Nicht mehr auf die gewohnte Location, den idyllischen Platz vor der Rüsselsheimer Festung, konnte das seit 2006 veranstaltete Phono Pop-Festival aufgrund baulicher Maßnahmen in diesem Jahr zurück greifen. Statt dessen mussten die Veranstalter, darunter das Team des Jugendzentrums „Das Rind“, auf das Opel Werksgelände in Bahnhofsnähe umziehen. Auf dem Werkshof fand sich ausreichend Platz für zwei Bühnen, und zudem wurden die Anwohner nicht mit Lärmbeschallung gestört. Passend begann das Programm am Freitag Nachmittag mit den Elektronikbands Urlaub in Polen und Fnessnej aus Darmstadt, die beide Worte oder Stimmen nur als unterstützendes Element einsetzen. Als danach die amerikanische Metalcore-Formation Heath an den Start ging, klang dies, als wären bei Opel wieder die Fräsmaschinen in Betrieb, wenn man sich noch Gesang und Drums dazu denkt. Konstantin Gropper von Get Well Soon erklärte sich gleich einmal mit den Werksarbeitern solidarisch und gestand, dass sein Vater einst einen Manta besaß. Ansonsten stand der melancholisch-getragene Sound im bewussten Kontrast zu härten Bands wie Turbostaat oder den kanadischen Noise-Rockern Japandroids, weshalb Gropper meinte, sie seien an diesem Abend wohl die Softies. Samstags übertrugen die Veranstalter sogar das WM-Spiel um den dritten Platz auf einer Leinwand, worunter die Resonanz der Auftritte von Gisbert zu Knyphausen und Jochen Distelmeyer etwas litt. Distelmeyer, inzwischen eher Schmuse- denn Diskursrocker, ignorierte Fußball-Zwischenrufe schlichtweg und erklärte, er sei heute im Auftrag der Liebe unterwegs. Doch nicht allein die umjubelten Headliner Distelmeyer, Knyphausen oder die Schweden Friska Viljor überzeugten. Auch unter den weniger bekannten Bands konnte man Entdeckungen machen, wie etwa die Wahlberliner Trip Fountaine mit Lärmwellen á la Pavement, die Belgier Mintzkov mit Gitarrenrock zwischen Interpol und Editors oder die deutsch-dänische Elektronikpop-Band Spurv Laerke, die mit ihren sphärischen Klanggebilden an Björk oder Röyksopp erinnern. Schade nur, dass das Line-Up der vielseitigen Zusammenstellung mitunter so eng lag, dass sich einige Auftritte überschnitten. Sowohl Knyphausen, Turbostaat als auch Spurv Laerke treten am 27.8. erneut beim Folklore 2010 im Wiesbadener Schlachthof auf. Bleibt zu hoffen, dass der positive Publikumszuspruch auch im nächsten Jahr anhält, wo man eventuell wieder zur Rüsselsheimer Festung zurück kehren kann. Gregor Ries