Schirn Kunsthalle

Die Pionierin

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Die Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigt mit 100 Werken das breite künstlerische Werk von Niki de Saint Phalle. Die Künstlerin verstand sich als Autodidaktin und betrachtete die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit.

Jasmin Schülke /

Wer kennt sie nicht, die Nanas: Niki de Saint Phalles bunte, pralle, großformatige Frauenfiguren, vor Lebensfreude strotzend. Sie begründeten den Erfolg der Künstlerin, ihr Werk jedoch ist weitaus facettenreicher. Niki de Saint Phalle ist eine Pionierin in der Kunstgeschichte, die sich bereits in den 50er und 60er Jahren politischer Themen annahm und tradierte Rollenbilder hinterfragte. Vermutlich hätte die 2002 verstorbene Künstlerin die aktuelle Debatte zum Feminismus und weiblichem Selbstverständnis mit angestoßen. Ihr Oevre, das nun in der Schirn zu sehen ist, wirkt auf jeden Fall zeitgeistig. „Niki de Saint Phalle eröffnete mit ihrer Kunst einen öffentlichen Dialog über gesellschaftlich relevante Fragen, die uns bis heute beschäftigen“, sagt Schirn-Direktor Sebastian Baden.

Die Ausstellung ist vor allem heiter und die Farbenpracht – die Wände in der Schirn sind in einem Farbverlauf von pink bis blau gestaltet – eine Wohltat im Wintergrau. Dazwischen natürlich die Nanas, fröhlich und bunt, aber auch die „Schießbilder“, mit denen die französisch-amerikanische Künstlerin erste Berühmtheit erlangte. In provokanten Performances schoss sie vor Publikum mit einem Gewehr auf präparierte weiße Gipsreliefs mit verspachtelten Farbelementen und brachte sie damit regelrecht zum Bluten. Die Künstlerin, die auch modelte, trug dabei einen weißen Overall und wirkt wie Emma Peel: Stark, schön, selbstermächtigt steht sie vor der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Der Overall hängt im ersten Raum auf einem Kleiderbügel an der Wand, umgeben von den „Schießbildern“. Besonders eindringlich ist ihre Arbeit „King-Kong“ von 1962 mit den Gipsmasken von männlichen Protagonisten der Weltpolitik der damaligen Zeit und man wüsste gerne, welche Protagonisten die Künstlerin heute auswählen würde.

Kompromisslos wie ihr Werk war Saint Phalle auch privat. Sie trennte sich von ihrem Ehemann Harry Mathews und den beiden Kindern, um sich ganz ihrer Arbeit hinzugeben. In Paris lernte sie ihren Wegbegleiter und langjährigen Partner Jean Tinguely kennen. Sie gilt heute als Hauptvertreterin der europäischen Pop-Art und Mitbegründerin des Happenings. Immer wieder erhob sie ihre Stimme, kritisierte Institutionen, Rollenbilder oder Stigmatisierung durch AIDS. Die glitzernde, bunte Oberfläche ihrer Arbeiten fasziniert: Freude und Brutalität, Humor und Horror liegen bei Niki de Saint Phalle dicht beieinander. „Sie schießt auf Bilder, aber sie schießt damit auf alle, vor allem auf sich selbst“, sagt Kuratorin Katharina Dohm. Das Zerstören um etwas Neues zu schaffen – Konstruktion durch Dekonstruktion – ist essentiell für ihr Werk. Kreativität durch Wut angetrieben, Wut auf eine von patriarchalen Strukturen durchdrungene Gesellschaft, der Niki de Saint Phalle den Kampf ansagte und dies in glitzernde Gewänder kleidete, immer radikal, aber mit Humor.

>> Niki de Saint Phalle, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 3. Februar bis 21. Mai,
www.schirn.de

Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt.
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