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Swan Lake Reloaded

Bordsteinschwalben statt Schwäne

Sie glauben, Sie kennen die märchenhafte Geschichte von Odette und dem bösen Rotbart? Dann belehrt Sie „Swan Lake Reloaded – Tchaikovsky meets Streetdance“ im März in der Jahrhunderthalle eines Besseren. Das JOURNAL hat die Show schon gesehen.
Draußen ist es eisig, drinnen im Stockholmer Dansens Hus dagegen wird es mollig warm. Der Saal ist ausverkauft, wie so oft seit dem Debüt im Dezember 2011 und alle warten gespannt auf Swan Lake Reloaded – ein Tanzstück, das in Schweden schon mehr als 40 000 Zuschauer anlockte und demnächst durch Deutschland und Österreich tourt. Ein modernes Tanztheater, das nur noch vage an das 1877 uraufgeführte Ballett „Schwanensee“ von Tschaikowski erinnert. Erfunden hat die moderne Variante Frederik „Benke“ Rydman, der mit seiner Bounce Streetdance Company, seinen Jurorauftritten bei „So you think you can dance“ und der schwedischen Version von „X Faktor“ zu einer nationalen Berühmtheit wurde. Das Publikum kennt also den Choreographen und versteht, dass er es liebt, Altbewährtes neu zu interpretieren, wie demnächst auch Shakespeare’s Macbeth.

Diese Vorgeschichte sollten Zuschauer in Deutschland kennen, bevor sie Swan Lake Reloaded als Abendunterhaltung wählen. Denn wer elegante Schwäne, die auf Spitzen tanzen, erwartet, und in der allseits bekannten klassischen Musik schwelgen will, der kann nur bitter enttäuscht werden. Die Originalmusik ist nur in wenigen ausgewählten Szenen und dann auch nur verfremdet – geleiert und gescratcht – zu hören, dafür gibt es harte Elektrobeats und Popmusik auf die Ohren, die natürlich besser zu der modernen Streetdance-Choreografie passen. Auch inhaltlich muss man sich vom Original distanzieren: Statt Schwänen tanzen in weiße Pelze gehüllte, heroinabhängige Prostituierte und Rotbart ist kein König, sondern ein Zuhälter und Drogendealer, dem es gar nicht passt, dass Odette, eine seiner Dirnen, mit dem koksenden „Prinz“ Siegfrid anbändelt und sich so aus seinem Dunstkreis befreien will. Doch kann diese vom zehnköpfigen Ensemble dargestellte Romanze wirklich gut gehen?

Und vor allem: Wie kommt man auf eine so befremdliche Neuinterpretation, die anmutigen und die Reinheit symbolisierenden Schwäne ausgerechnet durch Prostituierte zu ersetzen? „Ich bin in London an einem Klamottenladen vorbei gelaufen und habe einen weißen Pelzmantel im Schaufenster gesehen. Für mich das Clichébild für Prostituierte“ erklärt Frederik Rydman seine Inspiration. „Irgendwie erinnerte mich der Mantel aber auch an Schwäne und dann dachte ich, darum ginge es vielleicht in Schwanensee.“ Er habe sich in die Musik des Balletts verliebt und geklärt, dass noch niemand zuvor auf seine Idee einer derartigen Modernisierung gekommen sei. „Um ehrlich zu sein, ich habe die Geschichte bei Schwanensee nie so ganz verstanden und wollte die Story klarer machen, das Märchenhafte beibehalten, dem Stück aber einen modernen Kontext geben. Jetzt ist es bunt, fast wie ein Comicbuch.“ Doch auch in Schweden teilt nicht jeder Rydmans Auffassung: „Eine schwedische Primaballerina hat gesagt, das sei eine Vergewaltigung eines Meisterstücks“ und wer Fan von Tschaikowskis Original ist und um die Bedeutung des Ballettstücks für klassische Tänzer weiß, der kann die Ballerina ein Stück weit verstehen. Denn pelzige Prostituierte, die bei Wassergeplätscher Plastikfische unter dem Arm mitschleppen, sind definitiv nicht jedermanns Sache. Doch auch das ist vom Choreografen Rydman beabsichtigt: „Ich will als Zuschauer überrascht werden, etwas fühlen, das ich nie zuvor gefühlt habe und genau darum mag ich Kontraste.“

Diese Kontraste sind den Hauptdarstellern Daniel Koivunen (Rotbart) und Robert Malm Borg (Siegfried) vermutlich gar nicht so bewusst, sie haben trotz einer Ballettausbildung Tschaikowskis Original nie gesehen. „Ich habe gar keine persönliche Beziehung zu dem Stück“ sagt der 25-jährige Koivunen, dem von der ersten Minute an auf der Bühne die Boshaftigkeit seiner Rolle anzumerken ist. Die ersten Minuten der Show sind übrigens auch beeindruckend, weil sie vor technischen Finessen strotzen, die leider nicht konsequent fortgesetzt werden. Die Tänzer agieren zunächst hinter einem Schleiervorhang auf dem effektvolle Bilder projiziert werden.

„Emotionen zu zeigen, das ist mir beim Tanzen am Wichtigsten“, sagt der Rotbart-Darsteller. Und Robert Malm Borg, der den Siegfried spielt, mag es beim Publikum Emotionen zu erwecken: „Wenn die Leute wütend werden, dann haben wir das Publikum bewegt und das ist doch besser als gar keine Regung auszulösen.“ Wie das Publikum in der Jahrhunderthalle vom 5. bis zum 10. März Swan Lake Reloaded aufnimmt, darauf kann das Ensemble gespannt sein. Vermutlich ist die Reaktion der Zuschauer gespalten. Entweder man liebt es oder man hasst es. Tickets sind bereits jetzt ab 37,50 Euro erhältlich.
 
23. Januar 2013, 11.44 Uhr
Nicole Brevoord
 
 
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