"Ich wollte nie von Frankfurt weg"

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Jan-Otto Weber /

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Es ist noch nicht aller Tage Abend für die Kulturstadt Frankfurt am Main. Mehrere Städte hatten sich um den Nachlass des 2005 verstorbenen Frankfurter Jazz-Musikers Albert Mangelsdorff (Foto oben) bemüht. Darunter auch schon wieder Berlin. Die Hauptstadt mag zwar „arm“ und „sexy“ sein, dies allein reichte diesmal jedoch nicht aus, um den Zuschlag für die Lebenszeugnisse des Posaunisten zu bekommen. Auch das 1999 eröffnete "International Jazz Archive Eisenach" hatte offenbar Interesse angemeldet. Allein Wolfram Knauer, Leiter des Darmstädter Jazz-Instituts, zeigt sich zufrieden mit der Lösung, dass sich Mangelsdorffs Witwe Ilo und sein Sohn Ralph für das Frankfurter Institut für Stadtgeschichte als Nachlassverwalter entschieden haben. Was auch durchaus im Sinne des Verstorbenen sein dürfte, schrieb er doch in seinem Buch «Frankfurt am Main. Jazzmusik und grüne Soß»: «Mich hat es nie hier weggezogen. Ich fand immer, dass ich in Frankfurt am besten aufgehoben war. Ich glaube auch, dass so, wie ich mich entwickelt habe, als Musiker und als Künstler, es nirgendwo anders möglich gewesen wäre. Ich wollte nie von Frankfurt weg.»



md7blogVerschiedene Exponate aus dem Nachlass von Albert Mangelsdorff, Collage

Dies bestätigte auch Ilo Mangelsdorff, der angesichts der vor ihr auf dem Tisch ausgebreiteten Lebenszeugnisse ihres Mannes ein ums andere Mal Tränen in die Augen traten. Sie selbst wusste mit einigen Anekdoten zu den Gegenständen aber auch die Runde von Journalisten und Weggefährten zu erheitern. Etwa mit der Geschichte zu dem Messingtürschild, das das Ehepaar an ihrem Haus in Braunfels angebracht hatte, um sich vor aufdringlichen Zeitgenossen zu schützen. Die Namen „Gilda und Alfred Kernbeißer“ waren dort zu lesen. „Gilda“, gestand Ilo Mangelsdorff, deren richtiger Vorname Iselore ist, „Gilda hätte ich selbst gerne geheißen. Und Kernbeißer ist ein Vogel, der meinem Mann als Hobby-Ornithologen am Herzen lag.“

md5blogGitarre von Albert Mangelsdorff aus dem Jahr 1947 mit Gitarrenschule und handschriftlich notierten Etüden

Eine andere Geschichte trug sich auf der Rückreise von einem Konzertaufenthalt in New York zu. „Da ich nicht gerne fliege, habe ich meinen Mann gebeten den Rückflug in eine Seepassage umzuwandeln“, so Ilo, während sie auf dem Tisch nach einem Schlüsselanhänger greift. „Als wir in Bremerhaven von Bord der MS United States gingen, bekamen wir als Andenken den Schlüssel zu unserer Kabine geschenkt. Das ist dieser hier.“

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Kurios auch die Entdeckung, die Ilo Mangelsdorff erst am Morgen der Übergabe des Nachlasses im Kasten der „King“-Posaune (Foto oben) machte, auf der ihr Mann meisten gespielt hatte. Das Instrument stand seit seinem Tod am 25. Juli 2005 unberührt auf dem Wohnzimmer-Fußboden der gemeinsamen Wohnung in der Emil-Claar-Straße im Westend. Als sie den Koffer öffnete, entdeckte sie einen uneingelösten Scheck. Der Betrag war noch in D-Mark ausgestellt.

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Albert Mangelsdorff, ca. 1980

Bildquelle: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M. (Uwe Dettmar)


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