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Wie die Stadt mit Roma umgeht

"Frankfurt hat seine Integrationskraft schon bewiesen"

Zwischen 3000 und 4000 Roma leben laut Schätzung des Födervereins Roma in der Stadt. Oft fehlt es ihnen am Nötigsten. Wie die Stadt damit umgeht, erklärt die Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld im Interview.
JOURNAL FRANKFURT: Wie viele Roma leben Ihren Schätzungen zufolge in der Stadt?
Stadträtin Daniela Birkenfeld: Es gibt keine Grundlage, die eine fundierte Schätzung erlauben würde. Weder das Bürgeramt Statistik und Wahlen, noch Jobcenter Frankfurt erfassen Menschen nach Ethnien.

Ist Frankfurt ausreichend auf den Zuzug von osteuropäischen Armutsflüchtlingen vorbereitet?
Wir haben in Frankfurt einen angespannten Wohnungsmarkt. Das macht es Menschen mit geringem Einkommen – egal woher sie stammen – nicht unbedingt leicht, hier eine Wohnung zu finden. Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb Städte mit mehr leerstehendem Wohnraum wie zum Beispiel Duisburg oder Dortmund bereits in den vergangenen Jahren stärker vom Zuzug aus Bulgarien und Rumänien betroffen waren und sind. Unabhängig von der Wohnungsfrage hat Frankfurt bereits bewiesen, dass es eine beachtliche Integrationskraft für Menschen unterschiedlichster Herkunft besitzt.

Hat die Zuwanderung von Roma seit der Regelung der Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren zugenommen?
Ich kann nur etwas zur Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren insgesamt sagen, weil wir nicht nach Ethnien differenzieren. Die Meldedaten des Bürgeramtes für Januar und Februar liegen allerdings noch nicht vor. Das heißt, ich kann mich nur auf Eindrücke aus der Praxis beziehen, von denen mir berichtet wird. Das Team des Kältebusses zum Beispiel zählt bisher nicht mehr osteuropäische Obdachlose als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. In den Jobcentern werden dagegen mehr Vorsprachen von Bulgaren und Rumänen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten in schwieriger Wirtschaftslage wie zum Beispiel Italien, Griechenland, Portugal und Spanien wahrgenommen.

Welche Hilfs-Angebote können Sie konkret den Roma machen?
Hier integrierten Roma steht – wie allen Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern – die komplette soziale Infrastruktur zur Verfügung. Auch die speziellen Angebote des Fördervereins Roma unterstützt das Jugend- und Sozialamt mit einem jährlichen Zuschuss. Kommen Roma neu ins Land, gelten für sie allerdings die gleichen Maßstäbe wie für andere Bürgerinnen und Bürger aus den Mitgliedsstaaten der EU. Da wir wissen, dass sich Roma ohne ausreichendes Einkommen und rechtliche Ansprüche gegenüber dem Sozialstaat trotzdem in Frankfurt aufhalten, gibt es eine Reihe von humanitären Angeboten wie die Sprechstunde beim Amt für Gesundheit. Auch die Tagestreffs für obdachlose Menschen können Roma nutzen. Dort gibt es unter anderem Duschen, Waschmaschinen und Essensangebote. Und es besteht die Möglichkeit, im Winter in der B-Ebene der Hauptwache geschützt vor Wind und Wetter die Nacht zu verbringen.

In der Stadt findet man zunehmend Slums, etwa im Gutleutviertel. Haben Sie sich das schon mal angesehen?
Sie können mir glauben, dass mich die Zustände auf der Industriebrache, auf die Sie anspielen, sehr betrüben. Von einem Slum – also einem Elendsviertel – zu sprechen, halte ich allerdings für irreführend. Das Team des Kältebusses, der im Auftrag der Stadt im Winter jeden Tag auf Frankfurter Straßen unterwegs ist, hat nie mehr als sechs Personen dort angetroffen und die Anwesenden sprachen von insgesamt bis zu 17 Übernachtern. Wenn Ihnen andere Orte bekannt sind, an denen sich Menschen wie dort auf der Brache aufhalten, melden Sie es bitte unter der Rufnummer 431414 dem Kältebus, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachsehen können. Im Moment sind mir keine anderen Orte in der Stadt bekannt, an denen eine vergleichbare Situation herrscht.

Wieso stellt man dort keine beheizten Container auf, um die Lage etwas zu entspannen? Kann die Stadt nichts tun, um zu helfen?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich um ein Privatgelände handelt, über das die Stadt nicht zu verfügen hat. Der Eigentümer hat andere Pläne mit dem Areal, wie er uns hat wissen lassen. Zum anderen bietet das Jugend- und Sozialamt im Rahmen der Wohnsitzlosenhilfe andere Notübernachtungsmöglichkeiten an. Nach einigen Tagen Aufenthalt beginnt allerdings die Prüfung, inwieweit der einzelne Ansprüche gegenüber dem Sozialsystem hat. Ist dies nicht der Fall, können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen dauerhaften Platz in einer Unterkunft gewähren und nur die Übernahme der Kosten für ein Ticket in das Herkunftsland anbieten.

Wir haben von einer Familie gehört, einer Mutter mit vier Kindern, die von der Stadt in einer Notunterkunft untergebracht wurde. Es handelt sich dabei um ein Hotelzimmer im Bahnhofsviertel, das 15 Quadratmeter groß ist und das für fünf Personen ausreichen soll. Bei Mietwohnungen spricht man von Überbelegung, sobald pro Person weniger als neun Quadratmeter zur Verfügung stehen. Warum gilt die Regel nicht für Notunterkünfte?
Vereinzelt kann es für kurze Zeit zu so einer Situation kommen; Grundlage für die Zimmerbelegung ist dann jeweils die Konzession der Hotelbetreiber, die von der Bauaufsichtsbehörde erteilt wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in solchen Fällen bemüht, die Betroffenen so schnell wie möglich in einem größeren Appartement in einem Wohnheim unterzubringen. Eine Notunterkunft – das verrät schon der Name – ist aber prinzipiell nicht mit einem Mietverhältnis gleichzusetzen. Es handelt sich um eine Zwischenlösung, bis die Menschen wieder in eine eigene Wohnung ziehen können.

Woran mangelt es den Roma am meisten? Bildung, Medizinische Versorgung, Beratung, Sprachkenntnisse?
Ich bin keine Freundin von Pauschalisierungen. Es gibt Roma in Frankfurt, die gut deutsch sprechen, die integriert sind und sich auskennen. Sie wissen zum Beispiel, dass sie auch ohne Versicherungskarte zum Amt für Gesundheit gehen können, wenn sie gesundheitliche Beschwerden haben. Aber natürlich gibt es häufig insbesondere in den Bereichen Bildung und Sprachkenntnisse Defizite.

Angenommen ich wäre eine Romni, die nach Frankfurt kommt. Was würden Sie mir raten, an welche Stellen sollte ich mich wenden, um Hilfe zu bekommen?
Das hängt von den genauen Umständen ab. Wenn Sie zum Beispiel erst einmal eine Unterkunft suchen würden, wäre die erste Adresse der Besondere Dienst des Jugend- und Sozialamts in der Mainzer Landstraße 315-321. Wie unter 6. geschildert, würde dann allerdings in den nächsten Tagen die Klärung der persönlichen Ansprüche erfolgen. Können Sie aber bei Freunden unterschlüpfen und haben ihre schulpflichtige Tochter dabei, würde ich Ihnen raten, sich umgehend an das Aufnahme- und Beratungszentrum des Stadtschulamts zu wenden und ihr Kind in eine Schule mit Deutsch-Intensivklassen/ Deutsch-Intensivkursen zuweisen zu lassen. Es hängt also sehr von der persönlichen Situation ab, wozu ich Ihnen raten würde.

Welche Sozialleistungen stehen Roma zu? Und sind diese ein Anreiz nach Deutschland zu kommen?
Das hängt von der individuellen Fallkonstellation ab. Zieht zum Beispiel eine Frau zu ihrem bereits in Deutschland lebenden Mann und sein Einkommen reicht nicht für beide aus, könnte sie Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben. Auch wenn jemand ein Gewerbe betreibt, jedoch von den Einnahmen nicht das Existenzminimum sichern kann, hat die Person unter Umständen ein Anrecht auf ergänzende Leistungen. Kommen ein Mann oder eine Frau aber nach Deutschland allein aus dem Grund der Arbeitssuche, müssen sie zuerst einmal sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein, um Ansprüche geltend machen zu können. Das gilt für alle Bürgerinnen und Bürger, die aus EU-Mitgliedsstaaten stammen und sich in Deutschland niederlassen. Ob das deutsche Sozialhilfesystem Roma ein Anreiz ist, halte ich für fraglich. Ich vermute, dass es einfach die Hoffnung auf ein besseres Leben ist, die die Menschen nach Deutschland aufbrechen lässt.

Wir haben den Roma in Frankfurt eine Titelgeschichte gewidmet, sprachen mit integrierten Menschen und solchen, die in Verschlägen in einer Industriebrache hausen. Mehr dazu lesen sie ab sofort im aktuellen JOURNAL FRANKFURT, für 1,80 Euro am Kiosk.
 
13. März 2014, 11.41 Uhr
Die Fragen stellte Nicole Brevoord
 
 
Fotogalerie:
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