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Dosch@Berlinale 2011: Berlin stirbt. Nein, wirklich!

Andreas Dosch /

Während sich rund um den Potsdamer Platz schwarz bemäntelte, mobiltelefonierende Filmbranchenheinis furchtbar „busy“ gegenseitig auf die Füße treten und man, wenn man nicht aufpasst, entweder von denen, von neugierigen Touristen oder abgerissenen Figuren mit Unterschichtshintergrund umgerannt wird, während sich Blechkarawanen hupend und Verkehrsregeln missachtend durch die Hochhausschluchten schieben – währenddessen ist Berlins ehemals goldene Mitte rund um Kufürstendamm und Gedächtniskirche ein einziges Bild der Trauer.

Gestern fuhr ich mit dem Bus die Budapester Straße entlang. Da, wo einst sogar mal die Berlinale beheimatet war (lange ist's her), wo einem ein sichtlich beschickerter Harald Juhnke vom Werbeplakat eines China-Restaurants angrinste, dort, wo der stattliche Zoo-Palast stand, das große Premierenkino, eines der schönsten in ganz Deutschland. Der Zoo-Palast steht zwar immer noch, ist aber anno 2011 Teil einer umzäunten Mega-Baustelle. Mir kamen fast die Tränen bei dem Anblick, mein einstiges (Berlinale-) Lieblingskino derart bloßgestellt zu sehen, als hätte man ihm die traditionelle – zugegebenermaßen etwas in die Jahre gekommene – Ehrwürdigkeit gewaltsam von der Fassade gerissen. Okay, das Gebäude soll renoviert und 2013 in neuem Glanz als Festival-Ort reaktiviert werden, aber trotzdem: Es ist ein Jammer. Somit spielt sich die Berlinale diesmal komplett in „Mitte“ ab. Eine Tatsache, die auch dem Portier meines kleinen Charlottenburger Stammhotels, in dem ich nun schon seit gut 10 Jahren unterkomme, nicht entgangen ist: Die Reservierungen sind dieses Jahr weniger geworden.

 Wo wir gerade bei negativen Entwicklungen sind: Wie bereits in der Kino-Kolumne des aktuellen JOURNAL FRANKFURT vermerkt, glänzt der iranische Regisseur Jafir Panahi bei den Filmfestspielen durch Abwesenheit. Die wurde ihm vom Regime des Iran auferlegt – sechs Jahre Haft plus 20 Jahre Berufsverbot – , weil es es „wagte“, in seinen Filmen regierungskritische Töne anklingen zu lassen. Panahi sollte 2011 Teil der Jury unter Präsidentin Isabella Rosselini sein; eine Einladung, die er leider nicht annehmen konnte. Hier auf der Berlinale ist das ein großes Thema. Nicht zuletzt, weil man aus Protest gegen dieses Menschen verachtende Urteil hurtig eine Panahi-Retro plus diverse Solidaritätsveranstaltungen ansetzte, die sich regem Andrang erfreuen. Viele Promis von der Bruno Ganz- und Iris Berben-Sorte kamen etwa zum Screening von Panahis bekanntestem Film „Offside“, um ihre offene Bestürzung in die zahlreichen Kameras zu demonstrieren. Ob es etwas nützt, sei dahingestellt, aber die Solidarität in der Filmbranche ist wirklich stark. Frei nach einem aktuellen deutschen Wettbewerbstitel: „Wer, wenn nicht wir?“

Auch der gebürtige Frankfurter Filmemacher Cyril Tuschi, der mittlerweile – wie so viele – seinen Tätigkeitsbereich in die deutsche Hauptstadt verlegte, hat Ärger mit den Mächtigen. Sein zweiter Langfilm, die Dokumentation „Khodorkovsky“, handelt über eben jenen russischen Oligarchen Michail Chodorkowski, der es wagte, sich mit Vladimir Putin anzulegen. Die spannende Doku läuft in der Panorama-Sektion, sorgte schon vorab für jede Menge Mundpropaganda und ist ein heißer Anwärter auf den Panorama-Publikumspreis, der sehr oft an brisant-emotionsgeladene Dokumentarfilme geht. Tuschi jedenfalls erlebte die lange Hand der dunklen Seite quasi am eigenen Leib, als man ihn nicht nur während der Dreharbeiten in Russland offen bedrohte, sondern eine Woche vor Beginn der Berlinale in seine Berliner Produktionsräume eingebrochen und das komplette Filmmaterial entwendet wurde. Wer bitteschön mag da an „Zufall“ glauben? Ein rotes Gummibärchen vielleicht. Zum Glück hatte Tuschy bereits dem Festivalkommittee eine fertige Kopie des Films zugesandt, einer Aufführung stand so nichts mehr im Wege. Putin dürfte dies nicht erfreut haben. Gott sei Dank sitzt nicht mehr Gerhard Schröder auf dem deutschen Chefsessel. Der Gerhard hätte seinem „Duz-Freund“ Vladi sonst sicher eine Gefälligkeit nicht abschlagen können. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal die Kanzlerschaft von Angie Merkel als etwas Positives empfinden würde. 

Na ja, ausnahmsweise ...


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