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Der Tod des Schamhaares - Betrachtungen eines älteren Herren

statueDie sogenannte „gute alte Zeit“ war, wenn man sie wirklich erlebt hat, meist eine schwierige oder gar „schlechte neue Zeit.“ Trotzdem gab es Beständigkeiten auf die man sich verlassen konnte. Eine davon war der Griff ins weibliche Höschen und das Tasten in weichem, seidigem, oder ruppig kratzigem Schamhaar. Man war am Ziel... fast, Mensch war das schön. Und heute?
Seitdem sich selbst moralisch unangreifbare Presseorgane mit dem Thema beschäftigen muss man einfach einmal darüber reden!

Weibliches Schamhaar ist mittlerweile so selten, wie ein vom Aussterben bedrohtes Tier. Nach der Verdammung von Achsel- und Beinbehaarung ist seit einigen Jahren auch an der Scham die totale Glatze angesagt. Eine Mode, der flächendeckend vor allem junge Frauen folgen, aber neuerdings gibt es auch immer mehr Männer, die sich ihren Brust- und Schamhaar-Schmuck restlos entfernen. Warum denn das?

Schließlich ist das Schamhaar ja ein Zeichen von Reife. Früher, in der Pubertät war es heiß ersehnt und wurde, als es endlich da war heimlich rumgezeigt : Hier, das IST ein HAAR !!!!, hurra ich bin erwachsen!
Bei Männern erklärt sich die neue Körperenthaarung wohl mit der steigenden Selbstverständlichkeit des Homosexuellen und dem Eingeständnis weiblicher Anteile. Oder einfach mit der weiblichen Forderung, warum nur ich ? Du auch!

Wer, wie ich, ein Leben lang in die Sauna geht, kann ungefähr bestimmen, wann der weibliche Kahlschlag begann.
Etwa 25 Jahre sind es her, und es war noch eine der Saunen mit: Montags Damen, Dienstags Herren und Mittwoch GEMISCHT ! Das grandiose Zauberwort, GEMISCHT!! Dort sah ich die erste Totalrasur bei einer deutschen, nicht muslimischen Frau. Seitdem geht’s bergab, oder besser gesagt: haarab.

Gegen die Körperbehaarung im allgemeinen kämpfen weibliche Schönheitsfreaks schon viel, viel länger. Im letzten Jahrhundert, zwischen den Weltkriegen wurde es modern, die Achseln zu rasieren. Das hat nichts mit der Körperfunktion zu tun, denn die Schweißdrüsen arbeiten nach wie vor. Und ist es wirklich hygienischer ? Gründlich gewaschen riechen die Achseln rasiert oder auch nicht, stets nach frischem Schweiß. Aber an diesen Stellen Haare zu zeigen, schien den prüden Amerikanern, besonders in Hollywood auf einmal zu provokant.

Als der „Neue Deutsche Welle Star“ Nena vor 25 Jahren in London auftrat, waren der Presse „99 Luftballons“ weniger Text wert, als die schwarzen Haarbüschel, die frivol unter ihren Achseln hervorlugten.

Als Kind im Rheinland aufgewachsen erinnere ich mich an den passenden Spruch „Herrjöttche steh mir bei - unter de Arme hat se auch noch zwei.“ Damit ist die Männerphantasie klar beschrieben. Und Madonna pflegte als Teenie ihre Achseln NICHT zu rasieren, nur um zu provozieren, „sieh, so wie hier oben seh ich unten auch aus“.

Das Beinhaar wurde in den dreißiger Jahren zum echten Frauenfeind, weil es in den neuerfundenen Nylonstrümpfen plattgedrückt wurde und aussah, wie eine ungemähte Wiese.

Dabei galt weibliche Behaarung früher, und für viele gilt das heute noch, als Aphrodiasikum für Männerhirne. Als Buben suchten wir gierig im Schwimmbad nach Frauen, aus deren Schritt im Badeanzug vorwitzige Schamhärchen herausschauten und kriegten prompt rote Ohren, und nicht nur das. Starker Bart-, Bein-, Achselbewuchs bei Frauen erweckte bei uns Jungs die Illusion eines riesengroßen „Bären“, wie wir das Schamhaardreieck ehrfürchtig nannten.

In der klassischen Malerei des letzten Jahrtausends fehlte das Schamhaar stets, weil es zu erotisch gewirkt hätte, statt dessen gab es immer nur rosa Venushügel ohne weitere Details. Erst bei den früheren erotischen Fotos des späten 19. Jahrhunderts wurde durchaus Wert auf starken Schamhaarwuchs gelegt. So dicht, dass das eigentliche Geschlechtsteil unsichtbar blieb. Und Helmut Newtons „starke Frauen“ sind auch erst 30 Jahre alt!

Alles war früher nur bei sorgfältiger Nachsuche zu finden, während es sich heute dem Betrachter ohne Schutzhaar geradezu protzend anbietet. Seht her, so seh ich aus ! Neue Frauenpower ? Oder warum rasieren sich immer mehr Frauen dort, wo die Natur die klare Durchsicht verhindert ? Die westliche Kultur bewahrte das Schamhaar als gottgegeben im Gegensatz zu Moslems, deren Frauen sich schon immer intim rasieren. Gibt’s da Synergien? Kopftuch nein, Intimrasur ja?

Ich befragte etliche Frauen aus meiner Umgebung und bekam bei denen unter 35 sofort freimütige Antworten. Ja, sie rasieren sich, das sei sauberer, oder einfach so, oder, das macht man doch heute, oder, das machen alle meine Freundinnen. Aber einen richtigen Grund für die schwierige, häufige Rasiererei wußte keine. Religiösität schlossen sie aus. Es sei halt „In“ oder „Kult“, oder Männer wollen das halt, hieß die häufigste Antwort.
Einige glaubten allerdings, ein paar Härchen müssten bleiben, damit es nicht aussieht wie ein Kindergeschlecht. Sonst käme man ja auf die Idee, der eigene Mann sei ein Kinderschänder.

Wohin das führen kann erlebte jetzt erst die berühmte Hollywoodschauspielerin Kate Winslet. Für ihre oscargekrönte Rolle in „Der Vorleser“, der in den Fünfzigern spielt, mußte die Dame ein „Schamhaar Toupet“ zur Hilfe nehmen, weil durch ihr jahrelanges Waxing auch bei Nichtrasieren kein dicht bewachsenes Schamdreieck mehr entstand. Also wurde eine „Perücke“ aufgeklebt, bestehend aus echtem Schamhaar. Ob die Dame von der das Original stammt, für ihre Leistung auch einen Oscar bekommen hat, ist nicht bekannt.

Bei den Meisten begann die Rasierlust mit der „Bikinizone“ im Sommer, dann wurde es der „Irokesenschnitt“ oder der „Landestreifen“, später forderte der Freund mehr Glatze, er, der genau wissen wollte, auf was er sich „einließ“. Oder es war die Freundin, die einem einredete, daß haarlos „total chic“ sei ?

Bei Charlotte Roches Romangestalt Helen war es ein Schwarzer, der sie, statt in die Bar, zu sich nach Hause zum Rasieren einlud. Für Männer keine schlechte Alternative! Rasieren statt saufen, keine teuren Dinner mit Champagner und anschließender Disco mehr, sondern nur ein paar neue Rasierklingen, und man ist gleich da, wo man sowieso hin will.

Aber vielleicht ist alles auch nur Ergebnis einer geheimen Werbekampagne der Rasierklingen-Industrie, deren Kassen übervoll sein müssen? Rasierende Frauen sind heute umworbene und begehrte Kunden, zumal die topdesignten Plastikrasierer und ihre Klingen ekelhaft teuer sind.

Tatsächlich trifft das alles nicht, oder doch alles. Intimrasur bei Frauen ist Kult, und wie Kult entsteht, konnte noch keiner erklären. Dabei ist das Enthaaren an einer solch schwer „zugänglichen“ Stelle für „Selbstrasierer“ keineswegs eine Kleinigkeit. Trockenrasierer schaffen es kaum und Epilieren tut sau weh, besonders an dieser heiklen Stelle. Das gilt auch für die Wachsstreifenmethode. Und die sogenannte Photoepilation schmerzt ein bisschen weniger, kostet aber: etwa € 1500 pro Muschi. Bleibt die Nassrasur, aber auch die ist nicht ohne Risiko. Wenn die Klinge stumpf ist, sind böse Entzündungen möglich, die Härchen wachsen nach innen und vereitern. Außerdem jucken die nachwachsenden Stoppeln wie verrückt und lassen die Damen sich völlig undamenhaft dort kratzen, wo es auch Filzläuse sein könnten. Außerdem ist dieser „Dreitageintimbart“ für männliche Glieder die reinste Nadelfalle. Ein Abrutscher und schon brennts tagelang.

Noch unangenehmer werden die Stoppeln, wenn die eng sitzenden Strings, auch Ritzenputzer genannt, die Stoppeln in der „Kerbe“ wund scheuern. Denn zur totalen Rasur gehört auch die Gegend um den Anus. Und genau das hat „Helen“, die Titelheldin von „Feuchtgebiete“, nach einem Rasierunfall in die Klinik gebracht, eine Analfissur. Auf deutsch, sie hat sich beim Rasieren in den A... geschnitten ! Wenn daraus dann immer ein Bestseller entsteht lohnt sich das Ganze.

Foto: doug88888/flickr/cc-by
 
29. November 2009, 08.06 Uhr
Peter Zingler
 
 
Fotogalerie:
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