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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Städelschul-Rektor Philippe Pirotte:

"Wir möchten ein Ort sein, an dem eher Dissens als Konsens vermittelt wird"

Die Städelschule veranstaltet an diesem Wochenende nicht nur ihren traditionellen Rundgang, sondern feiert auch ihr ihr 200-jähriges Bestehen. Ein Interview über ihre Bedeutung mit ihrem Rektor Philippe Pirotte.
JOURNAL FRANKFURT: Was war Ihr Bild von der Städelschule, als Sie vor drei Jahren ihre Position als Rektor antraten?
PHILIPPE PIROTTE: Frankfurt ist eine beeindruckende Stadt. Die Städelschule kombiniert eine spezifische Idee von Bildung und mit einem “Nicht-Modell”, also der Lehre ohne Vorlage. Das hat mich sehr beeindruckt. Mir gefiel das Experiment einer Kunsthochschule, die international wie eine Kunstinstitution wahrgenommen wird. Die Städelschule ist die einzige Kunsthochschule, in der ich arbeiten wollte.

Was macht die Städelschule aus?
Seit Kasper König waren die Rektoren an dieser Hochschule immer Kuratoren – das ist eine schöne Tradition. Man ging damit einen neuen Weg. Die Kuratoren haben viele Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst, mit Ausstellungen und Publikationen. Aber wir hatten nicht die traditionellen Referenzen, um eine Schule zu leiten. Das ist typisch für die impliziten Strategien dieser Schule, die nicht wirklich Strategien sind. Das Besondere der Städelschule ist, dass sie eine Assemblage verschiedener Persönlichkeiten ist. Alle haben etwas zu bieten und das geht nicht nur von den Professoren und Professorinnen aus. Wir haben auch hervorragende Studenten und Studentinnen. Dadurch ist unsere Schule sehr offen aber eben auch sehr spezifisch.

Die Städelschule hat internationales Renommee. Spiegelt sich das auch in den Bewerbungen und in der Struktur der Studenten wider?
Wir haben insgesamt etwa 600 Bewerber pro Jahr. Abhängig von der Zahl der Absolventen und der Professoren und deren Klassen, nehmen wir 25 bis 30 neue Studierende auf. Dabei ist uns wichtig – und das ist auch eine Kunst - klein zu bleiben, um uns gut auf die Studierenden konzentrieren zu können. Unsere Studenten und Studentinnen sind sehr international. Über 60 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland. Doch wir bemühen uns auch immer, eine kritische Masse an deutschen Studierenden zu haben. Das ist wichtig, denn wir arbeiten in Frankfurt und nicht in der totalen Abstraktion. Wir wollen hier kein Fremdkörper sein. Zudem wird Frankfurt durch die internationale Studentenschaft geprägt, die sich mit Projekten in der Stadt einbringt.

Ab 1.1.2019 übernimmt das Land Hessen die Städelschule. Was ist der Grund für die Übernahme?
Der Wechsel der Trägerschaft der Städelschule wurde bereits vor einigen Jahren angekündigt. Die Städelschule war immer eine staatlich anerkannte Hochschule, die von der Stadt Frankfurt finanziert wurde. Aber eine alleinige Finanzierung durch die Stadt kann aus Budgetgründen nicht auf Dauer erfolgen. Das Interessante an dem Trägerschaftswechsel ist, dass das Land uns eine langfristige finanzielle Sicherheit geben kann. Für die Stadt Frankfurt waren wir in dieser Form die einzige edukative Institution. Das bedeutete Freiheit und Autonomie. Die hessische Behörde hat für die Hochschulen des Landes gewisse Regulierungen. Ich bin mir sicher, dass wir in konstruktiven Gesprächen, die bereits laufen, die Autonomie und Spezifität der Städelschule beibehalten und diesen Wechsel gut hinbekommen werden, sodass sich für uns nur wenig ändern wird.

Wird sich die Stadt Frankfurt auch weiterhin finanziell an der Städelschule beteiligen?
Für uns gehören die Städelschule und der Portikus zusammen. Die Ausstellungshalle Portikus wird weiter von der Stadt finanziert. Somit wird uns die Stadt Frankfurt auch weiterhin unterstützen. Zudem werden auch einzelne temporäre Projekte in unserer Schule von der Stadt Frankfurt unterstützt.

Seit 1987 ist die Ausstellungshalle Portikus als ein Zentrum für experimentelle Kunst ein integraler Bestandteil der Städelschule. Wie sieht die Zusammenarbeit von Städelschule und Portikus aus?
Der Portikus ist keine Studentengalerie. Er ist als Bestandteil des edukativen Programms der Städelschule eher ein Lernort. Der Portikus ist eine fast autonome Kunsthalle, die ihre eigene Resonanz hat. Es gibt kein Aufsichtsgremium. Es ist ein Experiment, das an die Städelschule angelagert ist und in dem auf höchsten Niveau Ausstellungen und Kunstprojekte realisiert werden.

Die Städelschule ist ein Ort, an dem Kunst gelehrt wird. Wie sieht die Vermittlung konkret aus?
Wir möchten ein Ort sein, an dem eher Dissens als Konsens vermittelt wird. Wir geben den Studierenden Ideen darüber, was Kunst sein könnte und versuchen, das Handhaben und Arbeiten mit Paradoxen zu vermitteln. Dazu bringt sich die gesamte Fakultät der Schule (also alle Professoren) in die Gestaltung der Lehre ein. Auch die Studierenden haben hier ein Mitspracherecht. Wir bemühen uns, als Dozenten Fachleute zu gewinnen, die sich im täglichen Leben mit Kunst, Architektur, Kritik oder Theorie beschäftigen. Sie werden zu Seminaren eingeladen oder halten öffentliche Vorträge. Dem guten Ruf der Städelschule folgen glücklicherweise viele Experten, die gern zu uns zu kommen. Dabei ist uns wichtig, dass in den Kursen und Gesprächen die eigenen, zum Teil selbstverständlichen, Vorstellungen hinterfragt werden. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste an der Lehre der Städelschule: die Selbstverständlichkeit von gewissen Werten zu durchbrechen.

Die Städelschule bietet den Master-Studiengang „Curatorial Studies – Theorie – Geschichte – Kritik“an. Was beinhaltet dieser Studiengang und an wen richtet er sich?
Seit dem Wintersemester 2010/11 bieten wir in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt den zweijährigen Master-Studiengang Curatorial Studies an. Er wurde von Dr. Stefanie Heraeus initiiert und konzipiert, die den Studiengang seither leitet. Der Studiengang ist eine Alternative zu einem klassischen Studium der Kunstgeschichte. Wir pflegen Kooperationen mit den meisten Frankfurter Kunstinstitutionen, in denen die Studierenden während dieses Studiums tätig sind und Erfahrungen sammeln können. Es interessieren sich nicht nur Kunsthistoriker für diesen Studiengang, sondern auch Studierende aus anderen Bereichen. Die Verbindung von Universität, Kunstakademie und Museen ist international einzigartig.

An der Städelschule wird auch Architektur unterrichtet. Wie kann man sich das vorstellen?
Seit mehreren Jahren ist unsere Architekturklasse ein akkreditierter Master-Studiengang. Dieser Studiengang richtet sich weltweit an Architektur-Absolventen mit Bachelor-Abschluss. Der Fokus der Architekturklasse in der Städelschule liegt auf theoretischen Anwendungsmöglichkeiten, also auf experimenteller Architektur. Der Studiengang ist Teil der Kunsthochschule und steht in ständigem Austausch mit der freien bildenden Kunst.

Zwischen 1978 und 2000 lehrte der Wiener Experimentalfilmer Peter Kubelka an der Städelschule Film und Kochen als Kunstgattung. Wird heute noch gekocht an der Städelschule?
Ja, klar wird noch gekocht; aber die Projekte haben sich weiterentwickelt. Wir essen jeden Tag lecker in der Mensa, die mit ökologischen Produkten kocht. Wir haben einen Koch, der mit seinem Team internationale Traditionen in die Gerichte einfließen lässt. Die Studierenden kochen nach den öffentlichen Vorträgen oft selbst. Tobias Rehberger und seine Studierenden interessieren sich beispielsweise für die experimentelle Gastronomie in anderen Ländern. Auch die gemeinsame Zubereitung von Gerichten aus der Heimat der internationalen Studierenden hat mittlerweile in vielen Klassen Tradition. Kochen ist wichtig und hat viel mit kreativer Arbeit zu tun!

In letzter Zeit hat sich aber auch das Schreiben als eine Form der künstlerischen Aktivität in der Städelschule besonders entwickelt. Wir konnten Mark von Schlegell, ein Science-Fiction-Schriftsteller und Kunstkritiker, als Gastprofessor gewinnen. Er begleitet bereits seit mehreren Semestern die Studierenden im Schreiben von Texten. Seine Klasse ist sehr aktiv. Die Studierenden organisieren eine Buchmesse, die Gruppe nimmt an Ausstellungen teil und realisiert Performances auf hohem Niveau. Das sind auch gute Beispiele dafür, wie die künstlerische Ausbildung an der Städelschule realisiert wird.

Wie sieht für Sie die ideale Kunstakademie aus?
Ich war in Athen auf der Documenta. Und wenn ich die Frage wörtlich nehmen darf, dann stelle ich mir ein mediterranes Klima vor mit Zypressen, viel Sonne und leckerem Essen. (lacht) Diese Vorstellung ist nah angelegt an den Akademie-Begriff der klassischen griechischen Philosophie. Ich freue mich, dass wir einen Teil dieser idealen Akademie auch hier in Frankfurt haben. Es ist ein Privileg für mich, von hervorragenden Persönlichkeiten umgeben zu sein und mit ihnen zusammen arbeiten zu dürfen.

Wo sehen Sie die Städelschule in der Zukunft?
Ich denke, es ist wichtig wach zu bleiben und nicht stehen zu bleiben. Wir leben in einer Gesellschaft mit moralischen Dilemmas. Institutionen, in denen über Kunst gedacht und Kunst produziert wird, tragen da eine große Verantwortung. Unsere Schule wird zukünftig weiter den Weg der experimentellen Bildung gehen und dabei zum eigenen Denken sowie zur Bildung der eigenen Meinung anregen.

Interview: Anett Göthe

>> Mehr zum derzeit stattfindenden Rundgang durch die Städelschule erfahren Sie in unserem Artikel "Wie Alice im Wunderland"
 
2. Juni 2017, 11.02 Uhr
Interview: Anett Göthe
 
 
Fotogalerie:
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