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Foto: Lukas Gedziorowski
Foto: Lukas Gedziorowski

Max Beckmann kommt nach Frankfurt

Zwischen Somnambulismus und Bewusstseinshelle

Vor 100 Jahren zog der Künstler Max Beckmann nach Frankfurt. Er lebte und arbeitete in der Schweizer Straße. Eine Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte zeigt 75 Drucke aus dieser langen Phase.
Als der Künstler Max Beckmann 1915 nach Frankfurt kam, war er mit den Nerven am Ende. Sein Kriegsdienst als Sanitätssoldat hatte seine Spuren hinterlassen. Nach einem Zusammenbruch wurde er beurlaubt. Es war Schluss mit den Operationssälen und Seuchenbaracken, es ging wieder ins Atelier. Beckmann wohnte in der Schweizer Straße 3 bei einem befreundeten Maler (Ugi Battenberg). Eine Handdruckpresse im dortigen Atelier begünstigte Beckmanns neue Ausdrucksform: Kaltnadelradierungen, Litografien und Holzschnitte. Zwischen „modernem Großstadtbetrieb“ und „altertümlicher Enge“ hielt es ihn in der Stadt 17 Jahre lang – länger als irgendwo anders.

In den ersten zehn Jahren entstanden etwa 250 Titel. 75 Drucke aus dieser Zeit sind nun im Institut für Stadtgeschichte zu sehen. 47 Arbeiten stammen aus der Sammlung von Jürgen H. Conzelmann, der Rest aus der Graphischen Sammlung des Städels. „Max Beckmann kommt nach Frankfurt“, so der Titel der Ausstellung, wird im historischen Refektorium des Karmeliterklosters gezeigt, wo die Bilder des Künstlers in den Dialog mit dem vorbarocken Wandgemälde von Jörg Ratgeb treten: Eine endzeitliche Figurenwelt um 1500 trifft auf die vom Weltkrieg geprägte, apokalyptische Gesellschaft der Moderne. „Der Platz für die Ausstellung könnte nicht besser sein“, sagt Kurator Klaus Gallwitz.

Den zweiten Hintergrund bildet das großformatige Gemälde „Auferstehung“, an dem Beckmann in seinem Atelier über die Jahre arbeitete, aber das unvollendet blieb. (In der Ausstellung ist lediglich eine Reproduktion zu sehen.) Gallwitz nennt diese Weltuntergangsdarstellung im Katalog den „Fonds“ von Beckmanns Druckgrafik, einen materiellen und spirituellen Hintergrund für den Künstler.

Beckmann porträtiert zum einen die Stadt, in der er lebt: Zu erkennen sind Dom, Städel, Eiserner Steg und ein Provisorium, das als Ersatz für die Alte Brücke dient. Aber im Mittelpunkt stehen immer Menschen: Gesellschaften, in denen er verkehrte, aber auch Abseitiges wie Szenen aus einem Leichen- und einem Irrenhaus, groteske Anblicke, wie Theater- und Zirkusszenen. In einem Bild, das unschuldig „Spielende Kinder“ heißt, zeigt sich der unterschwellig der Kriegswahnsinn: die Kinder schlagen mit Stöcken aufeinander ein, einige ragen Schilde. Immer wieder fertigte Beckmann auch Selbstporträts an – mal mit, mal ohne Katze. Und hin und wieder finden sich auch andere Tiere wie kopulierende Löwen oder – besonders lakonisch – „Hunde im Abendwind“.

Für Beckmann war die Frankfurter Zeit eine Phase der Neufindung und Neuerfindung eines Stils: „Es muss schon ein wahnwitziger Druck gewesen sein, der Beckmann zwang, das schöne erworbene Können über den Haufen zu werfen und mit wilder unbeugsamer Entschlossenheit seine Kunst neu aufzubauen“, schreibt der Zeichner Alfred Kubin. „Mit merkwürdigen Vereinfachungen und tollen Perspektiven schafft er eine vergeistigte Spiegelung unserer Tage, vor der einem manchmal das Herz stillstehen möchte. Ja, unsere Zeit ist gezwungen, sich ihre Schönheit aus dem Schrecken zu destillieren.“ Beckmann beschrieb seine künstlerische Entwicklung so: „Ich kann jetzt durch meine Bilder und Graphik beweisen, dass man neu sein kann ohne Expressionismus oder Impressionismus zu machen. Neu auf dem alten Gesetz der Kunst: die Rundheit in der Fläche.“ Nur in dieser Mischung aus Somnambulismus und fürchterlicher Bewusstseinshelle könne man noch leben.

Statt eines Katalogs haben die Ausstellungsmacher eine Schachtel herausgebracht, in der neben zwei Heften zur Schau 30 Drucke als Reproduktionen beiliegen. Zur Ausstellung wird auch ein umfangreiches Begleitprogramm stattfinden.
 
15. September 2015, 10.13 Uhr
Lukas Gedziorowski
 
 
Fotogalerie:
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