Dieser Artikel über Kadim Sanli ist zur Oberbürgermeisterwahl 2007 erschienen - einen aktuellen Artikel mit dem neuen Programm findet ihr hier.
Abends, wenn ich aus der Ludwigstraße in die Mainzer Landstraße schwenke, komme ich immer an diesem Copyshop vorbei, normalerweise schenke ich ihm keine Beachtung, aber diesen Abend war das anders. Denn in der Eingangstür hängt folgendes Wahlplakat:
Was hat es mit diesem Spruch auf sich? Und vor allem: Wie sieht Kadim Sanlis restliches Wahlprogramm aus? Ich beschließe, mich mit ihm zu treffen.
Nächster Tag, ich wähle die Handy-Nummer, die die Stadt mir gegeben hat. "Kommen Sie ins Café Irfan!", sagt Sanli. "Münchener Straße 35, da bin ich immer." Super, das ist gleich um die Ecke. "Okay, sehen wir uns dort in einer Viertelstunde?", sage ich noch und dann: hinein in den Mantel, Notizblock und Digi geschnappt und hinaus in den Bahnhofsvierteldschungel. Das Café Irfan liegt mittendrin, eingekeilt zwischen alteingesessenen Geschäften, Puffs, Gemüsehändlern, Pornokinos, islamischen Kulturvereinen und Absteigen und dem ganzen Irrsinn, der hier Tag für Tag kulminiert. Ich stoße die Eingangstür auf und blicke in einen langen Schlauch voller Rauch und türkischer Männer, das Klackern von Rommé-Steinen und kleinen Teegläsern mit Goldrand klingt durch den Raum und wie das so ist, auch wenn's vielleicht politisch unkorrekt ist, fühle ich mich erstmal als Fremdkörper und werde auch so beäugt. Der Wirt gibt mir einen Tee aus und sagt dann noch, dass Kadim Sanli gerade erst weggegangen sei. "Ich weiß nicht, ob der noch mal kommt." So genieße ich den Anblick der spielenden Herrschaften, das Geflacker der Slot-Maschinen an der Wand, die romantischen Landschaftsaufnahmen aus Anatolien und das Blubbern der Teekessel hinterm Tresen.
Dann geht die Tür auf, Auftritt Kadim Sanli, keiner beachtet ihn, wir setzen uns - seinen dicken silbrigen Parka lässt er an.
Pflasterstrand: Herr Sanli, warum wollen Sie Oberbürgermeister werden? Kadim Sanli: Ich bin jung, ich bin stark und ich liebe Politik. Aha. Hier - mein Programm, da steht alles. Lesen Sie! Lesen Sie alles!
Döner für zwei Euro, ein Euro für die Fahrkarte, günstigere Wohnungen - ziemlich interessante Vorschläge. Aber wie, Herr Sanli, wollen Sie das finanzieren? (lacht) Dazu, ich kann nichts sagen. Wissen Sie: Wenn ich Ihnen das erzähle, die anderen wissen es auch. Welche anderen? Die Kandidaten, der Frey und so. Die kopieren mich. Das mag sein ... Aber wenn ich Sie wählen soll, müssen Sie mir doch sagen, wo Sie das Geld hernehmen wollen, wenn Sie im Amt sind. Das tut mir leid. Ich kann nur sagen: alle 30 Punkte werde ich durchsetzen. Alles. Da gebe ich ihnen mein Wort. Was ist Ihr Geheimnis? Ich bin jung und ich bin stark. Wie alt sind Sie? Das spielt keine Rolle. Auf den Stimmzetteln steht: 43 Jahre. Ja, aber in Wirklichkeit bin ich 26. Wirklich? Ja, ich treibe viel Sport, ich rauche nicht, trinke keinen Alkohol. Das hält jung. Auf ihrem Plakat ist zu lesen: "Puffhaus Frau zurückkommen zu Rathaus." Was ist damit gemeint? Also erstmal: ich möchte, dass die Puffhäuser vor die Stadt kommen. Die sollen nicht mehr hier sein. In die Puffhäuser sollen lieber Obdachlose wohnen. Und die Puffhausfrauen sollen beim Rathaus arbeiten. Nutten als städtische Bedienstete? Genau. Und mit dem Geld finanzieren sie günstigere Döner, Fahrkarten etc. Ja. Jetzt haben Sie mir doch verraten, wo das Geld herkommt. Nur eine von vielen Möglichkeiten. Von wem wollen Sie eigentlich Stimmen bekommen? Von allen Menschen. Ich komme aus der Türkei, aber auch Deutsche mögen meine Vorschläge. Zum Beispiel Punkt 13. Lesen Sie: "Kriminelle Ausländer in denen Heimat zurück senden." Klar, da stehen die Deutschen drauf. Alles ist gut. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen. Die sagen: wenn Du alle 30 Punkte durchsetzt, dann wähle ich dich. Warum wollen Sie eine Straße nach Schröder benennen? Er hat mich in die SPD geholt. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, als er noch Kanzler war und gesagt: ich will politisch aktiv werden. Da hat er mich in die Partei geholt. Aber ich bin vor einem Jahr ausgetreten, die wollten mich nicht nach oben lassen. Am gleichen Tag, ich habe mich für die Oberbürgermeisterwahl angemeldet. Herr Sanli, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Ich mache noch dieses Foto von ihm. Irgendwie auch als Beweis.
Dann verabschieden wir uns. Als ich schon an der Tür des Cafés bin, ruft Kadim Sanli: "Warten Sie, warten Sie! Eins muss ich noch sagen: Ich liebe ein griechisches Mädchen." Das freut mich. "Ja, eine Nachbarin von mir. Ich werde Sie heiraten." Und will SIE das auch? "Sie hat gesagt: Wenn Du Oberbürgermeister bist, ich heirate Dich." Na, dann viel Erfolg.