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Foto: Adobe Stock/Gelpi
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Weltfrauentag

„Auf meinen Tonfall achte ich genau, um bloß nicht wütend oder aggressiv zu erscheinen“

Am 8. März ist Weltfrauentag. Nicht alle Frauen bestreiten den gleichen feministischen Kampf und Mehrfachdiskriminierung sorgt für Ungleichheiten. Das belegen die Erfahrungen und Geschichten verschiedener Frauen aus der Stadt.
Am 8. März ist Weltfrauentag. Zu feiern gibt es auch im Jahr 2023 nicht viel – stattdessen soll der feministische Kampf im Vordergrund stehen. Gefordert werden Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Sicherheit und Frieden. Dass nicht alle Frauen den gleichen feministischen Kampf bestreiten oder gleiche Forderungen priorisieren, hängt mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen zusammen.

Frauen, die neben ihrem von Diskriminierung betroffenen Geschlecht weitere Merkmale vorweisen, die von Benachteiligung betroffen sind –wie etwa Race, Klasse, Sexualität, Hautfarbe, Behinderung und viele weitere diffamierte Merkmale – bestreiten ihren Kampf in der Regel aus einer anderen Position.

8. März: Ungleichheit unter als weiblich gelesenen Personen


So entstehen Ungleichheiten zwischen Personen, die als weiblich gelesen werden. Oftmals kommt es zu Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Ungleichheiten. Geht man von dem sogenannten intersektionalen Feminismus aus, werden diese unterschiedlichen Benachteiligungen zusammen gedacht. Das wirft Frauen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, weit zurück. Kann man infolgedessen überhaupt noch von dem einen kollektiven Kampf sprechen? Wie äußert sich die Diskriminierung von Frauen, die als Nicht-Deutsche gelesen werden, im Alltag? Sind es vielleicht sogar die weißen Frauen, die jene Diskriminierungserfahrungen verursachen?

Verschiedene Frauen aus der Stadt, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, berichten, wie sich diese im Alltag äußert, wie sie dadurch in ihrem Leben eingeschränkt werden und warum Frauen, die als weiß und deutsch gelesen werden, ihre Privilegien überprüfen müssen.

„Ich weiß noch, als ein Schulkamerad mich gefragt hat, ob meine Mutter Putzfrau oder Nutte ist“

„Ich hatte mal einen Partner, der mich als Schwarze Frau fetischisiert hat. Es ging weniger um mich als Person und viel mehr um mich als eritreische Frau“, erzählt eine 24-jährige Frankfurterin mit eritreischen Wurzeln. In diesem Moment habe sie nicht nur den Sexismus gespürt, den ihr damaliger weißer Partner ihr entgegengebracht hat, sondern auch den Rassismus, der dem Fetischisieren und Exotisieren ihres Schwarzen Körpers beiwohnt.

Mit solchen Erfahrungen ist die junge Frankfurterin nicht allein. Eine 26-Jährige mit ukrainischen Wurzeln erzählt, dass sie bereits als Minderjährige zu Schulzeiten sexualisiert wurde – in einem Alter, in dem jegliches Bewusstsein für die eigene Sexualität noch gar nicht ausgeprägt ist oder eine Rolle spielen sollte. „Ich weiß noch als ein Schulkamerad mich gefragt hat, ob meine Mutter Putzfrau oder Nutte ist, weil ich doch Ukrainerin sei“, erzählt sie. Eine weitere Frankfurterin, die aufgrund ihrer türkischen Wurzeln als muslimisch gelesen wird, erzählt von übergriffigen Fragen von Fremden: „Ich wurde schon oft gefragt, ob ich denn wirklich bis zur Ehe Jungfrau bleibe“, erzählt sie.

Jobsuche: „Wenn es nicht über Bekannte gelaufen ist, kannst du es vergessen“

Auch in der Jobsuche ist es mit einem ausländischen Namen und einem nicht-deutschen oder weißen Erscheinungsbild nicht einfach. „Wenn es nicht über Bekannte gelaufen ist, kannst du es vergessen“, erzählt eine junge Frankfurterin mit kurdischen Wurzeln, die als Lehrerin an einer Schule arbeitet. Diskriminierungen erfahre sie hauptsächlich von Personen, die die Frankfurterin noch nicht kennen und somit ausschließlich aufgrund ihres nicht-weißen Erscheinungsbildes beurteilen. Zudem werde sie nicht nur von Männern diskriminiert, sondern vor allem auch von anderen, der Mehrheitsgesellschaft angehörenden, Frauen in ihrem Beruf. „Das Lehrerzimmer ist ein frauendominierter Ort – dementsprechend auch ein Ort, an dem ich diskriminierende Erfahrungen gemacht habe“, erzählt sie.

„Auf meinen Tonfall achte ich genau, um bloß nicht wütend oder aggressiv zu erscheinen“

Wie einschränkend ein Leben als mehrfach diskriminierte Frau sein kann, wissen die Frankfurterinnen genau. Sie erzählen von dem Druck, sich ständig beweisen zu müssen – etwa durch das Ausmerzen jeglicher Attribute, die man ihnen aufgrund ihres Namens oder ihrer Hautfarbe zuspricht. „Ich wollte alles andere sein als das typische Klischee einer Osteuropäerin und habe teilweise sogar versucht, mich von anderen Osteuropäerinnen abzugrenzen. Meine Verunsicherung sickert heute noch teilweise durch, trotz meiner Überwindung. Noch immer trage ich etwa bei Bewerbungsgesprächen kaum Make-up und wenig Schmuck, um ernstgenommen zu werden“, erzählt die Frankfurterin aus der Ukraine.

Auch die 24-Jährige mit eritreischen Wurzeln erzählt von ähnlichen Verhaltensmustern. „Ich versuche immer, dezent gekleidet zu sein. Auch Haare sind ein großes Thema. Wenn ich beispielsweise Braids trage, heißt es‚ das ist so exotisch und überhaupt nicht professionell. .. Auf meinen Tonfall achte ich genau, um nicht wütend und aggressiv zu erscheinen und dadurch Vorurteile und Klischees zu bedienen, die man einer Schwarzen Frau zuschreibt“, erzählt sie.

Der Drang, sich ständig beweisen zu müssen, ziehe sich außerdem bis in die universitären Seminarräume, berichtet die Lehrerin mit kurdischen Wurzeln. „In Uni-Seminaren habe ich immer stark darauf geachtet, nicht zu emotional zu diskutieren, da von mit eine laute, streitende Diskussion erwartet wurde“, erzählt sie.

Die eigenen Privilegien checken und sie für den gemeinsamen Kampf nutzen

„Weißen Menschen und Personen, die als weiße Cis-Frauen gelesen werden, ist oftmals nicht bewusst, was als diskriminierend empfunden werden kann“, sagt die junge Frankfurterin, die als türkisch gelesen wird. „Ich denke, sie sollten sich bewusst werden, wie unbeschwert ihr Erscheinungsbild wirkt. Der Auftritt als weiße Frau in einem Raum ist deutlich leichter. Im Ladengeschäft werden sie eher freundlich gegrüßt."

Die jungen Frankfurterinnen sind zudem der Meinung, dass sich weiße Frauen ihrer Privilegien bewusst werden müssen und die eigene Verantwortung, die sie dadurch tragen, erkennen sollten. Für den feministischen Kampf reiche es nicht aus, für Themen wie sexuelle Befreiung oder Gender Pay Gap zu kämpfen, solange es Frauen gibt, die zusätzlich rassifiziert werden. „Weiße Frauen sollen zuhören, wenn mehrfach diskriminierte Frauen von ihren Erfahrungen berichten und diese ernst nehmen“, fügt die junge Ukrainerin hinzu.
 
8. März 2023, 12.02 Uhr
Sinem Koyuncu
 
Sinem Koyuncu
Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, seit Oktober 2021 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sinem Koyuncu >>
 
 
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Text: ktho/dpa / Foto: © Adobe Stock/Tupungato
 
 
 
 
 
 
 
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