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Foto: Gosbert Gottmann
Foto: Gosbert Gottmann

Kinderintensivpflege-Bildband von Gosbert Gottmann

Auf der anderen Seite

Gosbert Gottmann ist Geschäftsführer einer Intensivpflegeeinrichtung für Kinder in Darmstadt - und er ist Fotograf. Daraus ist ein ebenso beeindruckender wie berührender Bildband entstanden.
Noch bevor einem die Schwestern auffallen, noch bevor einem das eindringliche Piepen der medizinischen Geräte bewusst wird, noch bevor der Rollstuhl in den Blick rückt oder der am Hals befestigte Beatmungsschlauch – noch vor allen diesen eigentlich unübersehbaren Dingen schaut man nur auf das Lächeln von Lotte und lächelt zurück. Die Glastür schließt sich, der erste Schritt in eine andere Welt ist gemacht. Es ist eine Welt, in der Kinder stark gemacht werden sollen, die zu schwach zum Leben sind. Lotte ist drei Jahre alt. Sie sieht so fröhlich aus in diesem Moment, da sich die Glastür der Pflegeeinrichtung langsam wieder hinter dem Besucher schließt. Obwohl das, und das ist der nächste Gedanke, gar nicht sein kann. Eigentlich.

Sonnenlicht flutet durch die Terrassentür ins Foyer, wirft die Schatten von Kindernamen auf Glas an die Wand. Noch so ein schöner Moment. Doch er gibt auch einen Hinweis, was hier, mitten in der Darmstädter Innenstadt, gleich benachbart zu den Kliniken, jederzeit passieren kann: dass ein Schatten sich senkt, ein Name erlischt. Der Tod ist allgegenwärtig. Aber er tarnt sich gut. In pastellfarbenen Wänden, in Spielzeug und Bilderbüchern.Viele Kinder liegen an diesem Tag in ihren Betten, es ist so still, da ist das Piepsen, das Schnaufen der Apparate, sonst nichts, kein Geschrei, kein Getobe wie bei Altersgenossen.

Gosbert Gottmann hat viele solcher stillen Momente dieser uns Normal-sterblichen fremden Welt eingefangen. Zeigt manchmal nur ein Detail wie ein Gewirr von Schläuchen, manchmal die brachiale Gewalt der Trachealkanülen, zeigt auch: die Zärtlichkeit und Behutsamkeit der Pflegerinnen, den Stress und die Sorge, zeigt lachende Kinder und nicht zuletzt den Tod, wenn bunte Luftballons in den Himmel über der Stadt steigen.

Ein Fortschritt: Das ist schon, wenn ein Kind lange nicht im Krankenhaus war, nicht mehr ständig beatmet werden muss, sogar ganz von der Beatmung wegkommt. Einige gehen später in den Kindergarten und in eine Schule. Manchmal sind die Fortschritte, das zeigen auch die in diesem Buch versammelten Texte der pädagogischen Leiterin Sarah Thiede, auch kleinerer Natur – ein Kind nimmt seine Umgebung wahr, richtet den Blick auf einen anderen Menschen. „Man sieht eine Entwicklung bei denen, die hier sind“, sagt Gosbert Gottmann während er durch die Zimmer führt, die gewissermaßen ein Teil seines Lebens sind, von dem die, die ihn als Künstler kennen, kaum etwas ahnen mögen. Er ist Geschäftsführer der Bärenstark Gesellschaft, hat mit seinem Team die Heime, wie jenes in Darmstadt mit aufgebaut. Und so hat sich auch nicht nur das Auge des Künstlers diesem Sujet genähert, sondern auch das des Dokumentars, der die Abläufe in diesem Haus genau kennt, der mit seinem Team um qualifizierte Pflegekräfte ringt, sie nicht selten in Rumänien findet, der mit Krankenkassen um die Finanzierung – was soll man sagen: feilscht?

Am Ende haben wir es mit Kindern zu tun, die auf ihre Umwelt reagieren, die sich in kleinen Schritten entwickeln, die lernen, die atmen und leben und sterben, wie wir alle auch atmen und leben und sterben, und manchmal, wenn auch selten, hat man es mit einem Kind wie Lotte zu tun, das lacht, wenn ein Besucher durch die Glastür kommt, das sich freut, wenn man sich ihm zuwendet. Man möchte darin einen Silberstreif sehen und erfährt dann, dass dieses Kind auch wiederbelebt werden musste im vergangenen Jahr und in der traurigen Statistik der Klinikaufenthalte weit vorne dabei ist. Ein Paradoxon, das einen rätselnd zurücklässt? Nein, nur ein Blick in eine andere Welt.

>> Gosbert Gottmann: Bärenstark
Autoren: Nils Bremer, Sarah Thiede, 96 Seiten, Kehrer Verlag, 29,90 Euro

>> Buchpräsentation: 5.10.2016, 19 Uhr im Fotografie Forum Frankfurt, Braubachstraße 30–32 mit Gosbert Gottmann, Celina Lunsford, Sarah Thiede und Nils Bremer. Eintritt frei

>> Der Verein Bärenstark Kinderintensivpflege unterstützt „Einrichtungen für dauerbeatmete und intensivpflegerisch zu versorgende Kinder und Jugendliche“. Nähere Infos und Spendenkonto unter: www.verein-baerenstark.de
 
4. Oktober 2016, 12.00 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
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