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Retrospektive im Städel

Emil Nolde – ein ambivalenter Künstler

Kaum ein Künstler ist in Deutschland so beliebt und wird zugleich so kritisch diskutiert wie Emil Nolde. In einer umfassenden Sonderausstellung widmet sich das Städel einem ambivalenten Mann.
War Emil Nolde überzeugter Antisemit oder ließ er sich, wie so viele seiner Generation, von den Versprechungen Adolf Hitlers blenden? Es wäre anmaßend die Frage an dieser Stelle klären zu wollen. Unbestritten ist jedoch, dass er zu den wichtigsten Vertretern des Expressionismus gehört und maßgeblich an der Entwicklung der klassischen Moderne beteiligt war.

In zahlreichen Ausstellungen findet der ambivalente Künstler regelmäßig Beachtung, sein Œuvre gehört zu den populärsten in Deutschland. Erst kürzlich zeigte das Museum Frieder Burda in Baden-Baden ihn in einer umfassenden Sonderausstellung. Dennoch ist die Präsentation, die heute im Städel Museum beginnt, die erste Retrospektive seit 1987. In über 140 Werken, davon 60 Ölgemälden, schafft das Kunstinstitut einen beeindruckenden Überblick über die Werkphasen eines Mannes, der bereits zu Lebzeiten mit seiner Kunst die Massen spaltete und Hohn wie Heroisierung erfuhr.

Hans Emil Hansen, so der gebürtige Name Noldes, wird 1867 im deutsch-dänischen Grenzgebiet geboren. Sein späterer Künstlername geht auf sein Heimatdorf Nolde zurück. Früh entdeckt der junge Mann seine Liebe zur Kunst. Nach einer Ausbildung zum Bildhauer und Zeichner und ersten finanziellen Erfolgen mit dem Entwerfen von Bergpostkarten, besucht er mehrere Malschulen – unter anderem in München, Paris und Kopenhagen.

Bereits 1907 kommen seine Werke erstmals nach Frankfurt – die Galerie Hermes stellt 16 Gemälde und 42 druckgrafische Arbeiten aus. Das Publikum reagiert schockiert, die Schau wird ein Misserfolg. Nolde hält sich nicht lange in der Stadt am Main auf, bleibt ihr aber dennoch verbunden. In den jüdischen Kunstsammlern Rosy und Ludwig Fischer und Ludwig Schames findet Nolde hier wichtige Unterstützer und Befürworter seiner Kunst. Sie gehören zu den ersten Käufern seiner Werke und sind maßgeblich an der Organisation seiner ersten Ausstellung in der Stadt beteiligt.
Ein weiterer bedeutender Mäzen ist Carl Hagemann. Insgesamt erwirbt er 22 Gemälde Noldes, von denen einige dem Städel vermacht wurden und die nun in der Retrospektive zu sehen sind.

Kaum ein Künstler ist in den deutschen Museen so allgegenwärtig wie Nolde. Das Städel bietet mit der Vereinigung von Werken aus allen seinen Schaffensphasen eine überraschende Perspektive auf einen vieldiskutierten Mann und sein Werk. Gerade durch seine enge Verbundenheit zu seinen jüdischen Freunden in Frankfurt, fällt es schwer, den späteren Antisemitismus Noldes zu begreifen. Christian Ring, von der Nolde Stiftung in Seebüll betont, dass es wichtig sei, zwischen dem Mensch und dem Künstler Nolde zu unterscheiden, um sein ambivalentes Verhalten während der NS-Zeit kritisch zu analysieren: „Er war ein Maler, der von Germanien schwärmte, dessen Kunst bei seinen Parteigenossen jedoch Misstrauen weckte.“ Tatsächlich bemühen Emil Nolde und seine Frau sich sehr um Anerkennung in der NSDAP, in Adolf Hitler sehen sie die Hoffnung der Nation.

Doch 1937 werden 1102 seiner Arbeiten aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt und zählen zur „Entarteten Kunst“. 1941 wird Nolde aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen und mit einem Berufsverbot belegt. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, entstehen in der Zeit des Dritten Reichs einige seiner wichtigsten Arbeiten. Zwischen 1938 und 1945 entsteht die Werkgruppe der „Ungemalten Bilder“ – dabei handelt es sich um außergewöhnliche Aquarelle, die auf dünnes (Japan-)Papier gemalt sind und ihre Ausdruckstärke besonders durch den Zufallseffekt von verlaufender Farbe gewinnen (siehe etwa das oben abgebildete Werk "Fremder Mann"). Dieser Schaffensphase ist ein Raum im Obergeschoss des Städel Anbaus gewidmet, gleich daneben findet sich eine Auswahl der Ölgemälde, die auf den „Ungemalten Bildern“ basieren.

Emil Nolde ist heute vor allem als der Maler leuchtender Blütenmeere und tosender Meere bekannt. Er war Autodidakt, der mehrere Kunstschulen besuchte und sein Werk zu Lebzeiten nicht ausreichend gewürdigt sah, obwohl er in der Weimarer Republik zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Generation zählte. Die Ausstellung im Städel Museum gibt in loser Folge einen Überblick über das gesamte Werk Noldes und stellt dabei besonders dessen Vorliebe für das Imaginäre und Groteske in den Vordergrund.

Beim Gang durch die Schaffensphasen wird vor allem die Wandlung vom expressionistischen Duktus zur einfachen, flächigen Malweise deutlich. In seinem Ausdruck fühlte sich Nolde als einer der wenigen noch dem Impressionismus des 19. Jahrhunderts verbunden, den er mit den Farben und der Spontaneität des 20. Jahrhunderts verband.

Kurator Felix Krämer schafft mit der Schau das Kunststück, Nolde nicht auf seine Haltung im Nationalsozialismus zu beschränken, ohne ihn als das Sinnbild des verfolgten Künstlers darzustellen, als der er in der Nachkriegszeit gerne gesehen wurde. Die Schau ist ein Plädoyer dafür, Emil Noldes Œuvre mit all seinen Facetten in Gänze zu erfassen und so die kreative Energie und Unmittelbarkeit eines ebenso faszinierenden wie ambivalenten Künstlers zu erfahren.

>> Emil Nolde. Retrospektive
Städel Museum, Schaumainkai 63, bis 15. Juni 2014, Eintritt: 12 Euro, am Wochenende 14 Euro. Kinder bis 12 Jahre: frei. Di/Mi/Sa/So 10–18 Uhr, Do–Fr 10–21 Uhr. Wer ein Online-Ticket kauft, kann ohne Wartezeit ins Haus hinein.
 
5. März 2014, 11.24 Uhr
Ronja Merkel
 
 
Fotogalerie:
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