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Foto: Screenshot_Twitter_FFF
Foto: Screenshot_Twitter_FFF

Bundesweiter Streik: Kommentar

Streik muss weh tun: Volle Solidarität

Wer wissen will, wie sehr der Streik gerechtfertigt ist, schaue sich die Schlagzeilen der Bild an. Und die Mehreinnahmen des Staates durch Inflation. Kommentar von Katja Thorwarth.
Das vermutlich schlechteste Argument gegen den Streik der Menschen im öffentlichen Dienst kam heute von einer sogenannten Wirtschaftsexpertin. Die hat die gängige These einer Lohn-Preis-Spirale aufgegriffen, die dann drohe, wenn die Leute mehr verdienten. Ein Kapitalisten-Argument par excellence, das diesen Zusammenhang als naturgegeben festlegt, ganz so, als gäbe es keine staatlichen Mechanismen, die dem entgegenwirken könnten. (Abgesehen davon, dass derlei Expertinnen bei Boni-Auszahlungen in Millionenhöhe schweigen.)

Eigenlogisch braucht es einen Staat, der einen Ausgleich auch will. Reden wir also darüber, und nicht über Löhne, die angehoben werden müssen, weil es die Politik vergeigt: nämlich beispielsweise Kriegsprofiteure wie Energieunternehmen zur Kasse zu bitten, Ausgaben an politisches Handeln zu koppeln, anstatt symbolpolitisch Wahlkampfgeschenke nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen.

Streik bei den Bahnen: Die Lösung sind bessere Löhne

Jetzt wird rumgeheult, dass „im Fernverkehr heute gar nix geht“, die Bahnen in den Depots und die Flugzeuge am Boden bleiben. Abgesehen davon, dass Letzteres dem Klima nicht schadet, gibt es doch für diesen Zustand eine einfache Lösung, die da heißt, bessere Löhne. Die Inflation betrug im Februar 8,5 Prozent, womit eine Forderung von 10,5 schlicht nicht als überzogen gelten kann – vielmehr als legitim. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schätzt die Situation entsprechend ein.

„Acht Prozent 2022, in diesem Jahr vermutlich nochmal um die sechs Prozent: Das heißt Ende des Jahres werden die Menschen 14 Prozent weniger Kaufkraft mit ihren bestehenden Löhnen haben“, sagt Fratzscher und ergänzt, dass die Forderungen der Gewerkschaften völlig gerechtfertigt seien. „Wir dürfen nicht vergessen, der Staat gehört zu den großen Gewinnern der Inflation“, klar, denn wenn das Brot um 20 Prozent teurer wird, kassiert der Staat über die Mehrwertsteuer. Es geht also um Umverteilung. Was jedoch die politische Konservative noch nie zu Aktionismus ambitioniert hat, schon klar.

Streik ist keine „Geiselhaft“ - sondern legitimer Protest


Das vermutlich zweitschlechteste Argument übrigens ist das der „Geiselhaft“. Da darf dann jeder zweite alleinerziehende Vater im Radio bejammern, dass er seinen Sonnenschein nicht rechtzeitig in die Kita karren kann, wenn die überhaupt auf hat. Oder die Mama gerne hätte, dass vom „Streik alle was haben“. Forderungen zu höheren Löhnen seien ja schön und gut – aber doch nicht „ausgetragen auf unserem Rücken“.

Ok, Leute, ich verrate mal was: Streik ist nur dann sinnvoll, wenn er weh tut. Und zwar allen. Damit die Politik reagiert. Und die reagiert nur, wenn irgendetwas an der öffentlichen Ordnung gestört wird. Ein Blick nach Frankreich zeigt by the way, dass diesbezüglich deutlich mehr geht.

Protest ist in diesem Land kein Mainstream

Aber Protest ist in diesem Land kein Mainstream, weshalb wenige groß aufschreien, wenn einem Klimaaktivisten – wie in Hamburg geschehen – in den Bauch getreten wird. Der Treter darf das, weil ein verursachter Stau, eine Einschränkung der „Freiheit“, die auf PS-Egos basierte militante Selbstjustiz das locker legitimiert. Hier sei daran erinnert, dass die Freiheitsdefinitionen des Einzelnen in der Regel einem kollektiven Zusammenleben auf gleichberechtigter Ebene – die Natur implizit – zuwiderlaufen.

Wie wichtig und angemessen dieser Streik ist, zeigt verlässlich die Bild. „Schlimmster Streik seit 31 Jahren“, „Was macht der Streik Ihnen kaputt?“, hetzt das Blatt gegen alles, was irgendwie mit Emanzipation oder Widerstand zu assoziieren ist. Von meiner Seite, liebe Streikende: Volle Solidarität.
 
27. September 2023, 11.34 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
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