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Foto: © picture alliance/dpa/AFP-Pool | Thomas Kienzle
Foto: © picture alliance/dpa/AFP-Pool | Thomas Kienzle

Lübcke-Prozess: Tag 16

Drei Versionen, drei Anwälte und zwei Lügen

Stephan Ernst beschuldigt zwei seiner ehemaligen Anwälte, ihm zu Falschaussagen geraten zu haben. Einer von ihnen wurde nun am Montag vom Senat befragt. Auch sein derzeitiger Verteidiger musste in den Zeugenstand – und belastet seinen ehemaligen Kollegen schwer.
Der Platz links neben Stephan Ernst bleibt an diesem Verhandlungstag für einige Minuten frei. Sein Verteidiger, Mustafa Kaplan, zieht seine Robe aus und nimmt in der Mitte des Verhandlungssaals Platz. Für seine Aussage wurde er von seinem Mandanten eingeschränkt von seiner anwaltlichen Schweigepflicht entbunden. Dieser ungewöhnliche Vorgang findet am Montag deshalb statt, weil Stephan Ernst drei unterschiedliche Versionen der Tatnacht erzählt hat und im Nachhinein zwei seiner ehemaligen Verteidiger beschuldigte, ihm Teile der ersten zwei Versionen vorgegeben zu haben. Am Montag wurde nun sein Verteidiger Mustafa Kaplan über das Zustandekommen des zweiten Geständnisses befragt.

Am Morgen des 3. Juli, dem letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause, habe Kaplan eine WhatsApp-Nachricht mit einem Foto eines handgeschriebenen Zettels von Hannig bekommen, den Ernst an diesem Tag vortragen sollte. Auf diesem stand, dass Ernsts Ehefrau ihren Mann in der JVA angerufen und ihn aufgefordert habe, endlich zu gestehen. Außerdem sollte Ernst dem Gericht mitteilen, dass er die Wahrheit erzählen werde, das sei er der Familie Lübcke schuldig. Er brauche dafür allerdings noch etwas mehr Zeit. Hannig habe dazu geschrieben: „Wir lassen Ernst heute reden. Ich bringe ihm diesen Zettel, aber er spricht frei.“

Kaplan habe sich verwundert gezeigt und seinen Kollegen gefragt, ob es solch einen Anruf wirklich gegeben habe. Hannig habe daraufhin eingeräumt, dass er diesen Anruf nur erfunden habe – ebenso wie die zweite Version des Tatabends, in der Ernst behauptete Markus H. habe „aus Versehen“ auf Walter Lübcke geschossen. Er habe es als ungewöhnlich empfunden, dass ein Verteidiger ihm gegenüber solch eine Lüge einräumt, erzählt Kaplan am Montag dem Senat. Hannig habe sich mit den Worten „in einem Strafverfahren darf man ja lügen“ gerechtfertigt. „Der Angeklagte darf lügen, aber der Verteidiger nicht“, habe Kaplan geantwortet.

Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel will wissen, welche Elemente der zweiten Version Hannig erfunden habe. „Dass H. geschossen habe und dass sich der Schuss aus Versehen gelöst habe“, so Kaplan. „Auch, dass Herr H. am Tatort war?“, hakt Sagebiel nach. Kaplan verneint: „Das war keine Erfindung.“

Frank Hannig wird in zwei Wochen selbst als Zeuge vernommen und zu den Vorwürfen Stellung beziehen müssen.

Der anonyme Anrufer

An diesem Tag werden gleich zwei Männer als Zeugen vernommen, die normalerweise am Rand eines Gerichtssaals sitzen. Auch ein ehemaliger Verteidiger von Stephan Ernst nimmt am Montag Platz auf dem Stuhl in der Mitte. Es ist der Szene-Anwalt und ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzende der NPD, Dirk Waldschmidt. Der Anwalt vertrat Stephan Ernst kurz nachdem er in Untersuchungshaft genommen worden war. Wer Waldschmidt im vergangenen Jahr damit beauftragte, ist und bleibt auch nach seiner Vernehmung unklar. Ein anonymer Anrufer habe sich bei ihm gemeldet und ihm gesagt, dass Ernst in Untersuchungshaft sitze und einen Verteidiger brauche, berichtet Waldschmidt. Wer dieser Anruf war, wisse er nicht, er habe auch nicht nachgefragt. Jedoch äußert er eine Vermutung darüber, wer es nicht war: „Niemand, den ich in der rechten Subkultur einordnen würde, das würde nicht von der Sprache passen.“

Nachdem Ernst die erste Version des Tatablaufs widerrufen hatte, in der er den Mord an Walter Lübcke alleine begangen haben soll, beschuldigter er Waldschmidt, ihm finanzielle Unterstützung zugesichert zu haben im Gegenzug dafür, dass er Markus H. aus der Sache rauslasse. Ernsts Ehefrau stützte diese Aussage vor Gericht am 14. Verhandlungstag. Der Senat befragt Waldschmidt am Montag nicht zu diesen Vorwürfen. Der Anwalt wird Anfang November noch einmal in den Zeugenstand geholt.

„Ich bin stolz auf meinen Papa“

Der Prozesstag endet mit dem vollständigen Handyvideo von der Bürgerversammlung in Lohfelden. Bisher wurde nur die knapp einminütige Sequenz des Videos gezeigt, die Markus H. ausgeschnitten und auf die Videoplattform YouTube gestellt hatte.

Als das Video endet und das Licht im Gerichtssaal wieder erleuchtet, drückt Jan-Hendrik Lübcke auf den Knopf seines Mikrofons und sagt: „Ich bin echt stolz auf meinen Papa. Mit allem, was er gesagt hat, hat er auch recht.“ Er weint, als er den Saal an diesem Tag verlässt.
 
8. September 2020, 14.04 Uhr
Elena Zompi
 
 
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