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Foto: PIA
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Senckenbergs Erben

Angehende Mediziner schließen Versorgungslücke

Sie ist oft die letzte Hoffnung für Kranke ohne Versicherung oder sicheren Aufenthaltsstatus: die Poliklinik im Städtischen Gesundheitsamt. Sie wird von Medizinstudenten organisiert. Immer dienstags stehen hier die Türen offen.
Ohne Krankenkassenkärtchen ist ein Arzt-Besuch nicht einfach. Oft werden Kranke oder Verletzte schlicht nicht behandelt, wenn Geld und Versicherung fehlen. Meistens sind es Menschen ohne festen Aufenthaltsstatus, die durch das Raster des deutschen Gesundheitssystems fallen. In Frankfurt gibt es für solche Fälle seit kurzem die Poliklinik im Städtischen Gesundheitsamt. Hier bieten jeden Dienstag von 17 bis 19 Uhr angehende Mediziner der Goethe-Universität ihre Hilfe an.

Alle ärztlichen Aufgaben wie Anamnese, körperliche Untersuchung, Nähen von Wunden oder Durchführung von Sonographien werden eigenständig von Medizinstudierenden höherer, klinischer Semester erledigt. Ein approbierter Arzt beurteilt die Untersuchungserkenntnisse und Behandlungsvorschläge der Studenten, bevor diese die Patienten versorgen. Als so genannte supervidierende Ärztin haben die Studenten Petra Tjarks-Jung gewonnen. Die erfahrene Ärztin leitet im Stadtgesundheitsamt die Humanitäre Sprechstunde seit deren Gründung im Jahr 2001. Angst vor einer stümperhaften Behandlung muss also niemand haben.

Die Studentische Poliklinik in Frankfurt dürfte die erste ihrer Art in Deutschland sein, meint Lukas Seifert. Er hat die Einrichtung mit aufgebaut. Die Idee jedoch sei schon älter und insbesondere in den USA erprobt und durchaus verbreitet. Seifert, der unmittelbar vor dem zweiten Staatsexamen steht, hat das Konzept bei einem Besuch in San Diego in Kalifornien kennen gelernt. Denn auch dort gibt es eine „Student-run Free Clinic“. Seifert konnte beobachten, wie dort gearbeitet wird und dass nicht nur die Patienten von der Poliklinik profitieren. Auch für die Studierenden, die sich dort engagieren, ist es ein Gewinn. „Student-run Free Clinics gibt es in den USA bereits seit Ende der 1960er Jahre. Sie erfreuen sich seitdem immer größerer Beliebtheit, weil sie einerseits neue Möglichkeiten in der Medizinlehre und Lehrforschung bieten und andererseits eine Lücke in der Gesundheitsversorgung nicht versicherter Menschen schließen“, erzählt Seifert.

Die Idee, in Frankfurt eine Studentische Poliklinik einzurichten, hatte Robert Sader, Leiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie an der Frankfurter Universitätsklinik und Studiendekan des Fachbereichs Medizin. Sader ist ein umtriebiger, dem humanitären Gedanken zutiefst verpflichteter Mann. Nach eigener Auskunft hat er 20 Jahre lang unentgeltlich in Rumänien medizinische Hilfe geleistet und Fachpersonal ausgebildet. Regelmäßig reist er auch für zwei Wochen nach Nicaragua und operiert dort unentgeltlich. „Eine Poliklinik im Senckenberg’schen Sinne“ schwebte Sader vor, eine Ambulanz für Bedürftige, in der Studenten der klinischen Semester alles lernen könnten, was notwendig ist, um ein guter Arzt zu sein. „Dabei geht es nicht nur um die Versorgung kranker Zuwanderer und Asylbewerber“, sagt Sader. „Es gibt auch eine große Zahl nicht krankenversicherter Einheimischer.“

Studenten für seine Idee zu begeistern, war für Sader offenbar nicht besonders schwierig. Lukas Seifert stieß bald dazu. Kompliziert und zeitaufwändig gestalteten sich zwei Dinge: Die Suche nach geeigneten Räumen für die Studentische Poliklinik in Frankfurt sowie die Beschaffung von Geld für deren Einrichtung und Betrieb. Unzählige Gespräche hat Sader in dieser Sache geführt. „Bei allen Gesprächspartnern gab es große Zustimmung für die Idee.“ Und am Ende auch finanzielle Unterstützung. Insgesamt 50.000 Euro hat der Studiendekan eigenen Informationen zufolge für sein Projekt eingeworben, unter anderem von der Senckenbergischen Stiftung. Kollegen überzeugte er von seiner Idee, das neue Wahlfach „Öffentliches Gesundheitswesen“ für Studenten der klinischen Semester zu schaffen. Das bedeutet im Klartext: Studierende, die sich in der Studentischen Poliklinik engagieren, bekommen dafür einen Schein, also einen für die Zulassung zum Examen erforderlichen Leistungsnachweis.

Nach jahrelanger Planung hat die Studentische Poliklinik in Frankfurt vor kurzem ihren Betrieb aufgenommen. Die Einrichtung hat ein eigenes EKG-Gerät, einige Laborgerätschaften für Blutuntersuchungen, ein Depot wichtiger Medikamente zur Weitergabe an Patienten – und einen Pool von mittlerweile 50 Studenten. Patienten, die um medizinische Hilfe nachsuchen, werden zunächst „aufgenommen“, also nach ihren persönlichen Daten und ihren Beschwerden befragt und körperlich untersucht. Bevor die angehenden Mediziner zur Behandlung schreiten, stellen sie der Ärztin Petra Tjarks-Jung ihre Erkenntnisse und Therapievorschläge vor. „Wir können hier nur eine medizinische Basisversorgung leisten“, zeigt Lukas Seifert Möglichkeiten und Grenzen der Hilfeleistung auf. Dass diese auch schon mal übers rein Medizinische hinaus geht, macht er deutlich an dem Fall einer jungen Mutter, die mit einer fortgeschrittenen Brustentzündung in die Ambulanz kam. Das Neugeborene, das sie gestillt hatte, war bereits infiziert und hatte eine Hirnhautentzündung. Die Studenten brachten den Säugling umgehend als Notfall in eine Klinik und versorgten die Mutter. „Dabei erfuhren wir, dass sie zwei weitere Kinder hat, vierjährige Zwillinge und dass die ganze Familie in einem Zelt campierte“, berichtet Lukas Seifert. Heute lebt die Familie in einer Wohnung, dank Intervention und Wegweisung zu Hilfsmöglichkeiten durch die Studenten.

Rund ein Dutzend Patienten kommen wöchentlich in die Ambulanz: Kranke, Schwangere kurz vor Entbindung, psychische Not Leidende. „Wir sehen hier das ganze Spektrum der Krankheiten, wie sie in einer Hausarztpraxis zu finden sind – und vielleicht noch ein bisschen mehr“, sagt Lukas Seifert. Die finanzielle Ausstattung ihrer Ambulanz macht den angehenden Medizinern indessen ein wenig Sorge. Seifert: „Die vorhandenen Mittel reichen für maximal ein halbes Jahr.“

>> Behandlung in der Poliklinik im Städtischen Gesundheitsamt, Breiten Gasse 28, jeden Dienstag von 17 bis 19 Uhr
 
15. Oktober 2014, 10.56 Uhr
PIA / Sylvia A. Menzdorf
 
 
Fotogalerie:
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