Der Politiker Christopher Lauer hat einen Mitarbeiter der Sparkasse Groß-Gerau via Twitter als AfD-Wähler geoutet. Willkommen in der sozialdemokratischen Neuauflage der McCarthy-Ära.
Nils Bremer /
"When they go low, we go high." Dieser Ausspruch Michelle Obamas hat dem Wahlkampf von Hillary Clinton am Ende nicht viel genützt. Aber er steht für das Rückgrat, sich nicht von den Maschen der Populisten zu ähnlichen Strategien verführen zu lassen.
Unter Rechts- wie Linksextremen ist es ein bekannter Sport, den politischen Gegner nicht nur zu outen, sondern ihn auch an seinem Arbeitsplatz und seinem Wohnort zu verfolgen. Die Antifa bietet regelmäßig Spaziergänge zu den Wohnhäusern und Treffpunkten von Nazis an – die Nazis veröffentlichen auf ihren Webseiten die Privatadressen und Telefonnummern unliebsamer Politiker oder Journalisten, auf dass sie von Kleingeistesgenossen eingeschüchtert und bedroht werden. Da ähneln sich die linken und rechten Ränder unserer Repulik frappierend. Dass nun ein Politiker der SPD in ein solches Muster fällt, ist eine ziemlich traurige Sache. Um nicht zu sagen low.
"Uwe R. von der Kreissparkasse Großgerau wählt dieses Jahr AfD! Wisst ihr bescheid!", schrieb der Sozialdemokrat Christopher Lauer auf Twitter. Dazu stellte er ein Foto des Bankmitarbeiters und eine E-Mail, die dieser an Herrn Lauer geschickt hatte. Darin sieht sich der Immobilienmakler darin bestärkt, in diesem Herbst die Alternative für Deutschland zu wählen – aufgrund der Aussagen Christopher Lauers zur "Nafri"-Debatte. Den von der Polizei verwendeten Begriff für "nordafrikanische Intensivtäter" hatte Lauer als in "hohem Maße entmenschlichend" bezeichnet.
Ganze vier Minuten vergingen zwischen Eingang der E-Mail und dem raschen Herstellen des Onlineprangers auf Twitter. Der Aufschrei folgte rasch – und damit auch die Distanzierung der Sparkasse von den Äußerungen ihres Mitarbeiters, der nun erst einmal für einige Tage beurlaubt ist und dessen Familie von einem Spießrutenlauf berichtet. Dass sich einige Kunden von der Sparkasse abwenden, nun da sie um die politische Gesinnung des Mitarbeiters wissen, davon darf ausgegangen werden.
Ein Berufspolitiker muss solche Anfeindungen und Bloßstellungen sicherlich bis zu einem gewissen Grad aushalten. Aber ein einfacher Wähler, der nichts weiter tut, als mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten? Da liegt der Vergleich zur McCarthy-Ära wirklich nicht weit.
Wäre es nicht ein einfaches gewesen, sich kurz auf seine E-Mail einzulassen, sich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen, als ihren Verfasser schlicht dafür an den Pranger zu stellen? Die Debatte, die Diskussion, das Überzeugen mit Argumenten stehen für Christopher Lauer gar nicht mehr zur Verfügung. Er prangert an, weil er sich im Recht fühlt. Und sieht gar nicht mehr den Menschen hinter einer E-Mail, sondern nur noch ein Feindbild. Kein guter Beginn für das Wahljahr 2017.