„Außerordentlich schmerzlich“ nannte die Familie von Walter Lübcke am Donnerstag den Freispruch des Mitangeklagten Markus H. Auch der irakische Asylbewerber Ahmed I. reagierte enttäuscht und wütend nach dem Urteil.
Elena Zompi /
Für viele Prozessbeobachter:innen kam das Urteil an diesem Donnerstagmorgen nicht überraschend: Lebenslang für Stephan Ernst im Mordfall Walter Lübcke, Freispruch im Fall des versuchten Mordes an dem irakischen Asylbewerber Ahmed I. Wenig überraschend war auch der Freispruch des Mitangeklagten Markus H. von dem Vorwurf der Beihilfe im Mordfall Lübcke. Ebenfalls wurde von vielen eine Verurteilung H.s wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz erwartet – Markus H.s erstaunter Gesichtsausdruck bei der Urteilsverkündung lässt zumindest darauf schließen, dass diese Annahme nicht für ihn galt.
Trotzdem hat dieser Prozess zuvor häufig für unerwartete Wendungen gesorgt. Und so hat vielleicht auch die Familie Lübcke darauf gehofft, dass der Senat trotz aller Vorzeichen zu derselben Überzeugung kommt wie sie und Markus H. der Beihilfe schuldig spricht. Das Urteil gegen Markus H. sei „außerordentlich schmerzlich“ für Familie Lübcke, sagte ihr Sprecher Dirk Metz am Donnerstag nach Prozessende. Der Freispruch sei nicht überraschend, „wir sind dennoch enttäuscht“, so Holger Matt, der Anwalt der Familie.
Die Familie Lübcke gehe auch weiterhin von der Tatbeteiligung aus und glaube, dass „nicht alles vom Gericht ausgelotet wurde, was möglich war“, erklärte Metz. Ob sie Revision einlegen wolle, werde die Familie in den kommenden Tagen entscheiden. Bundesanwalt Dieter Killmer hat hingegen bereits angekündigt, Revision einlegen zu wollen. Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, Verteidiger von Ahmed I. sowie die Verteidigung Ernst und die Verteidigung H. wollten dazu kurz nach der Urteilsverkündung noch keine Angaben machen.
Nebenkläger Ahmed I. ließ nach der Urteilsverkündung eine Stellungnahme, die ins Deutsche übersetzt wurde, vorlesen. Er fühle sich verraten und sei „sehr verletzt“ und „sehr erschöpft“, schreibt er. Ahmed I. ist weiterhin davon überzeugt, dass Stephan Ernst ihn am 6. Januar 2016 von hinten mit einem Messer angegriffen hat. „Ich denke, dass die Beweise ausreichend für eine Verurteilung gewesen wären“, so Ahmed I., der während der Verlesung der Stellungnahme mit Tränen in den Augen daneben stand.
„Mein Mandant ist zurecht wütend“, sagte Rechtsanwalt Hoffmann. Die Beweiswertung im Fall seines Mandanten sei „extrem kurz“ gewesen. Der Senat begründete den Freispruch am Donnerstag damit, dass eine bei Ernst gefundene Quittung belege, dass dieser das Messer erst nach dem Angriff auf I. erworben habe. Dass Ernst später das gleiche Messer kaufte, um mit der Quittung beweisen zu können, dass er unschuldig ist, glaubt der Senat nicht, da der Angeklagte im Prozess nicht selbst auf die Quittung hinwies.