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Tanzen verboten

Hier hoppeln die Clubhasen zu Ostern

Die Stadt Frankfurt will mit Kontrollen überwachen, dass die Nachtschwärmer am Karfreitag bloß nicht ihr Tanzbein schwingen. Einige Clubbesitzer versuchen das Feiertagsgesetz mit innovativen Events zu umgehen, während das Partyvolk mit Flashmobs demonstriert.
Aus dem üblichen Freitagsprogramm wird beim Jazzkeller wohl nichts. Ein Gesetz aus dem Jahr 1971 verbietet Tanzveranstaltungen von Gründonnerstag um 4 Uhr bis Ostersamstag um 24 Uhr. Aber davon lässt sich der Jazzkeller nicht beirren, der Club in der Kleinen Bockenheimer Straße kündigt eine „Swingin'-Latin-Funky“-Party, die normalerweise mittwochs zelebriert wird, am Karfreitag von 22 Uhr bis 3 Uhr laut Homepage an. „Zu Ehren von Herrn Stein (Frankfurts Ordnungsdezernent) heute nur Bewegungsmeditation (no livemusic)." Von Tanzen kann hier also gar nicht die Rede sein. Eigentlich sollte das doch mit dem Hessischen Feiertagsgesetz in Einklang zu bringen sein, in dem es heißt: „Die gesetzlichen Feiertage werden als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt.“ FDP-Fraktionsvorsitzende Annette Rinn findet das Tanzverbot am Karfreitag zwar in Ordnung, generell sei das hessische Feiertagsgesetz aber überdenkenswert. Dabei spreche sie allerdings lediglich im Namen der Fraktion, nicht im Namen von Ordnungsdezernent Volker Stein und seinem Ordnungsamt.

Thomas Klüber, Inhaber des Walden, versteht die Welt nicht mehr, wie er auf einer Podiumsdiskussion am Mittwochvormittag im Walden sagt: „Ich bin seit 25 Jahren in der Gastronomie selbstständig und bisher hat sich niemand um das Feiertagsgesetz geschert. Ich habe gedacht, wir sind eine offene Stadtgesellschaft, aber jetzt sehe ich mich in die gottlose Ecke gedrängt, in der ich mich nicht sehe. Das ist doch nur ein Aktionismus eines Stadtpolitikers.“ Ähnlich geht es auch Carlos Strail vom APT und Penthouse: „Ich verstehe nicht, was das Tanzverbot soll, wenn doch auch die Geschäfte am Ostersamstag geöffnet haben.“ Und Dennis Smith, Inhaber des Travolta, fragt sich gar, was der Glaube mit dem Tanzen zu tun hat. Aber darauf wird er wohl keine Antwort bekommen – außer vielleicht vom CDU-Stadtverordnete Michael zu Löwenstein: „Für gläubige Christen ist Jesus ein Freund, der am Karfreitag gestorben ist. Deshalb wird getrauert. Und erst am Ostersonntag ist ihnen zum Tanzen zu mute. Bei der ganzen Diskussion geht es doch nur um die Unternehmer, die Geld machen wollen und das am Besten 365 Tage im Jahr.“ Und um Geld geht es wirklich. Schließlich befürchtet Carlos Strail einen Verlust von 20.000 Euro, weil er den DJs wieder absagen muss. Allerdings seien audiovisuelle Shows erlaubt. Da frage man sich doch, ob die Gäste hinausgebeten werden müssten, wenn sie ihre Fußzehen bewegen. Und das Musical "Grease" werde auch in der Alten Oper aufgeführt, das interessiere aber niemanden.

Von manchen Clubs hört man, sie versuchten ihre Tanzevents als Privatveranstaltungen zu deklarieren, bei denen nur geladene Gäste Einlass er halten. Doch ganz so einfach ist das Ganze wohl nicht, wie Dagmar Reininger vom Ordnungsamt sagt: „Geschlossene Gesellschaften, die nur als solche getarnt sind, bei denen die Gäste aber Eintritt und Getränke zahlen müssen, sind natürlich trotzdem rechtlich nicht erlaubt, weil sie nur den Versuch einer geschlossenen Gesellschaft darstellen. Private Veranstaltungen wie Geburtstage sind natürlich erlaubt. Da darf dann auch getanzt werden.“ Der Faktor Geld – und wer es bei der Tanz-Veranstaltung verdient – scheint hier also die entscheidende Rolle zu spielen. Was aber passiert mit Clubs, die sich nicht an das Gesetz halten und vom Ordnungsamt erwischt werden? Auch die müssen zahlen. „Das Bußgeld für die Ordnungswidrigkeit beträgt 1.000 Euro. Zusätzlich wird die Zuverlässigkeit des Konzessionsinhabers überprüft. Wenn dieser mehrfach gegen Vorschriften verstoßen hat, kann ihm die Konzession entzogen werden“, sagt Dagmar Reininger. Der Stadtverordnete Manuel Stock (Grüne) ist gegen die hohen Strafen: „Die Strafen können die Existenz der Bürger bedrohen. Ordnungsdezernent Volker Stein hat mit seinen harten Worten vieles kaputt gemacht.“ Dass sich viele Bürger über das ihrer Meinung nach nicht mehr zeitgemäße Gesetz wundern, ficht die Dame vom Ordnungsamt nicht an. Im Gegenteil, sie erklärt: „Die Leute vergessen immer, dass das Feiertagsgesetz auch ein Arbeitnehmerschutzrecht ist. Ich wäre sauer, wenn das Gesetz abgeschafft wird. Dann müsste ich an Feiertagen arbeiten. Und das muss nicht unbedingt sein.“

Die Feierwütigen wollen nicht arbeiten, sondern ihrer Freude am Tanzen Ausdruck verleihen. Aus Protest - gegen den Eingriff der Ordnungshüter in die persönliche Freiheit - wollen zahlreiche Frankfurter am Karfreitag bei Flashmobs tanzen. Im Internet wird dazu aufgerufen, sich am Freitag um 16 Uhr mit mp3-Playern vor dem Römer zu versammeln, um dort eine Viertelstunde lang zu tanzen. Auch die Grüne Jugend Hessen will einen Tanzflashmob initiieren. Stadtjugendpfarrer Rüdiger Kohl ist entsetzt: „Um 15 Uhr war die Todesstunde Jesu Christi. Dazu findet eine Andacht in der Kirche am Römerberg statt. Und es ist nicht zumutbar, wenn die Trauernden die Kirche verlassen und tanzende, fröhliche Menschen sehen.“ Die Landtagsabgeordnete Sarah Sorge (Grüne) allerdings unterstützt die Idee der Flashmobber: „Immer weniger Menschen in Frankfurt gehören einer der christlichen Kirchen an, daher halte ich eine solche Regelung im Feiertagsgesetz für absurd. Die Religionsfreiheit ist dadurch, dass Menschen an bestimmten Orten Lust zum Tanzen haben, nicht eingeschränkt. Diejenigen, die an diesen Tagen ihre Religion ausüben wollen oder sich durch feiernde Menschen religiös verletzt fühlen, können ja einfach von den Tanzveranstaltungen fern bleiben.“
 
20. April 2011, 13.05 Uhr
nb/jlo/jp/tg/sl
 
 
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