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Foto: Pietro Sutera
Foto: Pietro Sutera

Heimtextil 2020

Mit floralen Mustern zu mehr Nachhaltigkeit

Am gestrigen Dienstag eröffnete zum 50. Mal die Heimtextil. Das dominierende Thema der weltweit größten Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien lautet Nachhaltigkeit. Die Auseinandersetzung damit überzeugt jedoch nicht immer.
Am gestrigen Dienstag eröffnete die Heimtextil das Messejahr 2020 in Frankfurt. Dass die weltweit größte Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien der Treffpunkt der Branche ist, wird bereits vor dem offiziellen Start klar: In unserem Fall kommt diese Erkenntnis während eines Fluges von Rom nach Frankfurt am Montagnachmittag. Links von uns sitzt ein stiller Mann, Mitte 30, aus Pakistan, wie er später erzählt. Einige Sitze weiter rechts von uns nimmt ein weniger ruhiger Herr im gleichen Alter Platz. Er reist aus Armenien an, hat eine bereits 20-stündige Reise hinter sich, Frankfurt ist der vierte und letzte Stopp auf seiner Route.

Er ist sichtlich aufgeregt, spricht uns noch vor dem Start an, ob wir uns auskennen in Frankfurt. Die an seine lange Odyssee anschließende Zugfahrt vom Flughafen in die Innenstadt macht ihn nervös. Wir versprechen natürlich, ihm nach der Landung zu helfen. Das scheint ihn zu beruhigen und er erzählt von dem Grund seiner Reise: Er arbeite im Vertrieb eines armenischen Textilhändlers, auf der Heimtextil wolle er potenzielle Geschäftspartner*innen treffen, seine Kolleg*innen seien alle bereits in Frankfurt, nur er irre aufgrund einer falschen Flugbuchung noch durch die Weltgeschichte.

Auf einmal erwacht der schweigsame Herr zu unserer Linken zum Leben: Auch er sei auf dem Weg zur Heimtextil, er leite ein großes Unternehmen in Pakistan, das weltweit agiere. Plötzlich werden Koffer aus der Handgepäcksablage gehoben, Stoffproben hervorgezerrt, Produktfotos gezeigt. Auch wir müssen alles bestaunen, betasten und euphorisch nicken, während über unseren Köpfen die Stimmen immer lauter werden. Informationen über Fadenstärken werden verlangt, Qualitätsmerkmale verglichen. Uns fliegen Begriffe um die Ohren, die wir noch nie gehört haben, wir verstehen nur eines: Hier verhandeln knallharte Textilprofis. Der gerade noch unsichere armenische Odysseus steht inzwischen wild gestikulierend im Gang, auf seiner Stirn glänzt der Schweiß, in seinen Augen die Profitlust. Der pakistanische Unternehmer tippt währenddessen wild auf der Tastatur seines Laptops herum, Zahlen werden in Excel-Tabellen eingetragen und schließlich mit einem Ausdruck des Triumphes präsentiert. Man gibt sich über unsere Köpfe hinweg die Hand, nickt zufrieden, beide Männer sinken in ihre Sitze. Der Armenier schläft fast augenblicklich ein, verhandeln macht müde.

Der Pakistani erzählt uns noch ein wenig zum pakistanischen Textilmarkt, der neben Ländern wie Bangladesch, China und Kambodscha einer der wichtigsten weltweit ist. Sein Unternehmen sei insbesondere in Großbritannien aktiv, aber auch andere europäische Länder seien wichtige Abnehmer. Aktuell versuche er, den russischen Markt zu erschließen. Eine mögliche Zusammenarbeit mit dem armenischen Kollegen könne da nützlich sein. Ansonsten setze auch er auf den Trend Nachhaltigkeit – das aktuell dominante Thema der Branche. Beobachten lasse sich das zum einen bei den Motiven aktueller Designs: zum Beweis werden uns Fotos von Bettwäsche mit floralen Mustern und Tierabbildungen gezeigt. Zum anderen verlangten Kund*innen aber auch wieder verstärkt nach hochwertigen Naturfasern. Synthetische Stoffe würden immer weniger angefragt, Leinen und Baumwolle seien die Zukunft. Den Einwand, dass Baumwolle häufig unter für die Natur katastrophalen Bedingungen angebaut wird, lächelt unser neuer Bekannter geflissentlich weg. Aber gut, immerhin unterhalten wir uns im Flugzeug, da sollten wohl auch wir besser schweigen.

Auch die Heimtextil selbst macht einen Bogen um das kritische Thema, wie nachhaltig der neue Trend Nachhaltigkeit tatsächlich ist. Zwar springen einem an jeder Ecke Gütesiegel entgegen, die versichern, dass die angebotenen Produkte „eco friendly“ und natürlich „bio“ seien, zu den genauen Herstellungsprozessen erfährt man jedoch relativ wenig. Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies der Messe Frankfurt, erklärt: „Gemeinsam mit unseren Designern haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine nachhaltige Schau zu kreieren und haben hierzu ein Material-Manifest verabschiedet. Mit einer intelligenten Materialauswahl galt es, einen minimalen ökologischen Fußabdruck anzustreben. Will heißen: Wo immer es möglich war, wurden alternative, nachhaltige Materialien eingesetzt.“ Unter dem Motto „Where I belong“ erleben designinteressierte Besucherinnen und Besucher dort rund 1000 Exponate internationaler Ausstellerinnen und Austeller – eingebettet in ein Designkonzept der Designagentur Stijlinstituuts Amsterdam unter der Regie von Anne Marie Commandeur. Unter anderem stehen hier recycelte Stoffe und angebaute – so genannte lebende – Textilien im Fokus.

Die bereits im Flieger begutachteten Motive und Themen setzen sich in Frankfurt fort: Blätter und Pflanzendrucke auf Kissen und Stuhlbezügen, Baumwolle, Rattan und Holz als die favorisierten Materialien. Inspiriert von den Kreislaufsystemen der Natur verwenden einige Designer*innen neuerdings Pilze und Bakterien, um biologisch abbaubare Materialien wie Myzel und im Labor gezüchtete vegane Leder und Textilfarbstoffe herzustellen. Wer vor allem farblich voll im Trend liegen möchte, setzt auf „Classic blue“, ein Blau-Ton mit einem hohen Schwarzanteil. Anlässlich des 50. Jubiläums werden außerdem zahlreiche Farben und Formen der vergangenen 50 Jahre aufgegriffen und in Szene gesetzt. Neu sind viele der präsentierten Trends nicht. „Ich erkenne vieles wieder, was bereits vor 20 oder 30 Jahren gefragt war“, verrät ein niederländischer Künstler, den wir vor einem Tapeten-Stand in Halle 3.0 kennenlernen. Dennoch wird deutlich, dass die Heimtextil in diesem Jahr vor allem eines vermitteln möchte: 2020 ist alles möglich.
 
8. Januar 2020, 13.19 Uhr
Ronja Merkel/Sheera Plawner
 
 
Fotogalerie:
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