Es gibt Bücher, die würden trotz einer Lesung kein Interesse beim geneigten Leser finden. Und es gibt Bücher, die verkaufen sich auch ohne Lesung wie geschnitten Brot.olch ein Buch ist „Die Akte Rosenherz“, der neue und mittlerweile vierte Kriminalroman von Jan Seghers, und wie üblich ist die Buchpremiere in der Deutschen Nationalbibliothek hoffnungslos ausverkauft. Jan Seghers alias Matthias Altenburg lässt lesen, und das von keinem geringeren als dem Münchener „Tatort“-Kommissar Miroslav Nemec. Warum man hier nicht auf die Kollegen vom Frankfurter „Tatort“ zurückgegriffen hat, bleibt mir auch nach der dritten Lesung dieser Art immer noch ein Rätsel, aber vermutlich sind es persönliche Gründe Altenburgs. Der große Saal der Deutschen Nationalbibliothek ist mit leichtem Frauenüberhang bis auf den letzten Platz besetzt, und nachdem die Programmleiterin des Rowohlt Verlags ihre Begrüßungsworte vom Blatt abgelesen hat, setzt uns der Autor persönlich kurz mit einem fiktiven FAZ-Artikel von 1966 ins Bild des ungelösten Falls Helga Matura, den es wirklich gegeben hat und der durch seine Ähnlichkeit mit dem Fall Nitribitt eine entsprechende Medienwirksamkeit erreichte. Dann gehört die Bühne Miro, wie er freundschaftlich von Altenburg genannt wird. Schon nach den ersten paar Seiten gehört das Publikum ihm, hängt an seinen Lippen und wartet brav auf sein Kommando: Bitte husten Sie jetzt! Normalerweise habe ich das vorgelesene Buch vorher gelesen, diesmal nicht, was sich als vorteilhaft erwies. Die ausgewählten Passagen waren ein gutgewählter Anriss des erzählten Stoffes, und man kann sie spüren, diese Spannung, die einen guten Krimi ausmacht. Wenn ich jetzt das Buch lese, wird mir der von Nemec bestens intonierte röchelnde Raucherhusten von Boulevard-Journalist Grüther sofort präsent sein, und die Namensnennung des Staatsanwalt TERRY Köhler wird jedes Mal wie ein Pistolenschuss in meinen Ohren knallen, das rockt ungemein! Auch verzeihe ich Nemec die „Puerto-Rico-Ficki-Ficki-Bar“, der Gag war zu gut, auch wenn ich damit als Landeskundiger nicht ganz einverstanden bin, egal, ob das Jack Nicholson im Film gesagt hat oder nicht. Leider wird der alte Fall nur im Roman gelöst, aber Altenburg versichert auf Nachfrage aus dem Publikum, dass derjenige, von dem er glaubt, dass er es gewesen sein könnte, längst in einem hessischen Gefängnis verstorben sei. Damit können wir doch beruhigt in die Lektüre einsteigen. Text: Tom Tizian, Foto: Stephan Jockel