Cia Torun und die Oh Oh Ohs

Grenzenlos in Frankfurt

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Cia Torun arbeitet an einem Buch, einem Film, einer Performance und einem Burka-Striptease. Aber das ist längst nicht alles. Für Dienstag plant sie eine Performance auf dem Dach des Hauptbahnhofs.

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Lotet sie Grenzen aus? Schon die Frage ist falsch gestellt. „Für mich gibt es keine Grenzen, sie existieren nicht“, sagt Cia Torun und nimmt einen Schluck schwarzen Tee. Will sie provozieren? Schon wieder so eine Frage. Neulich fuhr sie bei glühender Hitze im Bikini-Oberteil durchs Nordend, eine ältere Dame fauchte sie an: „Ziehe Sie sich mal was an, Mädsche, da ist ja alles zu sehen!“ „Und wenn schon“, entgegnete die Künstlerin. „Ich habe zwei Brüste, sie haben zwei Brüste, die Hälfte der Menschheit hat welche, worüber regen Sie sich eigentlich auf?“ Da, so erzählt es Cia Torun, musste die Dame doch schmunzeln - so wie auch die Passanten auf der Zeil, die interessiert beobachteten, wie unser Foto entstand. Das sind so die amüsanteren Episoden. Auf der anderen Seite stehen: Morddrohungen aus dem Kreise der eigenen Familie, Drohanrufe, Dinge, die so gar nicht in eine sich tolerant und weltoffen gebende Stadt wie Frankfurt passen wollen.

Dabei geht es weiß Gott nicht um plumpe Provokation, sondern um anrührende Momente, darum, in der Tragik das Schöne zu sehen. Wir haben uns in einem türkischen Restaurant im Bahnhofsviertel getroffen, vor ein paar Monaten war Cia Torun schon einmal da und beobachtete einen verlegenen Ober, der von jungen Frauen im Kopftuch angeflirtet wurde. Eine Verschleierung kann auch sexy sein, sie verhüllt die Person und entkleidet die Phantasie der anderen.

Noch im Herbst will sie mit dem Regisseur Rosa von Praunheim auf die Konstablerwache, wird 24 Stunden in einem Glaskasten verbringen, die ersten vier voll verschleiert, bevor dann der urbane Burka-Striptease beginnt. So zumindest der Plan. Es geht um Verletzlichkeit, aber irgendwie auch darum, sich keine Angst machen zu lassen durch Nationalisten, Spießer oder Salafisten.

Geboren wurde sie in Hanau, mit zwei Jahren kam die Trennung von den Eltern, sie muss zu Verwandten in die Türkei, Jahre später wieder zurück nach Hessen, eine Jugend in Seligenstadt, der Name des Ortes ist alles andere als Programm, „schrecklich“ sei es gewesen, das Türkenmädchen zu sein, „ich dachte, ich hätte einen Fehler.“ Sie schreibt sich frei, sie, die sich schon als Kind Geschichten ausdachte, später fließen ihre Geschichten in ein Buch über die sexuelle Befreiung einer kurdischen Frau. „Motoren der Unschuld“, heißt das Werk mit dem sie auf Deutschland-Tour geht mit den Musikern Florian Wäldele und Florian Dressler, die zusammen die Performance-Musikgruppe The Oh oh Ohs bilden.

Mit denen zieht sie am Dienstagabend erstmal aufs Dach des Hauptbahnhofs, direkt neben den Atlas und seinen helfenden Jünglingen - eine schöne Dopplung zur Künstlerin und ihren beiden Florians. Eine Drohnenkamera filmt den sechzigminütigen Spaß, die Bilder sollen auf die Fassade projiziert werden – und gleichzeitig live nach Istanbul, Berlin und New York und über einen Lifestream auch direkt in jeden Haushalt übertragen werden. Das Bahhofsmanagement zeigte sich mehr als engagiert, sprach mit den Bauleitern, denn derzeit wird das altehrwürdige Gebäude saniert, die Vorderseite ist mit einer bedruckten Plane bedeckt, ideal für die Projektion der Performance.

Ihr Film „Just Flesh and Kurdish Blood“ kommt auch voran, das kurdische Blut ist eines der Verfolgten, eines, das die Schuld bei sich sucht und nicht bei den anderen, das macht das Leben manchmal nicht einfacher. Die Bürde der Geschichte kann Familien zerbrechen und wieder zusammenfinden lassen, noch so etwas, das Cia Torun am eigenen Leib erfahren musste. Das nächste große Projekt steht zum Jahreswechsel an, es soll - so Gott will - ins Frankfurt der 80er-Jahre zurückführen. Dazu dann demnächst mehr. Grenzen? Gibt es nicht.

>>Cia Torun und die Oh Oh Ohs Performance auf dem Dach des Hauptbahnhofs, 8. Oktober 2013, 19 Uhr


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