Vor Gericht: Der Querulant

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Christoph Schröder /

Live aus dem Frankfurter Amtsgericht: Unterlassene Hilfe oder Der sture Hausmeister.

Die deutsche Hausmeistermentalität ist ein schönes Klischee. Aber gibt es sie wirklich? Hat sie sich hier ihren Platz gesucht? Oder war alles nur ein Missverständnis? Herr M., 71, ist angeklagt, weil er sich im Dezember 2005 in seiner Funktion als Hausmeister einer großen Wohnanlage in Fechenheim geweigert haben soll, einem Rettungswagen die Feuerwehrzufahrt aufzuschließen und den Personenaufzug zu erweitern. Aufgrund dessen musste eine Patientin, bei der der Verdacht auf Herzinfarkt bestand, mühsam umgebettet und im kalten Nieselregen etwa 100 Meter über den Hof gerollt werden – ohne Folgen, glücklicherweise.

Aber was heißt da Nieselregen? Ein schöner, trockener Tag sei das gewesen, sagt Herr M. Wollte man den Begriff des Querulantentums neu definieren – er könnte bestimmt helfen. Und überhaupt sei er ja kein Hausmeister gewesen, sondern nur die Vertretung, von Schlüsseln habe er keine Ahnung, er habe gar nicht öffnen können und vor allem sei der Rettungswagen gar nicht als solcher erkennbar gewesen. Plötzlich habe da so ein Mann in seinem Büro gestanden und ihn angeschrien und angepackt und bedroht. Das war dann wohl der Notarzt. Insgesamt klingt alles recht wirr.
Der Rettungssanitäter ist auch nicht gerade hilfreich für Herrn M. – ein angeschaltetes Blaulicht und knallrote Rettungssanitäterwesten dürften wohl als Identifizierung ausreichen, meint er nicht ganz zu Unrecht. Der Notarzt, Dr. G., ist immer noch ziemlich empört. Seine Aussage klingt präzise. Von Schlüsseln habe ihm M. nichts gesagt; nur, dass er seit 17 Uhr Feierabend habe (es war 17.05 Uhr) und dass dies eine Feuerwehr- und keine Notarztzufahrt sei. Auch der Richter wird nun zusehends ungehalten angesichts des renitenten Verhaltens von Herrn M., der sämtliche Ratschläge seines Anwalts ignoriert.

Zweiter Verhandlungstag, Auftritt von Herrn K., mittlerweile wegen Alkoholismus entlassener Hausmeister, der aussagt, Herr M. habe sich im Besitz sämtlicher Schlüssel befinden müssen. Der schlägt immer neue Volten: Ihm habe man mitgeteilt, die Auffahrt sei für schwere Fahrzeuge nicht sicher et cetera. Irgendwann reicht es auch dem Richter – er verdonnert Herrn M. zu 100 Tagessätzen à 12 Euro, spricht in seiner Begründung von „hanebüchenen Aussagen“ und greift die Einschätzung des Notarztes auf, Herr M. sei „therapieresistent“. Als Hausmeister wird er wohl nicht mehr arbeiten.

Erschienen am 22. August 2006 in der Print-Ausgabe des Journal Frankfurt; Illustration: Peter O. Zierlein

Die aktuelle Kolumne findet Ihr im Journal Frankfurt.


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