Das Rhein-Main-Gebiet im Westernhagen-Fieber: Gestern stellte Marius sein neues Album im Capitol vor, heute kommt Tochter MiMi ins Nachtleben. Im Interview erklärt sie ihre Indie-Pop-MiMi-Versum.
Patrick Sudarski/Warner Music /
Kannst du uns erzählen wie die Songs für dein neues Album zustande kamen?
MiMi: Die Songs sind so ziemlich mein Tagebuch. Deswegen hab ich auch immer weitergeschrieben, auch weil es ein bisschen wie eine Therapie ist. Wenn ich ein starkes Gefühl habe versuche ich es in einen Song zu packen. Es ist ein Bruchstück meines Lebens – eine Art Kreuzung. Da sind viele Stimmungen untergebracht von sehr traurigen, reflektierten bis zu Momenten in denen ich sehr glücklich und stark war.
Was hat dich am meisten im Aufnahmeprozess überrascht?
Ich war wahnsinnig überrascht als unser Produzent Stephen Street entschied Sachen zu nutzen die ich zuhause geschrieben habe. Zumindest die Demotracks. Es war eine unglaubliche Erfahrung mit dem Produzenten zu arbeiten der auch für Blur, The Cranberries, The Smiths gearbeitet hat. Einige meiner absoluten Helden. Irgendwie hab ich auch erwartet das er sagt „Nichts davon ist richtig, lass uns das besser machen“. Tatsächlich war er überzeugt von dem was ich zuhause gemacht habe und fand es interessanter und aufrichtiger als alle Möglichkeiten eines Studios zu nutzen. Das haben wir dann mit den Aufnahmemöglichkeiten im Studio gemischt. Davon war ich sehr überrascht.
Was ist die wichtigste Botschaft die du mit deiner Musik kommunizieren möchtest?
Der Grund warum ich Musik schreibe ist einfach das ich Gefühle kommunizieren möchte und einfach sehr an Menschen interessiert bin, was sie machen und wie sie sich fühlen. Ich bin eigentlich ein recht einsamer Mensch, fast ein Outsider. Aber naja... Wenn man Musik schreibt und die auch unter die Leute bringt ist das eine Art der Kommunikation die sagen soll: „Fühlt ihr das auch?“ Das beste ist für mich wenn ich ein Feedback bekomme von jemandem der dieses Gefühl auch teilen kann.
Du hast ja einen deutschen Vater und eine englische Mutter. Was ist das wirklich deutsche und englische in Dir?
Ich muss mir da schon manchmal was von meinen englischen Freunden anhören. Wenn ich irgendwas gemacht habe, sie die Augen verdrehen und sagen „Das war jetzt so deutsch!“ Und viele von meinen deutschen Freunden würden ein andermal sagen „Das war jetzt so englisch!“ Natürlich bedienen wir da Stereotypen wenn wir schauen was wirklich deutsch oder englisch ist, weil wir ja alle Individuen sind und eben sehr unterschiedlich. Ich schätze trotzdem das das Englische an mir ist das ich mich ständig für mich selbst entschuldige. Ich denke das werde ich nicht los. Es macht jeden Prozess in dem ich mich befinde etwas langsam. Das deutsche? Ich weiß nicht. Ich denke der Stereotyp ist sehr effizient zu sein und ich bin wirklich immer pünktlich. Es schmerzt mich geradezu zu spät zu sein. Vielleicht kommt das von meiner deutschen Seite, aber eigentlich will ich da gar nicht so viel verallgemeinern.
Hast du trotzdem das Gefühl das beste aus beiden "Welten" zu haben?
Ich kann mich wirklich glücklich schätzen zwei Kulturen in mir zu haben. Je mehr Erfahrungen man von verschiedenen Ländern, Menschen und Haltungen man haben kann, sogar von Essen und Kunst. Je mehr Erfahrungen man im Leben machen kann umso besser ist man auch ausgebildet in der Welt die einen umgibt. Umso interessanter wird auch das Leben an sich. Ich bin da wirklich sehr froh das es diese beiden Kulturen in mir gibt.
Wenn du dich zwischen beiden Ländern entscheiden müsstest - wo würdest du am Ende leben wollen?
Wenn ich mich entscheiden müsste würde ich wahrscheinlich nach Thailand ziehen. (lacht) Um ehrlich zu sein fühl ich mich eher englisch. Ich bin in England aufgewachsen, ich spreche die Sprache, bin dort geboren. Das heißt aber nicht das Deutschland nicht auch mein Hintergrund und Teil meiner Kultur ist.
Da du ja die meiste Zeit deines Lebens in England verbracht hast, würdest du sagen das du gerade deine deutsche Seite mehr entdeckst?
Absolut. Diese Seite entdecke ich gerade und bin daran auch sehr interessiert. Es ist Teil meiner Wurzeln, 50% von mir, ein Teil meiner Herkunft. Ich hab davon nicht soviel mitbekommen als ich klein war. Deswegen empfinde ich es gerade als großartige Chance hier etwas Zeit zu verbringen, mir Orte anzuschauen, Menschen zu treffen. Mich eben dieser Seite von mir anzunähern. Jedes mal wenn ich hierher komme wird das mehr und mehr.
Kannst du dich erinnern wann und wie der Wunsch entstanden ist Musik zu machen?
Ich hab angefangen Songs zu schreiben als ich 7 Jahre alt war. Ich war also sehr jung als mich die Faszination traf Lärm zu machen – es war wohl eher Lärm als ich angefangen habe. Tatsächlich fing alles an weil meine Mutter das Piano ihrer Großmutter vererbt bekam. Es war im Haus und natürlich einfach die Tasten zu drücken und Lärm zu machen um zu sehen was passiert. Das hat mich als Kind schon sehr fasziniert – meine eigenen Songs und Melodien zu kreieren. Ich liebte es schon immer zu singen seitdem ich ein Baby war. Meine Mutter hörte viel Soul. Ich schätze es waren eine Menge Dinge die da einen Einfluss hatten. Es war und ist das was ich liebe. Wer möchte nicht das es sein Job ist das zu tun was er liebt?
Wirst du in England auch als deutsche Künstlerin wahrgenommen oder umgekehrt?
Ich glaube nicht das mich in UK jemand als deutsche Künstlerin sieht. Ich benutze meinen deutschen Nachnamen nicht, spreche Englisch und klinge sehr Englisch da ich in London aufgewachsen bin. Ich glaube nicht das dort jemand diese Seite von mir sieht. Natürlich spreche ich darüber weil es eine Seite von mir ist. Die Musik die ich mache ist aber auch sehr persönlich und daher ist es interessant zu wissen wo ich herkomme. Hier in Deutschland denken aber auch viele, dass ich gut deutsch spreche und sehr deutsch bin. Am Ende sind sie oft sehr überrascht dass ich in England aufgewachsen bin.
Du hast vor einer Weile ja noch ganz andere Musik gemacht. Auch auf dem neuen Album sind einige verschiedene Stile zu hören. Wie groß ist deine Neugier musikalisch neue Sachen auszuprobieren?
Ich bin wahnsinnig neugierig, wie ein Kind im Süßwarenladen sozusagen. Generell variiert das auch sehr stark was ich selbst so höre. Mit der Musik ist es wirklich so das ich alles höre was gut ist. Klingt wie eine Ausrede aber so ist es nun mal. Ich bin sehr begeisterungsfähig was neue Sounds angeht, neue Genres und verschiedenste Beats und Melodien. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Wegen mich selbst auszudrücken. Mit Stilen zu jonglieren lässt sich ganz klar nicht vermeiden.
Dabei bleibt es ja nicht. Du schneiderst deine Sachen selbst, arbeitest mit an dem Artwork. Kannst du beschreiben was dich antreibt in jeglicher Hinsicht kreativ zu sein?
Ich muss ständig etwas erschaffen und nach neuen Wegen Ausschau halten mich auszudrücken. Malen und Zeichnen – damit hat es wohl angefangen. Es war immer etwas bei dem Spaß der Antrieb war. Meine Mutter und ich habe kein Fernsehen geschaut, wir haben nicht wirklich normale Dinge getan. Wir haben zusammen gemalt, Menschen aus Pfeifenbürsten gebastelt und so Sachen. Es war irgendwie alles ganz normal für mich kreativ zu sein, Dinge zu erschaffen und dabei Spaß zu haben.
Was ist das perfekte Umfeld für dich um Songs zu schreiben?
Wirklich dann wenn ich allein bin und es keine Ablenkung gibt. Oft eben mein Schlafzimmer, dort wo ich mich wohl fühle. Ich mag die Idee nicht das jemand zuhört und möchte tun was ich mag ohne das mich da jemand beurteilt. Es ist ein sehr privater Prozess. Das perfekte Umfeld ist wohl wirklich das Schlafzimmer.
Ist es manchmal schwer für dich deine Songs an die Band oder Produzenten weiter zu tragen, wo es doch scheint als wären sie sehr persönlich?
Ja, es ist wirklich extrem schwer wenn du einen Song hast den du sehr magst. Das ist Teil des Vertrauensprozesses den man mit seiner Band hat. Die Jungs die deine Musik spielen, werden die dann lachen und denken dass das alles ziemlich lame ist? Vor allem wenn man etwas jünger ist, ist das wirklich schwer. Besonders weil viele der Songs aus einem starken Gefühl entstanden sind. Sie kommen also wirklich aus dem Inneren und man öffnet sich da schon sehr. Um ehrlich zu sein wird es aber auch nicht wirklich einfacher.
Wenn du deinem 16jährigen Alter Ego einen Brief schreiben könntest, was würdest du ihr raten zu tun, wohlwissend was auf sie zukommt?
Ich würde sagen...Entspann dich bitte! Es ist nicht so wichtig wie du vielleicht denkst.
Du hast mal gesagt das du dich immer über unkonventionelle Künstler freust die im Radio auftauchen. Bist du manchmal genervt von der Diskussion über Major oder Indie?
Nein, find ich gar nicht nervig. Ich denke dass das eine ganz wichtige Diskussion ist. Da ist soviel wichtige Musik da draußen die von guten Bands ist und es auch raus schafft. Es muss dafür einen Grund geben und dessen sollten wir uns auch bewusst sein. Da gibt es soviel was jeder verpasst. Es gibt unglaubliche Musik die man finden kann, die ganz anders als der Mainstream ist. Ich fühle mich wie eine Entdeckerin, ich entdecke gern neue Musik. Es ist doch traurig immer wieder die selben Hits zu spielen, die am Ende noch nicht mal vom Künstler selbst kommen. Am Ende ist das dann immer nur eine riesige Masse von Sound. Es ist schon wichtig das man diese interessanten Künstler die einen interessanten Sound haben ins Radio bringen kann oder dort hört. Es passiert ja auch. Wir haben ein paar wunderbare Sachen in den Charts. Es freut mich immer sehr zu sehen wenn es gute Leute schaffen.
Du kommst ja im April wieder auf Deutschlandtour und warst ja auch schon hier. Was ist das besondere am deutschen Publikum?
Der Unterschied, den ich ausmachen kann wenn ich Shows in England spiele ist das sich die Leute bedanken und dann Richtung Tür marschieren. In Deutschland bleiben die Leute immer einen Schritt zurück, dafür ist es umso schöner mit ihnen nach dem Konzert zu reden. Das ist nicht einfach für mich weil ich wirklich schüchtern bin. Ich bin immer daran interessiert was die Leute sagen und wie sie sich auf die Musik beziehen. Ich mag es Menschen zu treffen auch wenn es eben schwer ist weil ich schüchtern bin. Ich denke das deutsche Publikum ist etwas offener. Sie sagen gern Hallo und das was sie denken.
Wie können wir uns deine aktuelle Liveshow vorstellen? Kannst du uns ein Bild geben?
Ich muss glaub ich erstmal erklären das die Jungs aus der Band und ich Freunde sind. Was du also siehst ist eine Gruppe Freunde die machen was sie lieben. Es ist ein sehr persönliches Umfeld, wir holen dich sozusagen in unseren Proberaum. Es ist klein und intim. Wir sehen dich dort also auch. Wir performen nicht nur und nehmen das so mit. Du bist ein Teil davon. Es wird wohl jedes mal anders sein. Ich bringe gern persönliche Elemente mit zur Show. Es kann also alles passieren. Ich denke meine Drucke und Mode werden wohl auf einigen Menschen auf der Bühne zu finden sein. Bemalte Gitarren, eine Menge Artwork und eine sehr emotionale Atmosphäre.
Mimi & The Mad Noise Factory 9.4. Frankfurt, Nachtleben