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Zwischenruf von Abdullah Uwe Wagishauser

„Wir opfern unsere heiligen Werte auf dem Altar des Kapitalismus“

Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat schreibt hier über seine Beziehung zum Christentum und warum Weihnachten uns gemahnen sollte, Menschen in Not aufzunehmen und Ihnen Sicherheit zu gewähren.
Muslime feiern kein Weihnachten und doch lieben sie – zur Überraschung der Mehrheitsgesellschaft – diese besondere Zeit. Die weiße Weihnacht hat sogar für sie etwas zauberhaftes; Pfefferkuchen-Idylle, geschmückte Tannen, Lichterketten in der Nacht oder die alljährlichen Weihnachtsfilme im Fernsehen. Man könnte meinen, dass sie die Festtage viel eher genießen als diejenigen, die diese zelebrieren.

Alle Jahre wieder beschleicht auch mich als ehemaliger Christ ein Gefühl, das mich dazu anhält, das Fest der Liebe zu zelebrieren, auch wenn mit der Zeit nichts übrig geblieben scheint, außer dessen folklorisitsche Hülle. Von der Knappheit der Zeit getriebene, vom Überangebot berauschte und vom Einkauf gestresste Konsumenten ziehen durch die Straßen. Wo bleibt Raum für Besinnlichkeit und Nächstenliebe, die die Fundamente des Weihnachtsfestes bilden? Immer mehr wird sichtbar, wie wir die Werte, die uns heilig sind, auf dem Altar des Kapitalismus opfern.

Es war das bewusstere Leben und die lebendige Beziehung zu Gott, die mich zu meiner Konversion zum Islam bewogen. Doch vorher musste ich mich von einer christlichen Mythologie befreien, die den Geist der Lehren Jesu durch irrationale Dogmen ersetzt hatte. Die Dynamik der Befreiungsbewegung der 68er verhalf mir dazu, mit althergebrachten Traditionen zu brechen, alle Grenzen zu sprengen und neu zu denken. Ich hatte Hoffnung in eine neue bessere Welt. Das Problem war nur: wir wussten, wogegen wir waren, aber wofür wir waren, blieb diffus.

Nach langer Zeit der Sinnsuche fand ich schließlich zu Gott, der mich zu einer messianischen Reformbewegung im Islam leitete – fernab von schädlichen, scheinheiligen und fetischistischen Religiositäten. Meine atemberaubende Begegnung mit dem Islam glich denen der deutschen Denker Goethe, Rilke oder Lessing, die tief in den rationalen und spirituellen Kern dieser Religion eindrangen. Der Islam ist für uns eine Religion, die zum inneren und äußeren Frieden führen möchte. Sie schenkt Hoffnung und verpflichtet nach den hohen und doch erreichbaren Idealen zu streben und dieses Streben niemals aufzugeben.

Es sind auch ebenjene Ideale, an die das Weihnachtsfest erinnern soll. Auch wenn in den alljährlichen Weihnachtsfamilien bei den Vorbereitungen des Festes ein wildes Durcheinander, Stress und Konflikte herrschen, zeigen sie meist zum Ende hin ein Heiligabend voller Frieden, Harmonie, Mitgefühl und Nächstenliebe. Diese Ideale sind in unserer Köpfen, sogar wenn wir sie selten verwirklicht sehen. Sie zeigen eine Sehnsucht. Ich als Muslim, der anlässlich islamischer Feste spürt, wie mit größerer Ernsthaftigkeit gefeiert und gebetet wird, sieht diese Sehnsucht Wirklichkeit werden.

Wie hätte wohl der Prophet Jesus (Friede sei auf ihm), den der Koran als Zeichen der Barmherzigkeit Gottes beschreibt, auf die sinnentleerte Begehung seines vermeintlichen Geburtstages reagiert? Laut der 19. Sure ist die Geburt des Menschensohns unter einer Palme, die reife Datteln trug, erfolgt. Demnach muss Jesus (Friede sei auf ihm) im Spätsommer geboren sein. Sein gesamtes Leben verbrachte er auf der Flucht – in Zeiten der Flüchtlingskrise nicht uninteressant. Die Geschichte der Vertreibung ist also eng mit der christlichen Religionsgeschichte verknüpft. Die Aufnahme der Menschen in Not, um ihnen ein Leben in Frieden und Sicherheit zu gewähren ist also heute ein moralischer Imperativ.

Angesichts der hysterisch geführten Islam- und Flüchtlingsdebatte darf der Geist der Toleranz, der Nächstenliebe und Versöhnung, der auch das Weihnachtsfest umweht, nicht in den Hintergrund geraten. Muslime und Christen, die gemeinsam über die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, spielen eine besondere Rolle in der Schaffung von Frieden. Darüber hinaus gilt es, sich als Gesellschaft durch Hetzer und Fanatiker nicht spalten zu lassen, sich zusammenschließen und über religiöse Grenzen hinweg zu mehr Toleranz und der Etablierung universaler humanistischer Werte zu finden. „Angeführt“ von Angela Merkel ist ein Großteil der bundesdeutschen Bevölkerung dieses Jahr und hoffentlich auch die nächsten Jahre auf einem guten Weg.

Möge Gott der Allmächtige die Welt vor jeglicher Art der Unruhe befreien und möge der jetzige Zustand des Konflikts in einen Zustand des Friedens und der Harmonie verwandelt werden!

Der Autor Abdullah Uwe Wagishauser ist Bundesvorsitzender der Ahmadiyya Muslim Jamaat.
 
15. Dezember 2015, 10.30 Uhr
Abdullah Uwe Wagishauser
 
 
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