CD Release Thomas Ripphahn

Unter Freunden

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Mit dem neuen Album „Unter Freunden“ tritt Thomas Ripphahn (bekannt mit Hands On The Wheel) den Beweis an, dass Roots Music und deutsche Texte wunderbar zusammengehen. Am 23.5. ist CD Release im Dreikönigskeller.

Interview: Detlef Kinsler /

JOURNAL FRANKFURT: Das deutschsprachige Album: war es letztlich eine vergleichsweise spontane Entscheidung oder doch ein länger währender Entwicklungsprozess?

Thomas Ripphahn:
Ein langer Prozess. Ich habe ja schon über Jahre hinweg deutsche Songs geschrieben, die auch zum Teil von anderen Interpreten auf Platte aufgenommen wurden, aber ich selbst als Interpret war lange noch so in meiner Hands on the Wheel-Geschichte verwoben, die ich vor 25 Jahren aus der Taufe gehoben habe, dass ein äußerer Anstoß notwendig war, um mir den Horizont für eine ganz andere Sache frei zu räumen. Ich habe immer geglaubt, dass mir „eine“ Karriere vergönnt sei, und dass es sich damit habe in diesem Leben. War ich doch schon dankbar genug für diese eine Möglichkeit, mein Dasein zu füllen ausschließlich durch das, was mir beliebt. Ginge diese Karriere zur Neige, so erschien es mir absolut folgerichtig, sich noch eine Weile in der eigenen Bugwelle aufzuhalten, statt einfach ein neues Boot zu besteigen. Diesen Anstoß zum Umsteigen hat unter anderem die Arbeit mit der Jocco Abendroth Band gegeben.

Du hast ja als Produzent schon mit deutschsprachigen Künstlern gearbeitet, bist aber selber erst mal dem Englischen treu geblieben. Wie wichtig war es für Dich, in der Abendroth Band die Rolle Joccos einzunehmen, wie kam´s zu der Zusammenarbeit und wie hat Dich die Auseinandersetzung mit dem Thema ermuntert für die eigene Platte?

Für jemanden, der sein Leben lang englisch gesungen hat – und ich habe die englische Sprache ja immer wie eine zweite Muttersprache behandelt, sie mittels Literatur und Aufenthalten in England und den U.S.A. zu meiner eigenen gemacht – ist deutsch zu singen zunächst wie die Begegnung mit einer neuen Sprache. Die Rhythmik ist anders, die Sprachmelodie. Künstler wie Lindenberg, Grönemeyer und zuletzt Xavier Naidoo haben das Selbstverständnis begründet, das die deutsche Sprache heute in der Popmusik hat, aber jeweils auf ganz eigenen, idiosynkratischen Wegen. Bei der ersten Begegnung hängt man sich da automatisch irgendwo dran. Jocco Abendroth hatte wiederum seine eigene, selbst erarbeitete Art, deutsch zu singen, die allerdings niemals richtig bekannt wurde. Ich konnte durch die Interpretation seiner Lieder einen Zugang zum Singen deutscher Texte finden, den ich für meine eigenen Songs weiter ausgebaut habe. Jocco hat mir gewissermaßen zum zweiten mal den Steigbügel gehalten, um auf ein Pferd zu gelangen, das ich ohne ihn vielleicht nie bestiegen hätte.

„Hier war einer, der mich dazu ermutigte, um der eigenen Seele willen gegen den Strom zu schwimmen“ hast Du einmal in einem Interview zu Jocco gesagt. Einer von sicherlich mehreren wichtigen Aspekten ...


Als ich mit 23 Jahren nach Frankfurt kam, eine halbfertige Doktorarbeit in Archäologie im Nacken und den Kopf voller Träume vom Musikersein, war Jocco die Person, die mit der notwendigen Unabdingbarkeit seine Entscheidung für eine nichtbürgerliche Laufbahn bereits getroffen hatte. Er machte all das deutlich sichtbar, hörbar, spürbar, was ich bis dahin nur für Leute wie John Lennon oder Bob Dylan für möglich gehalten hatte, also in einer anderen Welt. Es war das Über-den-Haufen-werfen aller Ratschläge, die mir jemals gegeben worden waren, zu dem er mir den Impuls gab. Man muss das als Künstler tun, wenn man einen Anfang machen will. Man muss immer ganz neu anfangen.

Ist diese Wichtigkeit der Person/des Musikers Abendroth ein Grund, dass Du gleich mehrere Stücke von ihm mit auf Deine eigene Platte genommen hast, ist es auch eine Art Hommage, auch Erinnerung an einen Musiker, dessen Bedeutung für die deutsche Szene nie so recht gewürdigt wurde?

Genau so. Ich würde am liebsten ein Album mit 20 Jocco Abendroth-Songs aufnehmen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Aber ich wollte kein Cover-Album machen, sondern ein eigenes mit eigenen Versionen seiner Songs. Es gibt aber auch noch andere Songwriter in meinem Freundeskreis, deren Songs ich immer schon mal interpretieren wollte, z.B. Achim Klau. So ist das Konzept von „Unter Freunden“ entstanden. Eine Anzahl Songs, respektive ihre Autoren, in deren Mitte ich mich zuhause fühle, in deren Mitte ich sein möchte.

Die CD heißt "Unter Freunden", neben eigenen und Joccos Songs sind welche von Achim Klau zu hören... Zu Deiner Basisbandbesetzung mit Simon an den Drums kommen handverlesene Gäste, die aber mehr als Kollegen sind, eher eine Gruppe Gleichgesinnter, mehr noch sogar Seelenverwandter?

Dieses Konzept ging weiter mit den Musikern: ich wollte gern mit Leuten arbeiten, in deren Mitte ich mich wohl fühle. Ich wünschte mir ihre Beiträge in einer Weise, wie ein Kind seine Freunde gern in einem Poesiealbum versammelt: man kann es sich anschauen und sagen: „Das sind meine Freunde, und sie haben auf meinem Album gespielt“. Es ist dabei natürlich ein zusätzliches Glück, dass meine Freunde gute Musiker sind. Sonst hätte ich das wohl irgendwie anders machen müssen.

Das sind Songs, die in Deutsch für viele eigentlich gar nicht machbar scheinen ... Was kommt hier zusammen, was angeblich nicht vereinbar ist?

Wenn man an deutsche Popmusik denkt, nimmt ein entscheidendes Gewicht immer Text und Stimme ein. Viele deutsche Produktionen erwecken den Eindruck, als sei die Band nur Begleitung, Sättigungsbeilage. Wenn ich Led Zeppelin höre oder die Beatles, hat jedes Element des Arrangements eine entscheidende Gewichtung. Ich höre Musik, bei der es auch Gesang und Text gibt, aber manchmal verstehe ich nicht jedes Wort, weil eine Gitarre oder ein Drum Break eben lauter ist, und das ist auch ok so, denn ich bin nicht in einer Vorlesung, sondern ich höre Popmusik. In einer Oper verstehe ich auch nicht jedes Wort, sondern ich lasse mich von der Gesamtheit des Werkes verzaubern. Ich habe mich bemüht, allen Dingen auf diesem Album einen Platz einzuräumen. Eine große Plattenfirma hätte das Masterband vermutlich abgelehnt mit der Begründung, die Stimme sei nicht laut genug. Ähnlich würde es wohl bei den großen Radiostationen gehen. Aber für diese Institutionen ist das Album eben auch nicht gemacht.

Deutliche Ironie gegenüber dem Musikbusiness und dem Wert- und Seinsverlust der Popmusik in unseren Tagen ... Sollen wir so weit gehen, das Album als ein politische Statement zu werten?

Es gibt keine politische Aussage auf dem Album, solange man die soziokulturellen Aspekte nicht der Politik zurechnet. Kunst ist eine der letzten Bastionen freien Denkens, die der Spätkapitalismus sich zueigen zu machen vorgenommen hat. Dies findet nicht als Konspiration statt, sondern tagtäglich und in uns allen, die wir Kunst um uns haben und – hier kommt das magische Wort – konsumieren. Allein den Maßstab kommerziellen Erfolgs in einem Satz zu nennen mit Gedanken zur Qualität von Kunst, ist richtungweisend in dieser Entwicklung. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die gesamte Musikindustrie inkl. ihrer staatlichen Institutionen GEMA, GVL, öffentlich-rechtlicher Rundfunk etc. sich dahingehend ausgerichtet, dass Künstler, die bereits kommerziellen Erfolg haben, in hohem Maße begünstigt werden gegenüber Künstlern, denen kommerzieller Erfolg bisher verwehrt blieb. Hier die Parallele zum spätkapitalistischen System: wo bereits Geld ist, kommt noch mehr hin; wo keins ist, bleibt auch keins hängen. Wenn ich mich als Künstler nicht dem Mainstream-Kompromiss opfere, werde ich auch durch die öffentlichen und staatlichen Institutionen mit Kulturauftrag kein Geld verdienen, auch wenn ich genauso hart oder härter arbeite als ein Mainstream-Künstler.

Letztlich hat diese Entwicklung bereits zu einer Spaltung geführt, deren fatale Auswirkungen für mich deutlich hörbar sind: auf der einen Seite die Musiker, die ihr Handwerk als Beruf betreiben und nun einer Mainstream-Industrie zuarbeiten müssen, um von ihrem Beruf leben zu können. Auf der anderen Seite eine unübersehbare Horde von Amateurmusikern, die dank ihrer Dayjobs nicht darauf angewiesen sind, von der Musik zu leben, und deswegen „künstlerische Freiheit“ für sich beanspruchen können. 95% aller Musik, die heute auf dem Markt erscheint, ist von Hobbymusikern gespielt und produziert und unter technisch und handwerklich minderwertigen Voraussetzungen aufgenommen. Ich höre teilweise Platten, die selbst von großen Labels finanziert und vertrieben werden, und denke „wenn mir einer im Studio mit so einem Drumsound käme, den würde ich hinauswerfen“.

Jede Branche, die so agiert, würde über kurz oder lang pleite gehen. Stell Dir mal vor, Ärzte würden irgendwann so schlecht verdienen, dass es wie im Mittelalter einen Markt gäbe für umherziehende Bader, Scharlatane und Autodidakten. Wer möchte schon gern von einem Hobbyarzt operiert werden? Und so ist es letztlich in der Musikbranche: das mit Abstand größte Geschäft mit der Musik macht die Computer- und Musikelektronikindustrie.

Überall kann man lesen, dass durch Plattformen wie Spotify der Umsatz in der Musikbranche wieder gestiegen wäre. In Wahrheit ist aber der Anteil an diesem Geschäft, den die Musikschaffenden verdienen, verschwindend, ja, lächerlich gering geworden. Der gesamte Industriezweig nährt sich aus einer Unzahl Hobbymusikern, die ihre Musik auf den Markt bringen, ohne davon leben zu müssen. Das schlägt sich nur allzu deutlich in der Qualität der veröffentlichten Produktionen nieder.

„Jenni denkt ich wärʼn Popstar“ ist ein Stück Entglorifizierung aber gleichzeitig auch ein wenig neue Mystifizierung (ich will jetzt nicht schreiben alter/ wahrer Werte? ... und dennoch ...

Ich kann bei „Jenni“ keine Mystifizierung entdecken, denn der Text trieft doch nur so von Selbstironie, die im letzten Satz ihren unmissverständlichen Höhepunkt erfährt. Hier ist einer, der durch die Augen einer 18-Jährigen die Wahrheit über sich selbst erkennt, und diese Wahrheit ist so erbärmlich, dass er sich gar nicht traut, sie dem Mädchen einzugestehen, sondern lieber eine Art Mythos um die eigene Person aufrechterhält, um wenigstens das Gefühl zu haben, in seinem Elend privat, unerkannt zu bleiben.

Die Wahrheit hinter der Geschichte ist, dass ich viele hart tourende Musiker kenne, denen es immer schwerer fällt, ihr Leben aus ihrer Arbeit zu bestreiten, denen in unserer Zeit sprichwörtlich ihr Job unterm Arsch weg rostet. Dies hängt mit den verschiedenen, oben bereits genannten Umständen zusammen.

Auf der einen Seite wird Popmusik durch die Medien vollkommen überglorifiziert, es gibt massenweise aufwändige Fernsehsendungen, in denen irgendwelche namenlosen Amateure irgendetwas zum besten geben und dafür von Millionen Menschen angebetet werden, auf der anderen Seite echte, hart arbeitende Musiker, die ihre Miete nicht zahlen können, weil sie in den Medien nicht wahrgenommen werden. Ich habe mich rechtzeitig aus dieser Live-Geschichte zurückgezogen und meine Energien auf die Studioarbeit und das Songwriting verwandt, aber mir hätte es durchaus auch so gehen können. Ich habe in den Neunziern problemlos von Auftritten in kleinen Clubs, Cafés und Bars leben können. Ich bin nicht reich geworden, aber es hat immer gelangt, und ich habe dieses Leben sehr geliebt. Heute wäre das nicht mehr möglich. Heute bräuchte man einen Dayjob, um sich diese Auftritte leisten zu können.

>>Thomas Ripphahn, Record Release Party, Frankfurt, Dreikönigskeller, 23.5., 21 Uhr, Eintritt: 8,–

Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.
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