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Daniel Cohn-Bendit
 

Empört Euch!

Der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit über Empörung, Revolutionen und Möchtegern-Wissenschaftler zu Guttenberg.
Wir wollen diesem Gespräch die Empörung voranstellen. Das Büchlein „Empört Euch!“ von Stéphane Hessel ist auf Deutsch erschienen. Erklären Sie uns, wie der einstige Widerstandskämpfer damit in Frankreich einen derart großen Erfolg feiern konnte?
Ein Teil der Gesellschaft in Frankreich war und ist sensibel für Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Und Stéphane Hessel hat in seinem Buch die Notwendigkeit, sich dem Gang der Dinge zu stellen, leicht formuliert. Außerdem geht von ihm als Widerstandskämpfer der Résistance, der sich gegen die Besatzungsmächte zur Wehr setzte, ein hoher Grad an Glaubwürdigkeit aus.
Hessel rät, nichts einfach so hinzunehmen. Nicht die Finanzkrise, nicht die Umweltprobleme, nicht die Armut. Brauchen wir eine Revolution?
Eine Revolution ist das falsche Wort. Wir dürfen einfach nicht alles hinnehmen, da pflichte ich Hessel bei. Und wir brauchen Gesetze der Einmischung.
Eine Revolution ist auch in Nordafrika zugange. Ein zentraler Satz bei Hessel ist: „In dieser Welt gibt es Dinge, die unerträglich sin. Wer sie sehen will, muss genau hinsehen.“ In Libyen haben die Menschen ihren unerträglichen Diktator al Gaddafi gefunden. Gut so?
Das Problem ist doch, dass sich unsere Regierung mit ihrer ganzen Realpolitik mit den ganzen Diktatoren arrangieren. Gaddafi ist nicht erst seit gestern verrückt. Das war er auch schon vor vierzig Jahren. Dennoch haben die Länder der Europäischen Union nach der Aufhebung des Embargos Verträge mit ihm gemacht, ihn mit Waffen und Öl versorgt. Das ist empörend. Die Regierungen benutzen Diktatoren. Und tragen ihre Interesseb auf dem Rücken der Menschen in Libyen und anderswo aus.
Die erwartete Massenflucht sorgt für Streit. Italien und die anderen Mittelmeerstaaten fordern Unterstützung von den Nordeuropäern. Doch die lehnen ab. Hat Stéphane Hessel Recht, wenn er die Behandlung von Zuwanderern kritisiert?
Das ist doch eine Ausnahmesituation. Damals bei Bosnien wurde doch auch eine Richtlinie beschlossen, die den Flüchtlingen temporär eine Zuflucht bot und die Last auf die EU-Länder gerecht verteilt. Das wäre doch eine Lösung. Es ist furchtbar und empörend, dass sich lieber alle über die Zustände in Libyen aufregen, aber niemand die Menschen aufnehmen will.
Kommen wir auf den Möchtegern-Wissenschaftler zu Guttenberg zu sprechen. Warum sind seine Umfragewerte durch die Plagiatsaffäre noch besser geworden?
Die Umfragewerte sind nicht wirklich klar. Die sind mir aber auch egal. Ich sehe das Problem eher darin, dass Herr zu Guttenberg Ansprüche an Politiker und Politiker formuliert, diesen aber nicht selbst gerecht wird. Das Schummeln ist mir ansonsten relativ egal.
Die Opposition fordert vehement seinen Rücktritt. Sie auch?
Bei Rücktrittsforderungen bin ich vorsichtig. Aber das ist doch ein Symbol der Unaufrichtigkeit der Regierung. An dem Tag, als Guttenbergs Schummeleien zutage kamen, las ich eine Forderung der CDU/ CSU, die bei Ausländern den Anspruch der deutschen Sprache erhöhen und einen Test über deutsche Werte einführen wollten. Da frage ich mich doch, welche deutschen Werte zu Guttenberg vertritt? Schummeln, lügen, Gedankengut klauen?
Stéphane Hessel kritisiert die Kluft zwischen Arm und Reich. CDU und SPD feiern zur gleichen Zeit die Hartz-IV-Reform als einen Schritt für mehr Gerechtigkeit. Einverstanden?
Die Grünen hatten Recht, sich aus der ganzen Angelegenheit zurückzuziehen. Drei Euro mehr, das ist beschämend. Die Opposition hätte ohne Mindestlohn keine Zustimmung geben dürfen. Denn solange wir den in Deutschland nicht haben, wird der Schritt zur Gerechtigkeit unmöglich.
Zum Sport: In der Eintracht-Krise fällt nun auch Nikolov aus, die Chance für Fährmann. Und Jungspund Sebastian Rode ist der neue Hoffnungsträger. Können es die Beiden richten?
Momentan spielt sich das doch alles in den Köpfen der Mannschaft ab. Sie verlieren erst im Kopf und dann im Spiel. Am Ende der Hinrunde war sie die winner. Jetzt sind sie die loser. Das ist das ganze Problem. Und Skibbe muss es richten und den richtigen Weg finden. Aber da muss man sich nicht empören, momentan kann man nur leiden.
4. März 2011
Die Fragen stellte Julia Lorenz
 
 
Fotogalerie:
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