese zu revidieren.
MAHN: Ich habe viel darüber gelesen. Es liegt in unserer DNA, gewisse Schubladen zu bilden. Das ist normal. Seit ich das akzeptiert habe, fällt es mir leichter, mit diesen Vorurteilen umzugehen.

Frau Mahn, nach Ihrem öffentlichen Auftritt bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels – Sie haben den Umgang der Buchmesse mit rechtsextremen Verlagen kritisiert – haben Sie rassistische Anfeindungen erlebt. Können Sie diese schildern?
MAHN:
Mein Auftritt hat genau das hervorgerufen, was ich angeprangert habe: Rassistische Anfeindungen. Ich wurde beleidigt, geschubst und bespuckt. Man hat an meiner Tür geklingelt. Als ich die Polizei rief, sagte man mir, ich soll zur Polizeiwache kommen. Ich sagte, es steht jemand vor meiner Tür. Die Polizei entgegnete, es sei nicht verboten, an einer Tür zu klingeln. Als Internetaktivistin bin ich Shitstorms gewöhnt, hätte aber niemals für möglich gehalten, dass dies in echt passieren kann. Ich habe daraufhin Nargess Eskandari-Grünberg, die Frankfurter Bürgermeisterin, angerufen und daraufhin hat man sich meinem Fall angenommen.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hängen oft mit Nichtwissen und Unaufgeklärtheit zusammen. Was kann die Gesellschaft beitragen, dies zu verändern?
Brooks:
Jede Generation sollte versuchen, besser zu sein und den Dingen auf den Grund zu gehen, zum Beispiel Behauptungen zu recherchieren und keinen Fake News aufzusitzen. Wir müssen bei den Kindern ansetzen. Bildung ist der Schlüssel!

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Mehr über die Geschichte der Initiative Schwarzer Menschen sowie über Veranstaltungen, die im Rahmen des Black History Month stattfinden, finden Sie in der aktuellen Ausgabe (2/22) des JOURNAL FRANKFURT – im Kiosk und Einzelhandel oder als ePaper.


Zu den Personen:
Lecia Brooks arbeitet seit 2004 für das Southern Poverty Law Center (SPLC), einer gemeinnützigen US-amerikanischen Organisation mit Sitz in Montgomery, Alabama. Das SPLC kämpft gegen rechte und rassistische Gruppen und unterstützt außerdem das Black Lives Matter Movement. Lecia Brooks war auf Einladung des US-Generalkonsulats in Deutschland.

Mirrianne Mahn ist Stadtverordnete in Frankfurt (Bündnis 90/Die Grünen) und Vorsitzende des Kulturausschusses. Sie setzt sich in ihrer Arbeit für Diversität ein.
 
1. Februar 2022, 10.10 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
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