Nur noch wenige Proben trennt das „Bridges – Musik verbindet“-Projekt vom Konzert am 19. April im HR Sendesaal. Beobachter sind sich sicher: Der Auftritt des Flüchtlingsorchesters wird ein Highlight der Saison.
Detlef Kinsler /
Es gibt solche Floskeln, die versucht man als Journalist lieber zu vermeiden. Zu Beispiel die, dass Musik die einzig universelle Sprache auf der Welt ist, die alle Menschen verbindet, ganz egal ob sie sich verbal verständigen können oder nicht. Wer aber das Glück hatte, seit Mitte Januar mal einer Probe des „Bridges – Musik verbindet“-Projektes beizuwohnen, erlebt da hautnah mit: dieser Wunschglaube kann Wirklichkeit werden.
Die Studentinnen Julia Huk (rechts) und Isabella Kohls (beide 26 Jahre alt) haben das Flüchtlingsorchester ins Leben gerufen. Da sie beide auch Klarinette spielen, lag es für sie nahe, den vielen anonymen Flüchtlingen mit Musik eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Eine Herkulesaufgabe für die engagierten jungen Frauen, die sich mit Ämtern und Institutionen auseinander zu setzen hatten. Aber sie rannten auch offene Türen ein, bekamen viel Unterstützung für ihre Idee, an der HfMDK, beim Hessischen Rundfunk (der u.a. Sendesaal und Technik fürs Konzert bereit stellt) und von der Schillerschule, die Kooperationspartner beim Konzert ist und in deren Räumlichkeiten dank des Einsatzes von Fachbereichsleiter Detlev Drascher auch die Proben stattfinden können.
Huk und Kohls jedenfalls waren vor allem auch überwältigt von den Feedbacks, die sie aufgrund ihrer eigens gegründeten Website und ihrer Aufrufe bekamen. Die Liste der teilnehmenden Musiker umfasst drei prallvolle DIN A 4-Blätter. Darauf finden sich neben den gerade erst in den Aufnahmeeinrichtungen angekommenen Refugees auch solche, die schon länger hier leben und sich mehr oder minder integriert fühlen, dazu deutsche Musiker aus Klassik (etwa von hr Sinfonieorchester), Jazz und Pop, dabei bekannte Namen wie etwa Henning Eichler (Blues Blend) und Torsten de Winkel (viel mit Kraans Hellmut Hattler unterwegs), die nicht nur mitspielen, sondern auch in Arrangement-Fragen behilflich sind. An den ersten beiden Probetagen fanden sich kleine, kulturell spannend durchmischte Ensembles mit Musikern aus Afrika, Nah- und Fernost. Da traf etwa ein syrischer Geiger auf eine südkoreanische Pianistin. Eine kammermusikalisch geschulte Flötistin machte sich an einem Abend auf die Reise von Eritrea nach Afghanistan, um in beiden Fällen auf die für sie ungewohnte Tonalität und Metrik spontan zu reagieren – in einem kulturübergreifenden Call & Response. Ein (deutscher) Didgeridoospieler versuchte, das so entstehende interessante Tongeflecht mit seinen australischen Brummtönen zu grundieren.
Viele faszinierende Instrumente gibt es zu bestaunen: die orientalische Kurzhalslaute Oud haben viele schon gesehen, die iranische Tar und das afghanische Nationalinstrument Rubab eher seltener. Und ganz exotische wird es für viele, wenn die junge eritreischen Musiker ihre kastenförmigen Krars anstimmen. Der in Filmmusik erprobte Rainer Michel hat sich in all den unterschiedlichen Musiken, die die Flüchtlinge aus ihrer Heimat mitgebracht haben, eingefühlt und Motive in seine Komposition eingebracht, die am Konzertabend im HR dann alle gemeinsam aufführen sollen.
Erste Durchlaufproben wie jetzt am Wochenende zeigten, was da Wunderbares wächst, Es sind kleine, minimalistische Melodie- und Rhythmusfragmente an der Basis. Zu den klassischen Gitarren gesellen sich die Saiteninstrument aus Asien und Afrika, die Trommeln (von Darbuka bis Tabla) kommen dazu, dann der Flügel, die Geigen und die Blasinstrumente (Klarinette bis Posaune). Wenn man sich dann noch die Stimmen, die diesmal noch nicht dabei waren, dazu vorstellt, etwa die der aramäisch singenden Maria Kaplan, darf man eine wunderschöne kleine weltmusikalische „sinfonische“ Dichtung erwarten.