Regelmäßig beklagen Leser, dass viel zu viele Musiker an Frankfurt vorbeiziehen. Das JOURNAL FRANKFURT fragte Andre Lieberberg von der Frankfurter Konzertagentur Live Nation: Ist Frankfurt nur noch drittklassig?

JOURNAL FRANKFURT: Gibt es keinen Lokalpatriotismus mehr bei den Frankfurter Veranstaltern, anders als zu Hochzeiten von MAMA Concerts und Lippmann + Rau, als mit CBS Schallplatten (später Sony Music) auch noch ein Major unter den Plattenlabels hier beheimatet war? Lässt man zu viele Musiker an der Mainmetropole vorbeiziehen und ist Frankfurt tatsächlich nicht mehr wichtig im Tourneezirkus?

Andre Lieberberg: Lokalpatriotismus kann und darf leider nicht die einzige Bewertungsgrundlage sein, um Konzerte nach Frankfurt zu buchen. Natürlich haben wir eine starke Bindung zu unserem Heimatmarkt und die Anzahl der Produktionen, die wir nach Frankfurt bringen, veranschaulicht unseren Bezug zur Stadt. Unsere Konzerte in 2017 wie beispielsweise Coldplay, Bruno Mars, Depeche Mode, Bob Dylan, Xavier Naidoo, Kendrick Lamar im Februar 2018, oder kommende Shows wie Imagine Dragons, Justin Timberlake (Foto), 2Cellos, The Script oder Rea Garvey verdeutlichen dies. Das einzige Problem ist, dass wir keine bestuhlte Arena für 11.000-12.000 Besucher haben und in solchen Fällen nach Mannheim ausweichen müssen. Ansonsten befindet sich Frankfurt bei unbestuhlten Arenen und bei allen anderen Locations, ob Festhalle, Alte Oper, Jahrhunderthalle, Clubs oder Commerzbank-Arena nach wie vor in der absoluten Spitzengruppe, auch und gerade weil wir hier zuhause sind.

Fehlen uns die großen Hallen für die big names, haben wir nicht genügend Clubs für die Newcomer? Gibt es Acts bestimmter musikalischer Stil wie etwa Alternative, die hier aufgrund der Publikumsstruktur anders als etwa in Berlin, HH oder Köln nicht funktionieren?

Generell gehört Frankfurt zu den Top-5-Märkten in Deutschland. Natürlich gibt es Tourneen bei denen, speziell wenn es nur um ein einziges Konzert in Deutschland geht, Städte wie Berlin oder Köln enormes Potential bieten und teilweise auch von den Künstlern gewünscht werden. Das liegt aber nicht unbedingt an den fehlenden Veranstaltungsorten und auch nicht an einer schwächeren Publikumsstruktur für bestimmte Genres oder Stilrichtungen. Dennoch muss es eine Kernkompetenz eines jeden Veranstalters sein, die Stärke und Popularität eines bestimmten Konzertes oder einer Showproduktion richtig einzuschätzen und zu bewerten. Dies kann ab und an dazu führen, dass wir einen anderen Markt als Frankfurt wählen.

Haben unsere Locations nicht die richtige Kapazität, brauchen wir sogar Neubauten? Wie groß müssen Hallen heute sein, damit sich Konzerte rechnen?

Eine moderne Multifunktionsarena mit bis zu 15.000 Plätzen würde dem Standort Frankfurt natürlich guttun. Insbesondere weil sich die Terminsituation in der Festhalle oftmals schwierig gestaltet. Auch eine weitere Club-Location mit einer Kapazität zwischen 2.500-3.000 Besuchern würde sich positiv auf die Anzahl und Vielfalt der Konzerte in Frankfurt auswirken. Hier denke ich beispielsweise an das Bockenheimer Depot, welches eine fantastische Location für Konzerte aller Couleur wäre, wenn die Stadt uns dazu die Möglichkeit geben würde.

Ein Leser vermutete zuletzt, Live Nation könne einen Kooperationsvertrag mit der SAP Arena in Mannheim haben ...

Wir haben definitiv keinen Kooperationsvertrag mit der SAP Arena, der eine Bevorzugung gegenüber der Frankfurter Festhalle als Austragungsort vorsehen würde. Natürlich bespielen wir die SAP Arena je nach Verfügbarkeit, Eignung der Spielstätte für ein bestimmtes Konzert oder eine Produktion, und unserer Einschätzung hinsichtlich der Zugkraft eines Künstlers oder Events in der Region.

Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. – Mehr von Detlef Kinsler >>

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