Der Journalist und Autor Stephan Hebel schreibt seit Jahren gegen die schwarz-gelbe Regierung an. Resigniert hat er dabei noch lange nicht. Im Gegenteil: Mit einem Buch will er nochmal in Schwarze treffen.
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„Ich bin durchweg Optimist“, sagt Stephan Hebel gutgelaunt und nimmt noch einen Löffel von seinem Spaghetti-Eis. Daran, dass die schwarz-gelbe Regierung im Herbst abgestraft wird, glaubt er allerdings auch nicht mehr wirklich. „Es könnte gelingen, wenn man eine klare linke Regierung in Aussicht stellt, aber das geschieht von Seiten der Opposition ja nicht.“ Jetzt im August sei es ohnehin ein bisschen spät für eine Kurskorrektur.
Stephan Hebel war jahrelang Mitglied der Chefredaktion der Frankfurter Rundschau, jetzt betätigt er sich – auch in seiner Zeitung – als politischer Autor, sein Buch trägt den Titel „Mutter Blamage. Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht“, soll aber nicht als Wahlempfehlung für eine bestimmte Partei verstanden werden. „Was ich merke ist, dass es Leute gibt, die sich freuen, dass hier etliche Argumente zwischen zwei Buchdeckeln versammelt sind.“ Was ist so falsch an Angela Merkel? Die Kommentatoren anderer Mainstream-Medien feiern die Kanzlerin auch kurz vor der Wahl noch als besonnene Krisenmanagerin, als Wegbereiterin eines sozialeren Antlitzes ihrer Partei, auch als begnadete Parteistrategin, die sich erfolgreich gegen die christdemokratischen Männerbünde durchgesetzt habe. „Was diese handwerklichen Fähigkeiten angeht, ist sie wahrscheinlich eine geniale Politikerin. Sie hat Nerven wie Drahtseile, die es ihr erlauben, in innerparteilichen Machtkämpfen als Siegerin hervorzugehen. Das muss man anerkennen.“ Nur, so sagt Hebel, sollte man in den Massenmedien darüber anerkennend schreiben? Oder lieber über Ergebnisse? „Für wen sind die Ergebnisse gut oder schlecht? Das geht zu sehr unter. Schaut Euch an, wie sich die Gesellschaft unter ihrer Regierung verändert hat unter dem für mich wichtigsten Punkt der sozialen Gerechtigkeit. Alle Daten sind in der Summe schlechter geworden. Das kann man nachweisen.“
Der Autor wirft der Kanzlerin denn auch Neoliberalismus und Nationalegoismus vor, beides Begriffe, die sie weit von sich weisen würde. „Nehmen Sie die Steuerpolitik: Bis heute lehnt sie es rigoros ab, die Krisenlast auch nur ein bisschen umzuverteilen. Trotzdem schreiben Medien wie die Zeit jede Woche, Frau Merkel würde die gleiche Politik machen wie die Sozialdemokratie. Das ist schlicht und einfach nicht wahr.“ Der Sozialdemokratie und ihrem Kandidaten Peer Steinbrück traut Stephan Hebel den Sieg nicht mehr zu, aber – damit sei an dieser Stelle das Ende seines Buches schon verraten – es gäbe dennoch eine Lösung. Wechselnde Mehrheiten im Parlament, die Abgeordneten rein ihrem Gewissen verantwortlich. So steht es zwar im Grundgesetz, doch: Wer richtet sich bei aller Parteiräson, bei allem Fraktionszwang danach? „Es könnte funktionieren“, glaubt der Optimist. Das Eis ist alle. Herr Hebel, ist es nicht frustrieren, Merkel nicht durch Worte verhindern zu können? „Ach“, sagt der, „frustrierend ja, aber der Frust relativiert sich dadurch, dass ich nie glaubte, Merkel verhindern zu können, in dem ich gegen sie anschreibe.“ Nils Bremer
>> Mutter Blamage Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht. Westend Verlag, 160 Seiten 13,99 €, Lesung: Ffm, Cafe Wiesengrund, Am Weingarten 14, So 15.9., 11 Uhr