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Willy Brandt auf Katzendeutsch



Erstaunlich wie lange eine vierte Klasse ruhig zuhören kann. Und dann noch bei einer Geschichte mit derartigem Vokabular. Willy Brandt, Bundestag und Inflation. Doch als das Wort „Katzendeutsch“ fällt, geht ein lautes, gemeinsames Gekichere durchs Klassenzimmer. Das ist nämlich außer Norwegisch und Englisch eine der Sprachen, die Billy der Kater fließend beherrscht. Billy ist der Protagonist des Buches, das die 4a der Schule am Hang in Enkheim vorgelesen bekamen. Und dies nicht etwa von Frau Benecken, der Klassenlehrerin, sondern von einem Ehrengast: dem Abgeordneten Michael Paris (SPD), seit gestern ohne Landtag einigermaßen heimatlos. Da schau her. Hat man ja nicht alle Tage, dass sich ein Politiker in den Unterricht setzt und einer Klasse aus einem Buch vorliest.

Die Lesestunde war Teil eines Projektes der „Stiftung Lesen“. Freiwillige lesen hierbei Kindern in Schulen, Kindergärten oder Tagesstätten Bücher vor. Unterhaltung und Animierung zum selber Lesen soll’s bewirken. Den kleinen Zuhörern von Michael Paris hat’s auf jeden Fall gefallen. Obwohl das vorgetragene Thema doch harte Kost darstellte. „Das ist wie bei einem englischen Buch, da versteh ich auch nicht immer jedes Wort, aber Hauptsache den Zusammenhang und die Geschichte“, sagte Paris. Als Politiker, ist ja klar, hat er sich was Politisches ausgesucht. „Willy – Die spannende Geschichte eines deutschen Bundeskanzlers“ von Sabine Carbon und Barbara Lücker. Verständlich und kindgerecht verpackt. Man erfährt das Leben des Herrn Brandt aus den Augen seines Katers Billy. Der lockert den Lesestoff durch kleine Witzchen so auf, dass 24 Zehnjährige immerhin über eine Stunde lang lauschen können – aufmerksam und ohne Zappelei. Hinzu kommt noch die Stimme von Michael Paris. Es war zwar dieses Mal kein Raum voller Abgeordneter, aber er wusste wie er die Geschichte unterhaltsam vorträgt. Bei vier Kindern habe er auch Übung darin, meinte Paris.

Nach einer Stunde kommt Paris jedoch selbst in Stocken und muss lachen. Die Beschreibung von Willy Brandts Wahlplakaten mit Schnurbartverzierrungen und aufgemalten Brillen erinnert ihn dann doch zu sehr an den bevorstehenden Wahlkampf mit den immer noch gebräuchlichen Parteiwerbeschildern. Und auch heute noch werden von anonymen Künstlern solche Plakate mit Filzstiften „verziert“. Wie zu Brandts Zeiten. „Das mit dem Plakat fand ich auch lustig“, meinte der zehn Jahre alte Francesco. Man merkte an den Fragen von den Schülern, dass sie aufgepasst hatten. „Was sind Sektoren?“ , „Im Fernsehen laufen auch ganz viel Filme über Hitler“ oder „War das echt so, dass das Geld dann nichts mehr wert war?“. Bevor Paris dann das Zimmer verlassen durfte, gab’s erst mal eine Autogrammrunde. Und nachdem die Kleinen mit dem Landtagsabgeordneten fertig waren, hatten sie mich im Visier. Ich hab zwar nichts gemacht, saß nur leise und beobachtend in der Ecke. Aber egal. Die Unterschrift mussten sie auch noch haben. Welche Ehre.
 
20. November 2008, 14.29 Uhr
Günther Michels
 
 
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