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Nur eine Frage, Herr Kehlmann!

daniel kehlmann

Daniel Kehlmann, sogenanntes „Genie“ der Literatur, gibt eine Vorlesung aus seinem neuen Roman „Ruhm, ein Roman in neun Geschichten“ im Schauspielhaus. Mein Auftrag lautet: Sprich ihn auf den Rowohlt Verlag an. Der will den Spiegel verklagen, weil er sich nicht an die Sperrfrist gehalten hat. Dass der Autor nicht gerne in der Öffentlichkeit steht und selten Interviews gibt, macht mich etwas nervös.

Vor der Kasse kloppen sich die Leute um die letzten Karten. Ich dränge mich vorbei: „Guten Abend, für mich wurden Karten hinterlegt. Journal Frankfurt.“ Böse funkelt die Dame an der Kasse mich an und weist mich darauf hin, dass ich zu spät sei. Ich sehe auf die Uhr. Viertel vor Acht, wie aufgetragen. Mit einer gönnerischen Geste gibt sie mir die Karten und macht noch mal ganz deutlich, was für ein Glück ich doch habe, dass sie die noch aufbewahrt hat. Ihr Blick spricht Bände. Meiner auch.

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Der Saal ist brechend voll, was ist das nur mit diesem Kehlmann? Er tritt auf die Bühne, die Menge jubelt. Da ist kein Lächeln, keine Freude. Er macht den Eindruck, als täte er uns einen Gefallen, hier aufzutauchen. Als wäre es ihm fast lästig, an dem kleinen Tisch zu sitzen und zu warten bis die Gastgeberin ihre Rede beendet hat. Sie spricht vom „kleinen Obama-Effekt“. Sein elanloses Auftreten hat jedoch nichts mit dem neuen US-Präsidenten gemein. Der ist seinen Bürgern definitiv näher, als Kehlmann seinen Lesern.

Dann steht er endlich auf und liest seine erste Kurzgeschichte vor. Vorlesen kann er gut. Betont und mit Engagement. Da fällt es leicht seiner Geschichte zu folgen. Es ist eben seine Geschichte.

Danach geht es los mit dem Interview zwischen ihm und Frau von Lovenberg. Was war zuerst da, die Form oder eine der neun Geschichten? Die Form. Außerdem seien sie in derselben Reihenfolge geschrieben, wie sie im Buch stehen. In seinen Geschichten sei die Technik ja sehr hervorgehoben. Richtig, er widme sich Dingen, die so neu sind, dass wir sie selbst kaum verstehen. Was Ruhm für ihn bedeute? „Ruhm ist eine Maske, die sich ins Gesicht frisst. Das ist ein Zitat von John Updike.“

Nun, das klingt wirklich nach jemandem, der nicht gerne im Rampenlicht steht.

daniel kehlmann

Es ist Zeit für eine zweite Geschichte. Ich gehe fünf Minuten früher in der Hoffnung ihn abfangen zu können. Die Worte des Chefredakteurs immer wieder im Kopf: „Ich zähl auf dich.“ Kaum ist die Lesung vorbei, hat sich schon eine riesige Traube um den Signiertisch gebildet. Schnell huscht der Schriftsteller auf seinen Platz, zuvor umgeben von zwei Leuten, die ihn begleiten. Doch ein kleiner Obama?

Ich bin die Fünfte in der Reihe. Dann kommt der Moment, ist stehe vor ihm: „Guten Abend, meine Name ist Melina Kalfelis vom Journal Frankfurt. Hier erstmal mein Buch zum signieren.“ Erst mal als begeisterter Leser outen, das stimmt ihn vielleicht milder. Dann bitte ich ihn, ihm ein bis zwei Fragen stellen zu dürfen. „Was? Jetzt? Sie sehen doch was hier los ist, ich muss mich konzentrieren.“ Mein erster Gedanke: 200 mal eine Unterschrift zu setzen braucht Konzentration? Nicht mal eine Frage? Nein. Langsam werde ich zur Seite gedrängt. Doch ich gebe nicht auf: „Gibt es denn irgendeine andere Möglichkeit, einen kurzen Moment mit Ihnen zu sprechen?“ Er zögert kurz, ich hab den Fisch an der Angel.

Falsch gelegen, das einzige was ich angele ist eine genervte, leicht arrogante Antwort: „Ich gebe keine Interviews mehr zu diesem Buch. Bitte haben sie dafür Verständnis!“ Mein erster Eindruck ist bestätigt: Eine Null-Bock-Haltung kombiniert mit einer guten Portion Überheblichkeit. Ich räume das Feld und gebe auf. Wenn schon keine Frage, dann vielleicht ein Tipp: Wer von der Öffentlichkeit gefeiert wird, sollte ihr auch etwa zurückgeben. Schließlich ist sie es, die ihn so groß macht.

Fotos: Harald Schröder
 
19. Februar 2009, 17.59 Uhr
Melina Kalfelis
 
 
Fotogalerie:
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