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Total hingebungsvoll, Volume 1

Mit „Sound Of The Eleventh Season“ ist gerade das neue Album von Sven Väth erschienen. Im interview mit dem JOURNAL FRANKFURT erzählt der Star-DJ von Ibiza und schäwrmt von der Musik seines ehemaligen Mitstreiters Ralf Hildenbeutel.

JOURNAL FRANKFURT: Ist "Sven Väth In The Mix – Sound Of The Eleventh Season" wie immer ein musikalischer Rückblick auf die letzte Partysaison auf der Insel ...


Die CD-Reihe wurde 2000 ins Leben gerufen, benannt nach unserer Ibiza-Saison, Cocoon im Amnesia, jeden Montag von Mitte Juni bis Ende September. Dieser Rückblick ist über die letzten Jahre immer zweigeteilt ausgefallen, eine CD behandelt die Nacht und die andere den Tag, Night & Day, so habe ich das Konzept genannt. "The Sound of the Eleventh Season", das ist für mich der musikalische Rückblick auf den Sommer. Die Tracks, die ich ausgewählt habe, sind meine persönlichen Highlights. Dieses Mal ist es ein Streifzug durch die elektronischen Genres geworden, von eher housigen Klängen zu mehr tech-housigen Klängen bis hin zu experimentelleren Klängen, was für mich auch das musikalisch sehr breit gefächerte Jahr widerspiegelt. Für die Leute, die dieses Jahr auf Ibiza waren, ist das eine Erinnerung, und für alle, die nicht da waren, ist es die Möglichkeit, mal reinzuhören was dort musikalisch so passiert ist.


 JOURNAL FRANKFURT:  Namen wie DJ Koze erwartet man darauf, eher überraschend sind Hundred In The Hands, eine junge Band, die in der nächsten Woche im Sinkkasten spielt...


Da gibt es einen wunderschönen Remix von Kyle MF Hall, dem absoluten Newcomer, er ist zur Zeit everybody's darling aus Detroit. Ich bin ja ein WARP-Jünger der ersten Stunde, wir haben 199091 auch die erste WARP-Label-Party im Omen gemacht, mit Musik von LFO oder Nightmares on Wax. Deshalb bin ich dem Label, auf dem Hundred In The Hands veröffentlicht haben, auch immer treu geblieben und höre mir sehr viele Produktionen an. Die herausragenden Künstler dieses Labels sind natürlich Aphex Twin oder Boards of Canada, aber neben anderen hat Brian Eno ja jetzt auch ein Album auf WARP veröffentlicht, da bin ich sehr gespannt, was er da gemacht hat.


JOURNAL FRANKFURT:  Ein DJ-Album ist anders als die Soloalben Ende der Neunziger, es bleibt aber auch, trotz "Fremdmaterial", Deine ganz persönliche Sicht der Dinge, wie Du sie zusammen bringst? Das ist ja auch ein kreativer Akt ...


Dafür erst mal vielen Dank (lacht). Über die Jahre entwickelt man ja schon ein Gespür für neue Impulse und ich bin ein leidenschaftlicher Forscher und Pionier, was das angeht. Das Wesentliche bei der DJ-Arbeit ist, sich zu informieren, aktuell zu sein und neue Impulse und Schwingungen aufzunehmen, diese dann auch wieder in seinen Sets zu verarbeiten und nicht einfach starr und stur über die Jahre hinweg nur einen einzigen Sound zu verfolgen. Ich habe bereits zur Zeit von Eye Q und Harthouse mit Recycle Or Die versucht zu zeigen, wie nischenreich dieser Kosmos Elektronische Musik doch sein kann und wie man die verschiedenen Aspekte doch sehr interessant verknüpfen kann. So gehe ich an Musik ran, wenn ich sie selbst gestalte, aber auch wenn ich Musik höre, sie konsumiere. Ich gehöre noch zu denen, die einmal in der Woche Schallplatten kaufen gehen, ich spiele seit 30 Jahren Vinyl und werde das auch hoffentlich noch einige Jahre machen können. Denn das ist für mich das Salz in der Suppe, das macht es für mich interessant: rausgehen, um Musik zu finden. Und umgekehrt: Musik findet einen ja auch. Für mich – also für jemanden, der für elektronische Musikkultur in Deutschland steht – ist es ein Ansporn, immer neue junge Künstler zu entdecken und zu fördern. Nicht umsonst habe ich dafür mit meiner Company Cocoon, dem Record-Label und den vielen Events, die wir veranstalten auch verschiedene Plattformen. Denn dort bin ich regelmäßig in Kontakt mit jungen Künstlern, die mit ihren frischen neuen Ideen auf mich zukommen. Von daher wird es für mich auch nie langweilig.


JOURNAL FRANKFURT:  Pionier und Wegbereiter – da steht bei Wikipedia und anderen Plattenformen vorm Bindestrich noch Techno... Du sprichst aber jetzt ganz offensichtlich von elektronischer Musik ...


Techno ist ja eine geistige Haltung, so hat es Wolfgang Voigt mal sehr schön formuliert. Natürlich ist unter dem Dach des Hauses Techno, das ja viele Zimmer, Räume und Nischen hat, in den letzten Jahrzehnten viel passiert und entwickelt worden. Ich sehe mich in einer gewissen Art und Weise auch heute noch als Techno-DJ, der sich aber nicht dem Techno der härteren Gangart widmet, wie ihn vielleicht die meisten Leute verstehen. Mein musikalisches Spektrum war schon immer weiter gefächert: von House über Elektronik, Elektro-Techno bis hin zu Trance und Ambient ist alles dabei. Deswegen rede ich heute auch viel lieber von "elektronischer Musik", weil das Spektrum ganz einfach viel breiter geworden ist.


JOURNAL FRANKFURT:  Trotz Ibiza – ist Frankfurt noch Dein Lebensmittelpunkt?


Im Sommer bleibe ich auf Ibiza und gehe auch von dort aus auf Tournee. Frankfurt ist dennoch für mich meine Homebase und wird sie auch immer bleiben. Meine Frau und ich haben in Ibiza ein Haus gebaut und sind Ende Mai diesen Jahres eingezogen. Während der Sommermonate leben wir alle auf Ibiza, denn wir haben im Juli auch Zuwachs bekommen, einen kleinen Jungen. Ab Oktober bin ich dann normalerweise wieder in Frankfurt.


JOURNAL FRANKFURT:  Vom Underground zum Jetset lauten oft die Kommentare zum Ibiza-Engagement ...


Es ist ja so, dass Ibiza für Freaks und Freigeister schon immer eine wahnsinnige Ausstrahlung hatte. Das war in den sechziger Jahren so, selbst Bob Marley hat ja später dort gespielt. Die Hinterlassenschaften der Hippies sind natürlich noch da. Sie haben dort einen Spirit aufgebaut, der immer noch da ist. Die Clubs, die dann Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger eröffnet haben – Open Air-Clubs wie das Amnesia, das Ku, das Pascha oder das Space – waren natürlich wie gemacht für Paradiesvögel. Die Freaks, die die Musik und den hedonistischen Lifestyle lieben – da hat sich natürlich einiges getroffen und es wurde musikalisch auch einiges gewagt. Ich erinnere noch gut an den Summer of Love 1987 oder die Balearic Sound Wave Mitte der Achtziger – da ist natürlich sehr viel angestoßen worden. Auch nachdem die englischen Promoter die Insel entdeckt hatten. Die große Acid House-Welle hat ihren Anfang eigentlich 1987 auf Ibiza genommen und schwappte von da aus über ganz Europa. So hat die Insel auch immer viele Produzenten und DJs angezogen. Für mich war es letzten Endes eine logische Konsequenz, dort auch einen eigenen Abend zu etablieren. Ich war ja schon 1980 zum ersten Mal auf der Insel und habe von da an jedes Jahr die Opening- und die Closing-Partys mitgemacht, deshalb war es mein geheimer Traum, irgendwann einmal genau da meinen eigenen Abend zu etablieren, wenn die Zeit reif ist. Das habe ich dann im Jahr 2000 mit Cocoon im Amnesia montags gemacht, wo zuerst viele Leute gesagt haben, 'bist du wahnsinnig, das schaffst du nie, du bist viel zu undergroundig mit deinem Sound, der Sound auf der Insel ist viel kommerzieller, etwas leichtere Kost' – aber ich glaube, ich habe dann doch richtig gelegen mit meiner Intuition, diese Veranstaltung zusammen mit einem tollen Team mit Hingabe und viel Geduld aufzubauen. Es war nicht von Anfang an ein voller Erfolg, es hat schon ein paar Jahre gedauert, aber jetzt würde ich sagen, dass wir die erfolgreichste Veranstaltung auf der Insel haben und vor allem ist Cocoon Ibiza die Veranstaltung, auf die am meisten geachtet wird, was das Musikprogramm angeht. Diese Musik hat mittlerweile auch Einzug in die kommerzielleren Clubs Ibizas gehalten, so dass jetzt eigentlich überall unser Sound läuft. Wir haben die Insel sozusagen musikalisch ausgewechselt. Natürlich stellte sich danach die Frage, wo da noch der Underground ist, und ich verstehe auch die Frage nach dem Jetset. Aber wir sind uns musikalisch immer treu geblieben, nur sind wir einfach unglaublich gewachsen.


 JOURNAL FRANKFURT: Der zweite Lebensmittelpunkt des anderen Kollegen, über den wir sprechen wollen ist Paris was ja allein auch schon zeigt, dass die musikalischen Entwicklungen von Dir und Ralf in unterschiedliche Richtungen gegangen sind. Aber nicht nur gedanklich verbindet Dich von Ralf sicher noch eine ganze Menge, von Eye Q angefangen. Und da hast ja sicher auch mitgekriegt, was er jetzt so treibt, mit akustischem Klavier und Streichern...


 Selbstverständlich.


 JOURNAL FRANKFURT: Erzähle mal wie ihr damals zusammen gearbeitet habt, wie sich das entwickelt hast und wie Du ihn heute siehst?


 Mit Ralf verbindet mich eine ganz enge, eine ganz intime Zeit. Wir haben uns gegenseitig musikalisch sehr weit geöffnet. Ralf konnte meine künstlerischen Träume lesen. Wir haben in der Zeit, in der wir zusammen im Studio waren quasi unser beider Instrument gestimmt. Das ging irgendwann nahtlos ineinander über, die Funken von Kreativität und guter Laune sind nur so gesprüht. Vor allem war es aber auch dieser Mut zum Risiko, etwas Neues zu machen, neue Dinge in Richtung Ambient auszuprobieren und konsequent instrumentale Musik zu machen. Das hat uns beide sehr beflügelt, möchte ich sagen, und die musikalischen Resultate waren für mich immer sehr toll und fanden auch viel Anerkennung weltweit. Irgendwann wollte ich natürlich auch mein DJing – das war für mich auch eine heilige Sache – weiter entwickeln, gerade nachdem wir uns von Eye Q Records hatten getrennt, und ich gesagt habe, dass ich jetzt einen anderen Weg gehen werde. Auch Ralf tat das, und wir sind dennoch gute Freunde geblieben, da gab es nie einen schlechten Nachgeschmack, bei gar nichts. Ich glaube, es war für uns beide eine sehr bereichernde Zeit, und was ich noch dazu sagen möchte: wir haben auch unwahrscheinlich viel gelacht im Studio, wir haben sehr viel Spaß gehabt bei unseren Produktionen – das war grandios. Wir haben zusammen tolle Reisen gemacht, haben uns ausgetauscht über Lebenseinstellungen, über Musik, wir haben darüber nachgedacht, wie die Zukunft auf dem Dancefloor aussehen könnte. Ralf ist ein wirklich begnadeter Pianist, wie oft habe ich ihn im Studio gesagt, lass mal die Beats aus, spiel einfach mal was.


JOURNAL FRANKFURT: Und das haben wir ja jetzt in aller Konsequenz auf seinen beiden letzten Platten, auf der erst Solo-CD fast pur, z.T. mit Streichern und jetzt auf "Wunderland" mit zusätzlichen Instrumentarium, Toy-Piano, Akkordeon, Theremin...


Das ist fantastisch. Das erste Album "Lucy's Dream" habe ich in Melbourne gehört, in der Badewanne – danach musste ich mich direkt bei ihm melden: das war sowas von 100% Ralf Hildenbeutel und ich habe mich sehr gefreut, dass er diesen Schritt gegangen ist. Er hat ja auch schon damals mit Gottfried Tollmann auf Recyle Or Die schon das eine oder andere gemacht, auch mal ein Solo-Experimental-Ambient-Album. Aber mit den letzten beiden Alben, das muss ich sagen, hat er wirklich gezeigt, was für ein musikalisches Großtalent er ist. Ich habe zu ihm in Bezug auf das letzte Album auch sofort gesagt, Du hör mal, da läuft ja direkt ein Film ab, wenn man die Musik hört. Man sieht direkt diesen Film und denkt, mein Gott, wie schön ist das... Ich habe ihn gleich gefragt, ob das Album denn schon an die richtigen Adressen rausgegangen ist, z.B. an die Hollywood-Filmstudios? Man braucht da die richtigen Leute, um das zu channeln. Solche Musik ist ja heute nur schwer vermarktbar. Wie bringt man die Leute dazu, wie schafft man Aufmerksamkeit dafür? Für diese Musik gibt es allerdings auch bereits Plattformen: du hast ja die Yellow Lounge angesprochen – und ich kann mir auch vorstellen, dass man das mal live im cocoonclub macht.


JOURNAL FRANKFURT:  Du hast gerade zu "Lucy's Dream" gesagt – 100 % Ralf Hildenbeutel. Wie würdest Du diesen Typen kurz und knackig beschreiben?


Für mich war Ralf immer ein Freund, ausgestattet mit unheimlich viel Humor und Witz und einem ganz feinen Gefühl für den richtigen Ton. Sowohl auf der klassischen wie auch auf der modernen Seite ist er total hingebungsvoll – eben einer, der immer das musikalische Abenteuer gesucht hat, das zeichnet ihn aus. Er ist ein Connaisseur geworden, deshalb lebt er ja auch in Paris. Er weiß, was gut schmeckt und trinkt auch gern den einen oder anderen Rotwein, mit Verlaub – das machen wir alle. Leider habe ich nicht mehr so viel Kontakt zu ihm, weil doch jeder seinen Weg geht. Aber ich hatte ihn kürzlich mit seiner Frau zu meinem Geburtstag eingeladen und wir haben uns sehr gefreut, dass beide kommen konnten. Und jetzt, wo sein neues Album ganz aktuell draußen ist, würde ich ihm natürlich auch sehr gerne helfen, die Platte noch stärker publik zu machen.


Lesen Sie auch Total hingebungsvoll, Volume 2 wenn Ralf Hildenbeutel übe sein neues Album und die Zusammenarbeit mit Sven Väth redet.


 

 
23. November 2010, 15.43 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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