Da der diesjährige Sommer noch nicht so richtig in Fahrt gekommen ist, müssen die wenigen echten Sonnentage ausgenutzt werden. Deshalb freue ich mich über das Angebot von Freunden, einen Abend nach der Arbeit mit ihnen am Badesee zu verbringen. Zu meinem Erstaunen geht es allerdings nicht an eine der bekannten Kiesgruben und Schwimmplätze (siehe JOURNAL FRANKFURT 15-16/09) der Umgebung, sondern in Richtung Kelsterbacher Wald. Wir stellen das Auto am Rande des Forsts ab und stapfen durch das schummrige Grün. Das Hüttendorf der Waldbesetzer, die unermüdlich gegen den Flughafenausbau protestieren, liegt auf dem Weg. Bei seinem Anblick bin ich ein wenig enttäuscht – habe ich mir doch eine Bastion aus Holzhäuschen im Laub vorgestellt.
Hauptsächlich hängen dort allerdings bunt bemalte Stofftransparente mit Forderungen und Anklagen, die mich an Schüler-Demos in meiner Jugend erinnern. Inhaltlich sind sie zumindest nicht tiefsinniger als unsere Plakataufschriften damals, wenn etwa die „KloBallIsierung“ angeprangert wird. Wir stapfen weiter, ein paar Meter durchs Unterholz, und gelangen ans Ufer eines hübschen Sees. Bevor ich jedoch die Aussicht genießen kann, fällt mein Blick auf einen nackten Männerkörper. Zum Glück nur von hinten; die weißen Backen reichen mir fürs Erste.
Nach dieser kurzen Ablenkung kann ich endlich das Panorama bewundern: Grünlich-blaues Wasser, umrandet von einem saftig-grünen, teils steilen Ufer. In unserer Nähe ist es flacher, ein Baumstamm ragt dekorativ in den See hinein. Dort legen wir unsere Sachen ab und waten langsam ins Wasser. Ein Krebs macht meinen Füßen Platz, ein Fisch streift mein Bein, ein Wasserläufer flitzt beiseite, als ich vorsichtig weitergehe. Noch ein Schritt, und ich stürze mich in das kühle Nass. Nach einer Runde im See setze ich mich ans Ufer. Meine Mit-Schwimmer schnorcheln noch fröhlich vor sich hin, also nutze ich die letzten Sonnenstrahlen zum Trocknen. An den Anblick in meinem Sichtfeld habe ich mich mittlerweile gewöhnt: Viele Badende tragen keine Hose. Erstaunlicherweise sehe ich nur nackte Männer – sogar in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe. Die Frauen sind alle züchtig mit Bikini bekleidet. Umso mehr muss ich lachen, als mich einer meiner Nachbarn prompt beim Umziehen erwischt. Er spricht mich genau in dem Moment an, als ich gerade versuche, die nasse Badehose möglichst unauffällig gegen ein trockenes Kleidungsstück zu ersetzen.
Kurz danach laufen zwei Polizisten in voller Montur den schmalen Pfad am Ufer entlang und grüßen die Sonnenanbeter. Meine Nachbarn hingegen werden erstaunlich still. Was ist da los? Auf meine Frage hin erfahre ich, dass an diesem See das Baden eigentlich verboten ist. Naturschutzgebiet! Die Planschenden werden anscheinend geduldet, solang sie es nicht zu wild treiben. Boote beispielsweise sind den Ordnungshütern eher ein Dorn im Auge als harmlose Schwimmer. Das erklärt auch, weshalb hier so viele Tiere im Wasser zu entdecken sind. Beim nächsten Mal werde ich eine Kamera mitbringen und die Krebse knipsen, die ich diesmal nur mit einem Grashalm anlocken konnte. Und vielleicht packe ich dann sogar meine alte Taucherbrille aus. Ach, nein, baden darf man hier ja nicht ...