Fangen wir einmal in der Gegenwart an. Heute produziert die Frankfurter Rundschau die erste Zeitung aus ihrem neuen Newsroom in einem ehemaligen Sachsenhäuser Straßenbahndepot. In ihrer gestrigen Ausgabe wies die Zeitung darauf schon mal auf etlichen Seiten Selbstbeweihräucherung darauf hin, vielleicht ja auch, damit ihre Leser am Montag nicht überrascht sind, wenn was schiefgehen sollte. Um die Komplikation eine Zeitung auf Umzugskartons zu produzieren perfekt zu machen, hat Chefredakteur Uwe Vorkötter auch noch die Ressorts getauscht: Feuilletonredakteure kümmerten sich um die Wirtschaft und umgekehrt etc. Doch Gottseidank: "Keine Sorge, Sie werden in dieser Ausgabe nichts Wichtiges verpassen, es sind schließlich in allen Ressorts Profis des journalistischen Geschäfts am Werk", so Vorkötter. Und Lokalchef Matthias Arning ergeht sich in der These, dass der neue Standort die Zeitung näher an die Menschen bringe und außerdem: "Eine Stadt, eine Region, eine Zeitung. Denn das eine lässt sich nicht ohne das andere denken, geschweige denn verstehen." Ahhhhja ... Der Vollständigkeit halber, und damit soll es auch genug mit den lieben Kollegen sein, verlinken wir hier noch auf die Christstollengeschichte der Profis des journalistischen Geschäfts, die Stefan Niggemeier so schön beschreibt. Und vielleicht noch auf den genialen Blog-G, den die FR nach einem Gespräch zwischen Journal Frankfurt und Dany Cohn-Bendit eingestellt hat, vielleicht nur halb im Scherz, obwohl wir uns jeden Tag neidisch fragen, warum dort selbst der kleinste Beitrag mindestens dreistellige Kommentare hervorruft.
Schleichen wir also weiter zurück in dieser seltsamen Woche, in der die Verantwortlichen in der Stadt Kelsterbach zeigten, dass man mit Geld heutzutage alles bekommen kann, sogar weit über 100 Hektar Wald, auf dass man sie abholze und asphaltiere. Da hilft alles reden und jammern nicht. Was uns aber wirklich erstaunte: dass unsere Lieblingsdesign- und kunstseite im Netz, nämlich Design You Trust, die derzeitige Situation im Kelsterbacher Wald so treffend illustrierte:
Seltsamerweise ist die Seite gerade nicht erreichbar, aber wir wollen hier niemanden verdächtigen, schon gar nicht die Fraport-Security. Lieber ergehen wir uns in Reminiszenz an erfreulichere Anlässe, zum Beispiel das Twestival, ein Wohltätigkeitsball für Twitter-Nutzer, der weltweit in hunderten Städten stattfand und so auch in Frankfurt. Als Ort hatte der hiesige Organisator Tapio Liller das schnuckelige Place to be ausgesucht, in dem es am vergangenen Donnerstag richtig voll wurde. Und das lag mit Sicherheit nicht nur daran, dass der Eintritt der Initiative CharityWater zu Gute kam und auch nicht daran, dass es an der twitter-Lesung von Tapio und seiner Angetrauten nur um das Eine und anderes ging:
Nein, der Pflasterstrand hat ich habe den Abend wirklich genossen, vor allem weil er sich von anderen Reallife-Treffen unterschied, auf denen ich in jungen Jahren manchmal war, das dort ganz normale, neugierige, offene und herzliche Menschen befanden, die weder durch besondere Freakiness noch übertriebene Nerd-Verkleidungen und damit einhergehende Kommunikationseinseitigkeiten auf sich aufmerksam machten. Na, jedenfalls tragen Ultima-Online-Zocker nicht solche Schuhe. Wie hip die Veranstaltung war, zeigte sich auch an einem 3Sat-Fernsehteam, das den Abend hier sehr schön zusammenfasst, wobei ich auch irgendwie froh bin, nicht mal im Hintergrund zu sehen zu sein, was natürlich die Frage aufwirft: war ich wirklich da? Existiert eine Realität abseits des Fernsehapparates? Genug der Dialektik und gerne wieder, auch wenn das Twestival wohl erst einmal eine einmalige, wenn auch einmalig schöne Sache war.
Da war dann sogar vergessen, dass die Städel-Abendschule in der gleichen Woche gegen ihre Auflösung kämpfte oder das Silke Lautenschläger, die neue Umweltministerin, ankündigte, Atomkraft sei toll und Windenergie doof. Vielleicht sollte sie das Wort Umwelt ebenso aus ihrem Ministeriumsnamen streichen, wie Sozialminister Banzer das Wort "Sozial". Es wäre einfach ehrlicher. Zum versöhnlichen Schluss dürfen wir noch auf den tollen Comic "Am Rande der Gesellschaft" hinweisen, der sonntags auch in der FAS abgedruckt wird, aber dass er auch online zu sehen ist, reduziert die Notwendigkeiten die rechtsliberale Wochenzeitung zu kaufen ungefähr auf Null. Sparen wir das Geld lieber für die FR, die morgen in neuem Glanz und weltoffener und menschennäher am Kiosk liegen wird.