Hazmat Modine in der Brotfabrik

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detlef kinsler /

Manchmal wundert man sich schon, wer sich für welche Band verantwortlich fühlt und in ein Konzert kommt. Bei Hazmat Modine mögen die Menschen aus den Ankündigungen wohl hauptsächlich den „Kulturaspekt“ heraus gelesen haben (dabei lautete das Fazit im JOURNAL, „Hazmat Modine rocken und nehmen uns auf eine Reise quer durch die Geschichte populärer Musik mit.“), denn in der Brotfabrik stellte sich ein Publikum ein, dass auf einen Sitzplatzanspruch pochte (eine absurde Vorstellung für die Musiker selbst, vor besetzen Stuhlreihen zu spielen), dem es zu heiß im Saal war (was allerdings tatsächlich an einer falsch eingestellten Klimaanlage lag) und von einzelnen Besucher sich über die Lautstärke beschwerten. Oh Mann – lauter ältliche Couch Potatoes, derweil die Band mit ihrer Musik, Qualität hin, Virtuosität her, die Brotfabrik doch eher zum Dancefloor werden lassen wollte.


Was im Vorfeld musikalisch versprochen wurde, hielt das Oktett, mehr noch es übertraf es um Längen. Die zwei (reifen) Jungs in der Mitte der Bühnen hören auf die Namen Wade Schuman und Randy Weinstein und wer das in Verbindung sieht mit dem Wörtchen Klezmer, das auch immer wieder auftaucht in der stilistischen Beschreibung der Band, mag „jiddische“ Musik erwartet haben. Aber die Frontleute von Hazmat Modine spielen keine Klarinette und die „Mucke“ ist ganz sicher kein Fall für Puristen. Schuman und Weinstein haben sich der chromatischen Mundharmonika verschrieben. Und die spielen sie, der eine fast pur im Klang, der andere oft verfremdet mit Harmonizern etc., in einer atemberaubenden Virtuosität.


Doch bezüglich des instrumentalen Könnens stehen ihnen die anderen Kollegen in nichts nach. Steve Elson spielt Baritone und Tenor Saxophon und greift – allerdings ganz selten – auch mal zur Klarinette. Pamela Fleming als einzige Frau in der Männerunde beherrscht die Trompete. Richard Huntley ist ein subtil agierender Drummer, der aber selbst wenn er mit Besen agiert die nötige Dynamik nicht vermissen lässt. Überraschend in diesem kleinen Ensemble ist die Tatsache, dass gleich zwei Gitarristen mit von der Partie sind, die mitunter noch von Wade an einem Mandola-ähnlichen Instrument unterstützt werden. Pete Smith und Michael Gomez, letzterer auch mal an der Steel Guitar. Heimlicher Star der Modines ist allerdings Basstubist Joseph Daley, ein stattlicher, von seinem Instrument umschlungener Mann, der mit der Kraft seiner Lungen, ausgeatmeter Atemluft, Lippenschwingungen und vier Ventilen in Begleitung und erst recht in Soloparts jeden Kontrabassisten auf seiner Wanderschaft über das lange Griffbrett vor Neid erblassen lassen muss weil er mitnichten so effektiv zu spielen vermag.


Die musikalische Reise führten dann tatsächlich durch die Welt der amerikanischen Musik der Zwanziger- und Dreißigerjahre bis hin in die Fifties und Sixties, früher Blues, Swing, R&B, New Orleans Sound. Da ist die Karibik nah, Rocksteady, Calypso bieten sich an. War es also keine Zufall gar eine akustische Täuschung, dass die eine Harmonika auch mal wie eine Steel Drum klang? Nicht genug damit, kann man solche „Roots Music“ ja auch noch mit „Modernem“ würzen. Ein bisschen Jazz Avantgarde, Rockappeal, Rockabilly. Und die Reise geht ganz klar auch um die Welt, nicht nur ans östliche Mittelmeer oder auf den Balkan, sondern auch nach Afrika und nach langer Seereise über Hawaii zurück auf den amerikanischen Kontinent.


Bei all der Überpräsenz von Balkanbands in den Programmen der Clubs seit nunmehr mehreren Jahren, sind Hazmat Modine bei gleicher Energie und Spielfreude eine wunderbarindividuelle und anders tönende Alternative und dabei bei allem Crossover nicht minder authentisch. Die Damen und die Herren leben Hazmat Modine. was der Name bedeutet? Da klärt uns das Magazin Folker! dankenswerterweise auf: „Hazmat“ ist eine Abkürzung für „hazardous materials“, gefährliche Materialien. Und „Modine“ ist so etwas wie ein gigantisches Heißluftgebläse.


Foto: Detlef Kinsler


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