Es ist ein ungeschriebenes Gesetz – keine Affären am Arbeitsplatz. Und schon gar keine Beziehungen in einer Band, auch wenn es bei John und Yoko und Paul und Linda funktioniert haben mag. Bei Katja Werker war plötzlich der Freund und damit der Drummer weg. Warum sie allerdings der ganzen Band lustig gegangen ist und sie nicht mal – wie angekündigt – mit einem Bassisten kam, wurde am Konzertabend nicht erklärt. Die Künstlerin entschied für einen Soloauftritt, erst mal – zumal bei Singer/Songwritern – nix Schlechtes. Aber die Konsequenz, die sie aus ihrem zunächst kryptisch formulierten, später dann aufgeklärten „Ich bin solo – im wahrsten Sinne des Wortes“ zog, war die komplett falsche. Denn Werker entschied sich, die nicht mehr vorhandenen Mitmusiker zu simulieren durch den Einsatz von – sic! – Playbacks. Ja, sind wir denn bei Madonna oder gar den Pussycat Dolls?
Dass Sänger, Sängerinnen, die sich auf der Gitarre oder am Klavier begleiten und – auch aus wirtschaftlichen Gründen bei noch kleinerem Bekanntheitsgrad – allein touren, oft auf technische Mittel zurückgreifen, daran hat man sich gewöhnt. Früher war's die kleine Rhythmusbox (meist dilettantisch, aber charmant eingesetzt), dann Loops und zuletzt kleine Gerätschaften, die es erlauben, Gesangsspur auf Gesangsspur zu türmen (das gleiche geht auch mit dem Instrument) und so zu Chor- und Orchesterstärke zu gelangen. Mal 'ne schöne Sache, auf Dauer aber eben auch redundant und nevig, aber immer noch besser als Playback. Denn das geht gar nicht, jedenfalls nicht bei eigentlich subtiler, sehr smart instrumentierter Songpoesie wofür Katja Werker eigentlich steht und wofür sie auch schon entsprechenden Medienfeedbacks bekommen hat.
Im totalen Kontrast zu ihren „überbelichteten“ blonden Postern (identisch mit dem letzten CD-Cover), trat sie ganz in Schwarz auf die fast leere Bühne (ein Kofferverstärker, zwei Gitarren, ein fünfarmiger Leuchter aus dem Foyer für die Atmo) der Brotfabrik und wirkte irgendwie deplaziert. Schon schnell kam die (unsichere) Frage, ob denn die Playbacks gefielen? „Zu laut“, rief tatsächlich einer aus dem Sitzpublikum. Oh Mann, diese Couch-Potatoes-Generation. Man sollte sie mit einem Motörhead-Konzert bestrafen. Ansonsten schien ihnen das Playback-Konzert für 19 Euro Abendkasse kein Problem zu bereiten. „Wir sind ja wegen Dir da, nicht wegen der Band“, meinte ein Anderer aus dem Saal. Wirklich sicherer machte das die Hauptdarstellerin des Abends nicht. Sie gab auch neben ihren Songinhalten so einiges von sich preis, murmelte was von „in die Jahre gekommen“ und was von „finde jeden Tag mehr zu mir selbst“, bat dann wieder „Playback, bitte, go...“ und meinte dann doch „ich hoffe sie gehen Ihnen nicht auf die Nerven...“ „Nein“, schallte es aus dem Saal. Aber auch „ohne wär´s schöner...“. Ja, so habe sie vor 15 Jahre ja angefangen, sich jetzt aber nicht getraut, 90 Minuten ohne alles, nur Gesang zur Gitarre, zu bestreiten. Warum? Jetzt ist sie doch mehr Profi, aber dann doch – bewusst oder unbewusst – so von der Branche vereinnahmt, dass sie glaubt, alles richtig und perfekt machen zu müssen? Ein wirklich deutsches Phänomen.
Immer mal zwischendurch blitzte Werkers Können auf. Sie schafft es immer wieder, ihre Wahrnehmungen des Wahnsinns in der Welt in adäquate Bilder, textlich wie musikalisch, umzusetzen. An diesem Abend (obwohl sie bekennt, gerade heute die übliche Bühnenangst zu spüren, seltsam...) wirkten ihre Lieder nicht kathartisch für sie. Ihr Blick ging oft starrend ins Leere, fast ein Ausdruck von Paranoia. Aber sie musste da jetzt durch. Als letzte Zugabe dann endlich Werker unplugged und ein neuer Song auf deutsch (demnächst vielleicht mehr). „Ich hol mir mein Leben zurück.“ „Völlig unglaubwürdig“, kommentierte das ein Konzertbesucher und glaubte Werkers Winterblues nicht: Typ weg, Haus weg, Plattenvertrag weg, Hund weg. Es gibt viel zu tun, packen Sie's an... Am Ausgang fiel mein Blick auf ein Veranstaltungsposter: „Endstation Schlagerstar“. Die Subheadline lautete immerhin „Musikalische Komödie“, nicht Tragödie. Und kurz hatte ich noch eine Postkarte mit folgendem Text eingesteckt: „Misfits and losers/You know you're rock'n'rollers“. Foto: Detlef Kinsler