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Potts Tausend in der Festhalle



Gestern Abend konnte ich mich mal selber live davon überzeugen, was der neugebackene Opernheld Paul Potts so auf dem Kasten hat. Muss hier gleich zu Anfang sagen, dass ich seine Show nicht schlecht machen will, werd es aber hie und da wahrscheinlich doch tun. Die Festhalle war immerhin mit 9000 Besuchern bis unter die Decke voll. Und die Leute waren begeistert. Aber ich hatte mich eher auf etwas anderes eingestellt. Vielleicht hat mich der SPotts-Billige Kartenpreis von bis zu 65 Euro auch etwas irritiert. Für die Festhallenauftritte ist das eigentlich normal. Aber der Potts soll mir erst mal beweisen, dass er das wert ist. Zumindest Bassbariton Thomas Quasthoff bezeichnet den Gesang des Fish´n Chips Schmuse-Tenors als Popsülze. Hab mir auch gedacht, dass ich durch die Erinnerung an seinen ersten Auftritt bei British Pop Idol etwas beeinflusst war. Und zwar durch die Wirkung, die die Szene ausgelöst hatte. Wie er so schüchtern da stand, kleinliches Bild, schiefe Zähne und meinte, er möchte gerne Opern singen. Und dann der Knaller. So dass der Jury die Münder offen standen, der englische Dieter Bohlen, Simon Fuller, fast seinen Stift fallen lies und das Publikum klatschte und jubelte. Auch beim dritten Anschauen auf Youtube kommt einem noch die Gänsehaut. Und diesen Effekt hab ich gestern wahrscheinlich auch gesucht. Er kam aber nicht. Zumindest nicht bei mir.

20 Uhr. Ein lautes Klingeln signalisiert, dass es gleich los geht. Wie in der Oper. Auf der Bühne eröffnet erst mal das Frankfurter Philharmonika Orchester die Vorstellung. Ein schöner Einstieg in die klassische Musik, dirigiert von Bob Willis und mit Chris Taylor am Piano. Auch wie in der Oper. Kurz darauf kommt Potts auf die Bühne und lässt seine Stimme erschallen. Zwei Leinwände links und rechts zeigen sein Gesicht in Großaufnahme für die hinteren Reihen. Da wurde mir auch mehr und mehr klar, wie das Ganze aufzunehmen ist. Nicht als Oper oder Musical, sondern eher als Konzert mit speziellem Entertainment. Ein Produkt unseres Bigbrother-Talkshow-Nullachtfufzehn-Konsums. Vor jedem Lied lieferte Paul Geschichten und brachte das Publikum mit Witzchen zum Lachen. Die Leute mögen ihn einfach. Sein bescheidenes und schüchternes Auftreten rührt die meisten ersichtlich, ich krieg leider den Kartenpreis und meine Erwartung nicht aus dem Kopf. Aber wie gesagt, ich versuchte dann Abstand davon zu nehmen.

Potts Programm streift die Geschmäcker querbeet. War unterhaltsam und für jeden was dabei. Von „Ave Maria“ über „Oh Sole Mio“ geht’s zu Musicalstücken aus „Les Miserables“ oder zum Titelsong von „Lovestory“. Der Jubel und das Trampeln lässt die Tribüne erbeben, als er dann schließlich „Dein ist mein ganzes Herz“ von Franz Lehár zum Besten gibt. Die Unterhaltung wird aber noch besser, den Potts hatte eine nette Begleitung mitgebracht. Neuseelands Newcomersängerin Elizabeth Marvelly löste ihn zwischendurch mal ab. Ich denke nicht, dass es daran lag, dass ich ein Mann bin und das Mädel mit einem roten trägerlosen Glitzerkleid im Rampenlicht stand. Sie machte einfach von Anfang an klar, in welche Schublade ich sie stecken konnte. Eine neue Celiné Dion, die den Titelsong zu Titanic 2 singen könnte. Auch hatte sie mal was ganz anderes von ihrer Ecke der Welt mitgebracht und sang ein Stück in Maorisprache. So was haben sicherlich noch nicht viele gehört. Also ich nicht.

Und während ihrem letzten Lied kommt, wer hätt’s gedacht, pottslich der Potts auf die Bühne dazu und im Duett geht’s weiter. Marvelly verabschiedet sich noch reichlich und meinte wie wunderwunderschön sie Deutschland findet. Naja, jeden Tag im Sheraton würd ich’s auch schön finden. Dann noch „Time to say goodbye“ von Potts im Solo und zum Schluss natürlich den Pop Idol Song „Nessun dorma“, der ihn berühmt gemacht hat. Ich muss leider wieder an die Telekomwerbung denken. Aber die Leute weinen, lachen, klatschen, pfeifen, jubeln, trampeln, springen. Dann soll’s so sein. Es war wirklich nett, aber ich denke einfach, die Leute haben eher ihn lieb gewonnen, als sein Musik. Tenöre gibt’s wirklich bessere. Sollte er sich nicht in der Opernwelt etablieren können, wenigstens in einer kleinen Nische, dann kräht in einem Jahr kein Hahn mehr nach ihm. Aber man gönnt ihm den Galaglimmer. Alleine wie er nach Ende da stand, kurz vor dem Tränenausbruch, total perplex von der Resonanz des Publikums, das ließ die Menge nur noch weiter applaudieren. Er konnte gar nicht mehr aufhören sich zu verbeugen und Leuten die Hände zu schütteln. Ich dachte mir noch: Potts, genieß die Zeit, du hast es dir verdient. Und machte dann die Fliege.
 
7. November 2008, 13.36 Uhr
Günther Michels
 
 
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