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Interview: Gleichberechtigung in der Finanzbranche
Susan Spinner: „Es ist fahrlässig, qualifizierte Frauen nicht aktiver zu fördern“
Susan Spinner ist seit fast 30 Jahren erfolgreich in der Investmentbranche tätig. Mit dem JOURNAL FRANKFURT hat sie über Chancengleichheit in der Finanzbranche, gendergerechte Sprache und die Frauenquote gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Spinner, Sie sind seit 2011 geschäftsführende Vorstandsvorsitzende bei der CFA Society Germany, Deutschlands größtem Berufsverband für die Investmentbranche. Bei einem Blick auf die Webseite der CFA ist mir aufgefallen: Sie verwenden gendergerechte Sprache. Wann wurde die Entscheidung für Gendersternchen getroffen – und vor allem warum?
Susan Spinner: Vergangenes Jahr haben wir unsere Webseite aktualisiert, der Vorschlag kam von unserer Kommunikationsmanagerin. Unser Verband setzt sich sowohl in Deutschland als auch global unter anderem für mehr Diversität in der Investmentbranche ein. Da war es für uns nur konsequent, das auch in unserer Sprache zu reflektieren. Denn Worte haben Wirkung.
Sie können auf fast 30 Jahre Berufserfahrung in der Investmentbranche, sowohl in den USA als auch in Deutschland, zurückblicken. Hatten Sie im Laufe Ihrer Karriere je das Gefühl, stärker als Ihre männlichen Kollegen um Anerkennung kämpfen zu müssen?
Ich kenne keine Frau, die länger in der Investmentbranche tätig ist und nicht irgendwann in ihrer Karriere um Anerkennung kämpfen musste. Ich selbst habe immer überwiegend mit Männern zusammengearbeitet und weitestgehend positive Erfahrungen gemacht. Es gab aber immer wieder gewisse Situationen, die bestimmt anders abgelaufen wären, wäre ich ein Mann. Weiterhin werden die technischen Kompetenzen von Frauen eher in Frage gestellt. Oder Männer treffen Entscheidungen, die auf Vorurteilen gründen, auch wenn diese meistens ganz unbewusst sind und keine böse Absicht dahintersteckt.
Dass Vorstände europäischer und amerikanischer Unternehmen meist überwiegend männlich besetzt sind, ist kein Geheimnis. Warum tun sich Unternehmen offenbar so schwer damit, Frauen in höhere Positionen zu befördern?
Die Statistiken sind hierzu wirklich ernüchternd, leider insbesondere in Deutschland: Knapp neun Prozent beträgt der aktuelle Frauenanteil in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen – so wenig wie in kaum einem anderen westlichen Industrieland. Angeblich gibt es sogar mehr Aufsichtsratsvorsitzende mit dem Namen Michael als es Frauen in dieser Position gibt. Da muss ganz klar mehr Bewegung reinkommen. Im Investmentbereich zeigen viele Studien, dass Teams mit größerer Diversität auf Dauer die besseren Renditen erzielen. Da ist es beinahe fahrlässig, qualifizierte Frauen nicht aktiver zu fördern. Und trotzdem: Studien von unserem Globalverband CFA Institute haben gezeigt, dass die meisten Investmentfirmen immer noch reaktiv bleiben, wenn es um Diversity geht. Sie haben keine klare Strategie, die konsequent verfolgt wird.
Was wären denn Ansätze für solch eine Strategie? Brauchen wir eine explizite Frauenförderung und ein neues Führungsverständnis in der Wirtschaft?
Denkbar ist zum Beispiel, dass finanzielle Anreize für Führungskräfte, etwa Bonuszahlungen, an Diversity-Ziele gekoppelt werden. Außerdem könnte es auch helfen, Auswahlverfahren von einem gemischten Team durchführen zu lassen – das könnte manche unbewussten Vorurteile abfedern. Ich glaube, dass auch Investoren hier eine wichtige Rolle spielen können. Im angelsächsischen Raum üben die großen Investmentfonds inzwischen immer mehr Druck auf die Unternehmen aus, mehr Vielfalt im Top-Management zu schaffen. Die größte Fondsgesellschaft der Welt beispielsweise, Blackrock, entlastet auf Hauptversammlungen den Aufsichtsrat nicht, wenn er in der Hinsicht zu langsam vorankommt. Diese Kultur hat sich leider noch nicht in Deutschland etabliert, wird aber hoffentlich kommen.
In Island ist es seit Anfang 2018 verboten, Frauen und Männer ungleich zu bezahlen. Braucht es ein solches Gesetz auch in Deutschland?
Ein klares Ja, wenn dies unbürokratisch und richtig vergleichbar durchgesetzt werden könnte. Aber in einem großen Land wie Deutschland ist das nicht so einfach, fürchte ich.
Könnte eine Frauenquote die Lösung bringen?
Ich habe eine gespaltene Meinung dazu. Meine Beobachtung nach fast 30 Jahren ist „seeing is believing“. Ich habe das neulich auf Deutsch als „Sehgewohnheit“ gelesen. Ich erinnere mich genau an den Tag im Jahr 2005 als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde. Im Radio hier in Hessen gab es einen Bericht mit vielen Aussagen von Wählerinnen und Wählern, die es peinlich fanden, dass diese Frau gewählt worden war. Mittlerweile gibt es eine junge Generation, die nicht mehr weiß, wie es in Deutschland mit einem männlichen Bundeskanzler aussieht. Wenn wir mehr Frauen in der Wirtschaft an prominenter Stelle sehen würden, würde sich auch dies als Selbstverständlichkeit etablieren. Eine Frauenquote würde das natürlich begünstigen – allerdings immer mit dem Beigeschmack, eine Frau könnte ihre Spitzenrolle nicht durch eigene Leistung, sondern durch die Quote bekommen haben. Wenn wir ohne Quote überzeugend vorankämen, wäre das sicher besser. Aber bedauerlicherweise sieht es momentan nicht danach aus.
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Susan Spinner, Jahrgang 1964, gebürtig aus Detroit/USA, bereits seit mehreren Jahren wohnhaft in Frankfurt, rund 30 Jahre Berufserfahrung in der Investmentbranche in Deutschland und den USA. U. a. Tätigkeiten für Cominvest, Hamburgische Landesbank, Dresdner Bank und Bank of Montreal (Chicago/USA). Seit Juni 2011 leitet sie den Berufsverband CFA Society Germany, dessen Gründungsmitglied sie ist, als Managing Director.
Einen zweiten Teil des Interviews mit Susan Spinner sowie weitere Artikel zum Thema Feminismus und Frauenrechte finden Sie in der aktuellen Ausgabe 07/2019 des JOURNAL FRANKFURT sowie in den kommenden Tagen unter www.journal-frankfurt.de/gleichberechtigung.
Susan Spinner: Vergangenes Jahr haben wir unsere Webseite aktualisiert, der Vorschlag kam von unserer Kommunikationsmanagerin. Unser Verband setzt sich sowohl in Deutschland als auch global unter anderem für mehr Diversität in der Investmentbranche ein. Da war es für uns nur konsequent, das auch in unserer Sprache zu reflektieren. Denn Worte haben Wirkung.
Sie können auf fast 30 Jahre Berufserfahrung in der Investmentbranche, sowohl in den USA als auch in Deutschland, zurückblicken. Hatten Sie im Laufe Ihrer Karriere je das Gefühl, stärker als Ihre männlichen Kollegen um Anerkennung kämpfen zu müssen?
Ich kenne keine Frau, die länger in der Investmentbranche tätig ist und nicht irgendwann in ihrer Karriere um Anerkennung kämpfen musste. Ich selbst habe immer überwiegend mit Männern zusammengearbeitet und weitestgehend positive Erfahrungen gemacht. Es gab aber immer wieder gewisse Situationen, die bestimmt anders abgelaufen wären, wäre ich ein Mann. Weiterhin werden die technischen Kompetenzen von Frauen eher in Frage gestellt. Oder Männer treffen Entscheidungen, die auf Vorurteilen gründen, auch wenn diese meistens ganz unbewusst sind und keine böse Absicht dahintersteckt.
Dass Vorstände europäischer und amerikanischer Unternehmen meist überwiegend männlich besetzt sind, ist kein Geheimnis. Warum tun sich Unternehmen offenbar so schwer damit, Frauen in höhere Positionen zu befördern?
Die Statistiken sind hierzu wirklich ernüchternd, leider insbesondere in Deutschland: Knapp neun Prozent beträgt der aktuelle Frauenanteil in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen – so wenig wie in kaum einem anderen westlichen Industrieland. Angeblich gibt es sogar mehr Aufsichtsratsvorsitzende mit dem Namen Michael als es Frauen in dieser Position gibt. Da muss ganz klar mehr Bewegung reinkommen. Im Investmentbereich zeigen viele Studien, dass Teams mit größerer Diversität auf Dauer die besseren Renditen erzielen. Da ist es beinahe fahrlässig, qualifizierte Frauen nicht aktiver zu fördern. Und trotzdem: Studien von unserem Globalverband CFA Institute haben gezeigt, dass die meisten Investmentfirmen immer noch reaktiv bleiben, wenn es um Diversity geht. Sie haben keine klare Strategie, die konsequent verfolgt wird.
Was wären denn Ansätze für solch eine Strategie? Brauchen wir eine explizite Frauenförderung und ein neues Führungsverständnis in der Wirtschaft?
Denkbar ist zum Beispiel, dass finanzielle Anreize für Führungskräfte, etwa Bonuszahlungen, an Diversity-Ziele gekoppelt werden. Außerdem könnte es auch helfen, Auswahlverfahren von einem gemischten Team durchführen zu lassen – das könnte manche unbewussten Vorurteile abfedern. Ich glaube, dass auch Investoren hier eine wichtige Rolle spielen können. Im angelsächsischen Raum üben die großen Investmentfonds inzwischen immer mehr Druck auf die Unternehmen aus, mehr Vielfalt im Top-Management zu schaffen. Die größte Fondsgesellschaft der Welt beispielsweise, Blackrock, entlastet auf Hauptversammlungen den Aufsichtsrat nicht, wenn er in der Hinsicht zu langsam vorankommt. Diese Kultur hat sich leider noch nicht in Deutschland etabliert, wird aber hoffentlich kommen.
In Island ist es seit Anfang 2018 verboten, Frauen und Männer ungleich zu bezahlen. Braucht es ein solches Gesetz auch in Deutschland?
Ein klares Ja, wenn dies unbürokratisch und richtig vergleichbar durchgesetzt werden könnte. Aber in einem großen Land wie Deutschland ist das nicht so einfach, fürchte ich.
Könnte eine Frauenquote die Lösung bringen?
Ich habe eine gespaltene Meinung dazu. Meine Beobachtung nach fast 30 Jahren ist „seeing is believing“. Ich habe das neulich auf Deutsch als „Sehgewohnheit“ gelesen. Ich erinnere mich genau an den Tag im Jahr 2005 als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde. Im Radio hier in Hessen gab es einen Bericht mit vielen Aussagen von Wählerinnen und Wählern, die es peinlich fanden, dass diese Frau gewählt worden war. Mittlerweile gibt es eine junge Generation, die nicht mehr weiß, wie es in Deutschland mit einem männlichen Bundeskanzler aussieht. Wenn wir mehr Frauen in der Wirtschaft an prominenter Stelle sehen würden, würde sich auch dies als Selbstverständlichkeit etablieren. Eine Frauenquote würde das natürlich begünstigen – allerdings immer mit dem Beigeschmack, eine Frau könnte ihre Spitzenrolle nicht durch eigene Leistung, sondern durch die Quote bekommen haben. Wenn wir ohne Quote überzeugend vorankämen, wäre das sicher besser. Aber bedauerlicherweise sieht es momentan nicht danach aus.
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Susan Spinner, Jahrgang 1964, gebürtig aus Detroit/USA, bereits seit mehreren Jahren wohnhaft in Frankfurt, rund 30 Jahre Berufserfahrung in der Investmentbranche in Deutschland und den USA. U. a. Tätigkeiten für Cominvest, Hamburgische Landesbank, Dresdner Bank und Bank of Montreal (Chicago/USA). Seit Juni 2011 leitet sie den Berufsverband CFA Society Germany, dessen Gründungsmitglied sie ist, als Managing Director.
Einen zweiten Teil des Interviews mit Susan Spinner sowie weitere Artikel zum Thema Feminismus und Frauenrechte finden Sie in der aktuellen Ausgabe 07/2019 des JOURNAL FRANKFURT sowie in den kommenden Tagen unter www.journal-frankfurt.de/gleichberechtigung.
28. Juni 2019, 11.23 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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