Jaguar-Präparat im Senckenberg Museum

Er haucht toten Tieren wieder "Leben" ein

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Erstmals kann das Senckenberg Naturmuseum einen präparierten Jaguar zeigen. Das im Januar 2012 im Landauer Zoo verstorbene Tier bekommt dank Präparator Udo Becker ein „zweites Leben“ geschenkt. Wir haben in die Werkstatt geblickt.

Nicole Brevoord /

Der Jaguar ist die drittgrößte Katzenart der Welt. Ein edles Tier, von dem nur noch zwischen 15 000 und 25 000 Tiere existieren. Der Lebensraum wird zunehmend zerstört. Als der 20-jährige Jaguarkater „Basti“ am 31. Januar 2012 im Landauer Zoo an plötzlichem Herzversagen starb, war das umso mehr eine traurige Nachricht für alle Tierfreunde. Das Senckenberg Naturmuseum hatte jedoch Grund zur Freude. Denn anstatt das tote Tier zu entsorgen, wie es sonst üblich ist, schenkte der Zoo die Überreste dem Museum, wo das einst 77 Kilogramm schwere Tiere so präpariert wurde, dass sich die nachfolgenden Generationen von der einstigen Pracht des Raubtieres noch lange werden überzeugen können. In seiner Werkstatt zeigt uns der Präparator Udo Becker, wie das Tier möglichst naturgetreu nachgeformt und mit dem eigenen Fell versehen wurde.

Auf einem Tisch liegen Scheren und an Operationssäle erinnernde Werkzeuge, daneben wurden verschiedene Tierschädelmodelle platziert. An den Wänden sind bereits präparierte Füchse und Marder zu sehen. Ein seltsames Ambiente, in dem Präparator Udo Becker bereits seit 31 Jahren arbeitet. Vor ihm hat er Zeichnungen des Muskelapparates von Jaguaren ausgebreitet sowie Fotografien von „Basti, etwa wie er auf einer Astgabel ruht. „Das war unser Ziel, so soll das Präparat nachher aussehen. Das wirkt harmonisch und ästhetisch.“ Ein weiteres Foto zeigt den Jaguar, wie er direkt in die Kamera schaut und mit seinen speziellen, stark anthrazitfarbenen Augen funkelt. Genauso sollten die nachgemachten Augen auch aussehen, denn Becker geht es darum, die toten Tiere so lebensnah wie möglich in Szene zu setzen. Also beginnt alles mit einem zehnfach verkleinerten Modell. „So kommt man von der zweidimensionalen Ebene des Fotos in die Dreidimensionalität“.

Ausgestopft wird nichts
Und dann räumt Becker mit einem Mythos auf: „Ausgestopft wird schon lange kein Tier mehr.“ Stattdessen wendet Becker das Verfahren von Hermann ter Meer an, der bis 1934 im Zoologischen Institut in Leipzig tätig war. „Wir modellieren dafür einen künstlichen Körper, der dem lebenden Muskelkörper des Tieres ohne Haut entspricht." Für diese Plastik verwendet Becker zunächst ein Brett, dass die Umrisse des Rückens und Beckens abbildet, befestigt auf dieses „Körperbasisbrett“ gebogene Eisenstangen als Extremitäten, nutzt Füllmaterial, damit die Plastik leichter wird und formt mit Gips jede Falte und jeden Muskelstrang nach. Selbst die Zehen werden detailliert nachgebildet. Bei jedem Arbeitsschritt werden die Originalmaße abgeglichen, letztlich soll das Originalfell nachher ja auch über die Plastik gezogen werden können. Ein Abguss des Totenkopfes hilft als Vorlage für den Kopf, der gesondert gefertigt und dann auf die Plastik montiert wird.

Das Fell über die Ohren ziehen
„Wir sagen dem Gerber, dass wir die Haut zum drüberziehen brauchen und dann weiß er genau, welche Gerbprozesse eingesetzt werden müssen“. Das Fell werde dann feucht in einer Plastiktüte geliefert. „Das ist nicht vergleichbar mit einem Dekopelz. Feuchtes Fell lässt sich bewegen und schmiegt sich besser an.“ Zehn bis zwölf Stunden habe es gedauert, dem Jaguarplastik das Fell über die Ohren zu ziehen, dabei jeden Faltenwurf zu berücksichtigen und insgesamt vier bis fünf Meter Naht zu nähen, wofür er Hilfe brauchte. Vorher werde die Körperplastik mit Leim eingepinselt, die feuchte Haut werde daraufgelegt und ausgerichtet. „Man darf letztlich keine Naht sehen.“ Anschließend bandagiere man das Fell dort, wo es Ausbuchtungen am Körper gebe, damit sich nichts welle, wenn das Fell beim Trocknen wieder schrumpfe.

„Insgesamt haben wir vier Monate an dem Jaguar gearbeitet, mit Unterbrechungen“, sagt Becker nicht ohne Stolz in der Stimme. Es ist sein Meisterstück. „Der Jaguar ist als Präparat anspruchsvoll, zumal er liegt und die Extremitäten, wie man auf dem Bildern sieht, erschlafft sind wie ein Pudding. Das nachzubilden, war die Schwierigkeit. Ein laufendes Tier zu modellieren ist da vergleichsweise einfach.“ Jaguare in Zoos seien extrem rar, die Wahrscheinlichkeit einen zu präparieren sei entsprechend gering. „Hätte ich den Jaguar vergeigt, wäre ich tiefunglücklich, weil ich keine zweite Chance mehr hätte“, sagt der 53-Jährige.

Nur 200 Menschen in Deutschland seien in der Lage Tiere zu präparieren, schätzt Becker. Das erlerne man entweder in einer Ausbildungseinrichtung in Bochum oder wie Becker selbst an einem der großen Institute wie dem Senckenberg’schen. Die Mischung aus Zoologie, Biologie und dem Handwerk sowie der künstlerische Aspekt, der ein Präparat auszeichne, mache den Beruf so reizvoll, sagt Udo Becker und zeigt uns voller Stolz das fertige Ausstellungsstück. Ab Dienstag wird Jaguar Basti in einer Vitrine im Senckenberg Naturmuseum präsentiert.


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