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Foto: Constantin Film
Foto: Constantin Film

"Nur Gott kann mich richten"

Frankfurt von unten

In „Nur Gott kann mich richten“, dem neuen Film von Özgür Yildirim, mischt Moritz Bleibtreu die Frankfurter Unterwelt auf. Ein knallhartes Genre-Kino mit sehenswertem Ergebnis.
Frankfurt, es hat ein Gesicht. Wollte man andere deutsche Metropolen im Kino mit einer einzigen Einstellung etablieren, so mancher hätte da seine Schwierigkeiten. Berlin? Hmm, der Alex vielleicht. München: das Olympiastadion? Hamburg: Hafen und Elbphilharmonie? Köln: okay, der Dom. Stuttgart? Ähm ... Aber Frankfurt: Bäng, die Skyline! Zack – ein Panorama, und alles ist klar. Viele rümpfen die Nase, unsere Stadt in der filmischen Darstellung nur auf ihr Hochhaus-Panorama zu reduzieren. Aber wie sich bei „Nur Gott kann mich richten“ mal wieder zeigt: Es funktioniert! Zu Beginn weiß man noch nicht, wo man sich befindet, wenn in irgendeinem nächtlichen Hinterhof eine russische Autowerkstatt ausgeraubt werden soll und das erste Blut fließt. Der Profiganove Ricky (Moritz Bleibtreu) und sein verletzter jüngerer Bruder Rafael (Edin Hasanovic) stellen sich den Gesetzeshütern, Rickys Kumpel Latif (Kida Khodr Ramadan) kann entkommen. Dann das Bild: Wolkenkratzer, Skyline – einmal Frankfurt in Groß, alles klar! Fünf Jahre später kommt Ricky aus dem Knast, sein Weg führt ihn direkt ins Bahnhofsviertel. Latif hat dort eine Shisha-Bar aufgemacht, Rafael jobbt in einer Spielothek. Ricky will aussteigen, auf Cabrera eine Kneipe eröffnen (auf der mallorquinischen Ziegeninsel – ernsthaft?). Dafür benötigt er naturgemäß Geld.

Ein letzter Deal noch, geübte Kinogänger kennen das. Sie wissen auch: So simpel der Plan den Anschein hat zu sein („Wir gehen rein, nehmen die Tasche, und gehen wieder raus“), so vieles wird dabei schief gehen, krass oberschief! Denn Ricky, Rafael und Latif – das sind Menschen, die das Glück echt nicht gepachtet haben: Verlierer am Rande der Gesellschaft, verdammt dazu, der Sehnsucht nach einem besseren Leben hinterherzurennen, welche sie primär mit einem fetten Batzen Geld gleichsetzen. Ja, man kennt sie, diese hartgesottenen, abgewetzten Verbrechertypen, damit kann der Film keinen Originalitäts-Oscar gewinnen. Allerdings: Man hat diese Straßengangster eher selten im deutschen Kino gesehen. Mord, Totschlag und dazugehörige Tatorte sind hierzulande zwar regelmäßig in der Glotze zu goutieren, am Ende meist brav aufgeklärt von diensthabenden Ermittlern. Doch Özgür Yildirim, der vor knapp zehn Jahren mit seinem Regiedebüt „Chiko“ den dreckigen Gangsterthriller auf nationale Leinwände brachte, steht nicht der Sinn nach dem üblichen Katzund-Maus-Schema. Selbst die in das von heftiger Gewalt und Verzweiflung dominierte Schlamassel eher zufällig involvierte Kriminalbeamtin (Birgit Minichmayr) lässt Yildirim rasch auf die schiefe Bahn los, als sie in den Besitz einer nicht unbeträchtlichen Menge Heroin gelangt, das eigentlich für Rickys Auftraggeber bestimmt war. Am Ende, so viel sei verraten, wird es Leichen geben. Viele Leichen. Und keinen Kommissar, der den Fall zu den Akten legt.

Manch einer spricht gerade wieder von der „Renaissance des Genre-Films“ im deutschen Kino. Der in Hamburg gebürtige Yildirim hat Genre im Blut, auch seine anderen Arbeiten „Blutzbrüdaz“ und „Boy 7“ machten dieser Kategorie keine Schande. „Genrekino soll unterhalten. Aber ich denke, Genrekino soll auch die Leute überzeugen, die aus so einem Milieu kommen“, gibt der Regisseur zu Protokoll. Mit „Nur Gott kann mich richten“ wollte er zu seinen Wurzeln zurück: „Meine Anfangsidee war einfach: Ich wollte wieder einen Gangsterfilm machen. Aber die neue Geschichte habe ich breiter angelegt. Es gibt drei Figuren mit unterschiedlichen Hintergründen, damit man den Film gucken und sich darin wiederfinden kann, auch wenn man zufällig kein Gangster ist.“ Auftritt Moritz Bleibtreu: einer der profiliertesten Darsteller des Landes mit starker Affinität zur Unterschicht. Zufällig auch ein guter Freund Yildirims. Für diesen Film übernahm Bleibtreu nicht nur die Hauptrolle, ihm lag das Projekt derart am Herzen, dass er gleich auch noch auf dem Produzentenstuhl Platz nahm. „Ich hatte immer ein Herz für die Geschichten von der Straße, für die urbanen Helden, besonders dann, wenn deren größter Traum eigentlich nur war, irgendwann so zu sein wie alle anderen“, sagt Bleibtreu zu seinem Beitrag. „Klassische Gangsterfilme haben im deutschen Kino einen schweren Stand. Die, die es gibt, scheitern meiner Meinung nach oft daran, dass sie nicht die Sprache der Straße sprechen. Ihnen fehlt die Authentizität, was zur Folge hat, dass sie auch ihr Publikum verfehlen.“

Apropos Authentizität: Für den Schauplatz wählte man Frankfurt aus diversen Gründen. Nicht nur, dass die Stadt in den Medien immer wieder als ein Hort der Kriminalität gehandelt wird, sondern auch, weil es sich bei ihr bekanntlich um einen Spielplatz der Gegensätze handelt: unten und oben, arm und reich, der Banker und die Nutte etc. Yildirim und seine Location-Scouts hatten es themenbedingt auf die eher unglamourösen Örtlichkeiten abgesehen: düstere Kaschemmen, StripClubs, Hinterhöfe, schmutzige Ecken, das Gallusviertel bei Nacht – in schummriges Licht getaucht von Kameramann Matthias Bolliger und der Frankfurter Szenenbildnerin Anette Reuther. „Das ist ein Film, der in Frankfurt spielt, aber man hat Frankfurt eigentlich noch nie so gesehen“, findet Produzent Christian Becker. Mal von der anfänglichen Skyline-Präsentation abgesehen, kann man dem nur zustimmen. „Nur Gott kann mich richten“ mag beileibe kein neues deutsches Kinowunder sein. Aber es ist ein starker, kraftvoller, mit erkennbarer Leidenschaft und der nötigen Härte umgesetzter Kiez-Krimi, der in Frankfurt spielt und auch nicht wegschaut, wenn die Dinge mal richtig unschön werden. „Es gibt ein Publikum, das nach Echtheit verlangt“, weiß Özgür Yildirim“. „Ich habe diese Vision eines authentischen Films über die Jahre mit mir getragen und geformt. Und ich brenne darauf, das Ergebnis auf der Leinwand zu sehen.“ Immer gut, wenn einer brennt.

>> Nur Gott kann mich richten, Thriller, R: Özgür Yildirim, mit Moritz Bleibtreu, Kida Khodr Ramadan u.a., Start: 25.1.2018

Dieser Text ist im Print-Magazin JOURNAL Frankfurt (Ausgabe 1/2018) erschienen. Mit einem Abonnement erhalten Sie das Magazin regelmäßig bequem nach Hause.
 
9. Januar 2018, 10.39 Uhr
Andreas Dosch
 
 
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