Tafelwasser für Flaschensammler

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Alicia Lindhoff /

aufmacherDie Schriftstellerin Sonja Ruf schrieb einst einen Brief an die Frankfurter Stadtverwaltung, in dem sie forderte, extra Behälter für Pfandflaschen neben den normalen Mülleimern an öffentlichen Plätzen aufzustellen. Auf diese Weise, so schrieb sie, bliebe den Scharen von Flaschensammlern die Erniedrigung erspart, in Essensresten, Zigarettenkippen und Kaugummis wühlen zu müssen, um an ihr Ziel – und damit an ein paar Cent- zu kommen.
Auf diesen Brief bekam Sonja Ruf niemals eine Antwort und über die wenigen getrennten Müllbehälter an den Gleisen hinaus, die schon vorher da waren, hat keiner ihrer Vorschläge je Verwendung gefunden.
Das ist schade, denn durch das Wühlen im Müll wird das Flaschensammeln in unserer Wahrnehmung zu etwas, dass es nicht sein sollte: Es wirkt auf uns assozial, wenn nicht kriminell. Dabei ist es völlig legitim und aus ökologischer Sicht sogar wünschenswert, weggeworfene Pfandflaschen zurückzugeben.
Umso schöner ist es, zu hören, dass eine ganz andere Einrichtung jetzt ihren Fokus auf die Pfandsammler richtet: Die Frankfurter Tafel.
„Menschen, die Flaschen sammeln, kommen nur sehr selten zur Tafel, weil sie zu stolz dafür sind. Häufig sind sie gerade dabei, aus dem System rauszufallen, versuchen aber immer noch, sich eigenständig über Wasser zu halten und wollen keine Hilfeleistungen annehmen.“, erzählt Edith Kleber, Vize-Vorsitzende der Frankfurter Tafel.
Um diese Zielgruppe, die sich gar nicht als Zielgruppe wahrnimmt, zu erreichen, haben die kreativen Köpfe der Werbeagentur Leo Burnett in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Tafel etwas ganz Besonderes ersonnen: Eine Plastikflasche, die auf den ersten Blick aussieht, wie jede andere Bonaqua-, Vittel-, Aldi- oder Lidl-Pulle. 1,5 Liter-Volumen, blaues Etikett, „Tafelwasser“ steht drauf. Erst auf den zweiten Blick merkt man: Irgendwas ist da anders. Ein Logo aus Messer, Gabel und Löffel ziert die Flasche und in weißer Schrift steht darunter: „Gegen Abgabe dieser Flasche erhalten sie eine Tüte mit Lebensmitteln.“. Anstelle der Mineralstoffangaben sind die verschiedenen Lebensmittelausgaben in Bonames, Fechenheim und Offenbach aufgelistet.
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Mit den Flaschen als Medium will man die Menschen „da abholen, wo sie stehen“ und ihnen die Scheu davor nehmen, sich helfen zu lassen, erklärt Hans Jürgen Kämmerer, Creative Director bei Leo Burnett, von dem die Idee für Aktion stammt. „Wir haben jetzt die ersten Flaschen hier am Hauptbahnhof verteilt und sogar schon einige Sammler beobachten können, die welche von unseren Modellen rausgefischt haben. Am Bahnhof sind die meisten von ihnen unterwegs, aber in den nächsten Wochen werden wir das Ganze noch ausweiten und auch die Gegenden um die anderen großen Stationen in der Innenstadt mit unseren Flaschen ‚bestücken’.“
Bleibt nur zu hoffen, dass viele der Flaschensammler das Angebot annehmen, vielleicht müssen sie dann ein paar stinkende Mülleimer weniger am Tag durchwühlen…
Sammlerklein


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