"Ich habe immer schon gerne moderiert", hatte Dany Cohn-Bendit bei Bekanntwerden seines Schauspiel-Engagements gesagt. Seine Fernsehsendung wurde mit dem Kanal terranova eingestellt - nun also: Dany live im Schauspiel Frankfurt, alle paar Monate sonntags und zu Beginn gleich ein echter Star-Gast, zumindest in Kulturkreisen: der Regisseur Dani Levy sitzt auf der Bühne des Schauspielhauses, Dani und Dany sozusagen, ein Gipfeltreffen, wie Cohn-Bendit sagt, "dass es so noch nie gegeben hat und nie wieder geben wird. Es treffen nämlich nicht nur Dani und Dany aufeinander, sondern es trifft auch ein Cohn auf einen Levy." Kunstpause. "Die Cohns stehen in der jüdischen Hierarchie übrigens über den Levys." Der andere Dani kontert schnell: "Deswegen habe ich ja auch sofort zugesagt." Man merkt, hier schieben sich zwei die Geistesblitze zu und so soll es auch die nächsten gut eineinhalb Stunden bleiben. Doch neben allem Witz wird auch ein fast psychologisches Gespräch geführt. Kein Wunder, schließlich heißt der rote Faden doch: "Jüdisches Leben in Deutschland". Doch das beginnt in Levys Fall in Basel.
Levy erzählt von seiner Bar Mitzwa und seinem schönen grünen Fahrrad, dass er bekam, (Cohn-Bendit bekam die Geschenke auch ohne Bar Mitzwa, weil er schon damals gegen sowas war). Levy erzählt vom Baseler Zirkus, in dem er ebenfalls noch als Kind einen Clown spielte und so geht es weiter munter durch ein Leben hindurch. Levy trampt durch die USA, "was war nun die Quintessenz von Amerika?" "Nun, ich bin sehr, sehr dick geworden, weil ich micht fast nur von Speiseeis mit Schokolade ernährt habe.", er heuert in Venice Beach als Schweizer Bauspezialist an und wird nach zwei Stunden wieder gefeuert, weil er noch nie eine Maurerkelle in der Hand hatte, und dann wird es ganz plötzlich ernst, Levy geht nach Berlin. "Wie war das für Dich als Jude nach Deutschland, nach Berlin zu gehen?" Nichts besonderes, darüber, sagt Levy, habe er gar nicht nachgedacht - er habe nach Berlin gewollt, weil dort das berühmte Kinder- und Jugendtheater Rote Grütze war, das sei der Fokus gewesen ("Und die haben MICH angerufen, das wäre ja praktisch so, als ob Dich der Rudi Dutschke angerufen hätte"), das Spotlight, bei dem die ganze Nazivergangenheit im Schatten lag und auch die Tatsache, dass er nur vier Kilometer von der Stelle entfernt wohnte, von der seine Großmutter einst geflüchtet war. In seiner Familie sei nie über diese Zeit gesprochen worden, sobald die Fernbedienung erfunden gewesen war, sei jedes nur irgendwie nach Holocaust klingende Programm ganz schnell weggezappt worden. "Woher kommt diese Tabuisierung?", fragt Cohn-Bendit. "Was zahl ich Dir eigentlich für die Therapiestunde?", antwortet Levy. "Es ist umgekehrt: ich benutze Dich nur zu meiner eigenen Therapie", sagt Cohn-Bendit und erzählt dann, wie er als Neunjähriger nach Frankfurt kam, weil sein Vater dort als Rechtsanwalt tätig wurde, und wie er geweint habe wie ein Schlosshund, weil er "einen Horror" vor Deutschland gehabt habe und so sei es dann auch gewesen: hier ein Nazi, dort keiner, weil noch zu jung, da wieder ein Nazi.
Wie kommt nun ein Theater- und späterer Filmemacher (der erste "Du mich auch" erschien 1985) dazu, sich doch mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen? Die Antwort lautet Maria Schrader. Von ihr sagt Levy, sie sei durchdrungen von der Vergangenheit. Gemeinsam mit ihr schreibt er Ende der Achtziger das Drehbuch für "Meschugge", ein Film, der erst 1998 realisiert werden soll. Den schönsten Vergleich aber, den kann Levy zwischen "Alles auf Zucker", seinem größten Erfolg und "Mein Führer", einem weniger großen Erfolg ziehen: "Wenn man das Genre der Komödie überschreitet kommt man schnell an kulturelle Grenzen", sagt er. "Ein Film darf in Deutschland entweder nur eine reine Komödie sein oder eine Tragödie, dazwischen nichts." Zucker, die reine Komödie, ist der Film, auf den er immer noch am meisten angesprochen würde, "wahrscheinlich noch, wenn ich 80 bin." Und "Mein Führer", das ging gar nicht. So ist das mit den Deutschen und ihrem Humor. Haben sie einen? Doch haben sie, und wie zum Beweis lachen die Leute im Theater an diesem Mittag besonders viel, etwa als Cohn-Bendit noch den jüdischen Witz von der Mutter erzählt, die die psychiatrische Diagnose über ihren Sohn erfährt: "Ödipus, Schmödipus! Hauptsache er liebt seine Mutter." Von ihrer Ankündigung, das Gespräch über vier oder acht Stunden zu ziehen, machen die beiden dann doch keinen Gebrauch. Selbst wenn nur wenig unausgesprochen bleibt (Faßbender, der Zentralrat als Gedankenpolizei, Angela Merkel, Holocaustmahnmale als bloße Erinnerungsorte der Vernichtung und nicht des Lebens). An irgendeinem Sonntag im Januar soll die Matinee fortgesetzt werden. Wieder mit Dany, aber ohne Dani. Schade, eigentlich.