Vom Hörspiel zur Performance. Im Mousonturm kommt Augst/Birkes „Stadt der 1000 Feuer“ auf die Bühne. Mit einem tollen Ensemble und präsentiert vom JOURNAL FRANKFURT.
Detlef Kinsler /
Feiner Zwirn, Einsteck- oder wohl drapiertes Halstuch, akkurat zurückgekämmtes Haar, gepflegte Konversation. Nicht wenige würden ihn einen Bonvivant nennen. Zum Interview auf dem Hausboot reicht Oliver Augst französischen Cognac zum Kaffee, Schäferhund Louis wacht derweil über das schwimmende Heim und sein Herrchen spricht über eines seiner Lieblingsthemen: Arbeit. Schon 1998 veröffentlichte er mit seinem Langzeit-Verbündeten Marcel Daemgen und Christoph Korn ein Album zum Thema mit Brecht/Eisler-Material. Auch die aktuelle Produktion mit Autor John Birke, „Stadt der 1000 Feuer“, im Mousonturm ist dem Broterwerb gewidmet. Vom glühenden Eisen über die Produktionsbänder bis zu den Soft Skills der postindustriellen Informationsgesellschaft. Und Augst wäre nicht Augst wenn nicht auch das Selbstverständnis des Künstlers in die Audio-Inszenierung des schon als Hörspiel erfolgreichen Stückes einfließen würde. „Wir sind alle selbstständig Bastler und rund um die Uhr am Arbeiten, aber wir haben aber nicht mehr den Ruß im Gesicht wenn wir von der Maloche kommen, man sieht den Schweiß nicht mehr“, weiß Augst sich und seine Spezies oft mit dem Problem konfrontiert, sich legitimieren zu müssen: der Künstler in Zwielicht, schafft der denn überhaupt etwas? Das wird kokett aufgenommen in einen Song. „Wir brauchen keine Arbeit, wir haben immer was zu tun“ heißt es da. Die Kritik an der Kritik bleibt, auch und vor allem am Kulturverständnis in großen Teilen unserer Gesellschaft und an der Lustfeindlichkeit: Darf Geldverdienen auch Spaß machen?
Auch wenn der „Arbeiterdichter“ Bruno Schönlank mit „Der gespaltene Mensch“ von 1927 zitiert wird, bekennt Augst, der keine Angst hat, dass „1000 Feuer“ auch als „Lehrstück“ verstanden wird: „Wir haben keine Weisheiten zu versprühen, wir spielen mit dem Begriff. Wir sind alle immer von diesem Arbeitsethos vollgepumpt, jeder definiert sich über seine Arbeit und wenn man jemand neu kennenlernt, fragt man als erstes: und womit verdienst Du Dein Geld? Unser Dasein ist extrem von diesem Denken geprägt und wir leisten uns jetzt mal lässig damit herumzujonglieren.“ Für diese Kunststückchen haben sich Augst und Birke, die auch als Regisseure fungieren, der Mithilfe eines 45-köpfigen Chores („Ein Sample unserer Gesellschaft.“) und vier illustrer Solisten versichert. Françoise Cactus, Bernadette La Hengst, Frieder Butzmann und Sven-Åke Johansson, zwei Frauen, zwei Männer, als Sprecher/Sänger/Spieler. Nach welchen Kriterien wurde das Quartett ausgewählt? Jedenfalls nicht übers Besetzungsbüro der Hörspielredaktionen. „Wir wollten keine professionellen Schauspieler, keine Alleskönner, sondern Typen, seltsame Figuren“, betont Augst. Die krude Stimme des schwedischen Schlagzeugers Johansson, der dozierende Singsang des „Genialen Dilettanten“ Butzmann, die frische freche Hamburger Schule der La Hengst und die Berliner Barbarella mit charmant französischen Akzent, Mademoiselle Cactus. „Stimmen mit Haltung“, so Augst. „Und das Stück lebt auch davon, was sie mitbringen und dass sie sich in keinster Weise verkleiden müssen.“ Detlef Kinsler
>> Augst/Birke, Stadt der 1000 Feuer, Ffm., Mousonturm, 19.-21.10., 20 Uhr, Eintritt: 17,–