Der Bundestagsabgeordnete Gregor Amann sagt: "Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, ob sie wirklich kommt." Aber nun steht er glücklich in der "Bildhauerwerkstatt Gallus". Denn sie kommt wirklich, "hat alle Termine abgesagt, außer diesen hier." Wenige Minuten später kommt Brigitte Zypries eingeschwebt, die Personenschützer steigen zuerst aus, dann sie, den ganzen Tag war die Bundesjustizministerin in Sitzungen, um mit den Genossinnen und Genossen über die Zukunft der SPD zu beraten. Nun, im Frankfurter Gutleutviertel, soll es um "Bürgerrechte in Zeiten globaler Bedrohungen" gehen. Herr Amann gibt sich alle Mühe: "Sie steht auf der Haben-Seite dieser Koalition", sagt er und lässt nicht unerwähnt, dass sie aus Hessen kommt. In Darmstadt liegt ihr Wahlkreis und auch ihr Zuhause, in das sie gleich nach der Veranstaltung entschwinden möchte. Es war ein langer Tag, doch in ihr Lufthansa-Brötchen beißt Frau Zypries erst, als nach eineinhalb Stunden alles gesagt ist. Alles, nur nicht zu Kurt Beck und Steinmeier und Münte. "Das zeigt doch, das Politikinhalte wichtiger sind als Personalfragen", glaubt Amann. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass der Eingriff des Staats in die Privatsphäre seiner Bürger die Gemüter der gut 50 Gäste in der Bildhauerwerkstatt bewegte.
Es gebe derzeit zwei Wege zur Bekämpfung des Terrorismus Stellung zu nehmen, so Zypries. "Der eine ist, Bedrohungsszenarien aufzubauen, Angst zu schüren. Die Vorschläge sind hinreichend einfach: dass wir mehr Gesetze, strengere Gesetze und mehr Daten bräuchten. Das andere Extrem: da werden der Niedergang der Bürgerrechte, Verfassungswidrigkeit und der Weg in den Überwachungsstaat beschworen." Die Ministerin, klar, ist für den gesunden Mittelweg. Wie der wohl aussehen mag?
"Im Ergebnis war ich mit der Ausarbeitung der Onlinedurchsuchung zufrieden", sagt sie. Durchsuchen dürfe das Bundeskriminalamt schließlich nur, wenn es sich um die mögliche Vorbereitung eines terroristischen Anschlags handle. Selbst wenn der Verdächtige dann eine unberechtigt heruntergeladene Musikdatei auf seinem Rechner habe, dürfe die nicht zur Anzeige gebracht werden. (Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob das größte Problem eines Terrorverdächtigen ist, dass er ein illegales MP3 von "Like A Virgin" auf seinem PC hat).
Berechtigte Frage aus dem Publikum: "Was, wenn jemand eine Firewall installiert hat?" Die Antwort der Justizministerin ist erstaunlich: "Wenn ein PC richtig gesichert ist, dann gibt's keine Möglichkeit eine Onlinedurchsuchung durchzuführen." Das Gesetz also quasi: überflüssig. Beziehungsweise nur für die ganz doofen Mitglieder von Al-Quaida.
Und was bringt nun die Speicherung von Verbindungsdaten der Terrorismusbekämpfung? "Es ist richtig sie zu haben, weil die Anschläge in Madrid, bei denen man die Handys der Attentäter fand, recht schnell durch die Ermittlung der Verbindungsdaten aufgeklärt werden konnten." Solche Anschläge zu verhindern, sei jedoch ungleich schwieriger, wenn nicht gar: unmöglich. "Mit einem Restrisiko müssen wir leben. Und: wir gehören mit zu dem Raum, in dem Anschläge passieren können."
Wer wollte angesichts solcher Bedrohungen noch danach fragen, warum Beck nun zurückgetreten ist und was er gesagt hat, am vergangenen Sonntag und was die SPD-Spitze nun macht? Niemand.